Iran, die Waffen und das Embargo
28. August 2020Konfrontation oder Kompromiss? Über einen angemessenen Umgang mit dem Iran vermögen sich die westlichen Verbündeten weiterhin kaum zu einigen. Während die USA auf einen harten Kurs setzen - ablesbar etwa in ihrem Ansinnen, sämtliche UN-Sanktion gegen den Iran wieder in Kraft treten zu lassen - pflegen andere Staaten wie Deutschland und Frankreich einen diplomatischeren Ton, ohne in der Sache allerdings weitreichende Zugeständnisse machen zu wollen.
So erklärte der deutsche Außenminister Heiko Maas Mitte dieser Woche auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem israelischen Außenminister Gabi Aschkenasi in Berlin, der Iran müsse sein Verhalten im Nahen Osten und der Golfregion ändern. Die Bundesregierung sei "nicht naiv" gegenüber Teheran. "Wir wissen, dass der Iran eine gefährliche Rolle in der Region spielt." Aus diesem Grund trete die Bundesregierung für eine Verlängerung des Waffenembargos gegen den Iran ein.
Mitte August hatten die USA einen Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat eingebracht, mit dem Ziel, das UN-Waffenembargo gegen den Iran zu verlängern. Das Embargo soll gemäß dem Nuklearabkommen von 2015, dem sich die UN angeschlossen hatte, im Oktober dieses Jahres enden. Der Antrag der USA wurde im UN-Sicherheitsrat mit den Stimmen Russlands und Chinas abgelehnt. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten. Die Resolution versetze die UN nicht in die Lage, "den erheblichen, von Iran ausgehenden Risiken für die Region wirkungsvoll zu begegnen und so die Sicherheit und Stabilität des Mittleren Ostens zu erhöhen", begründete der stellvertretende deutsche UN-Botschafter, Günter Sautter, die Enthaltung.
Begründete Unruhe?
Der UN-Beschluss, mit dem die Terminierung des Waffenembargos gegen den Iran bestätigt wurde, hatte insbesondere in der Golfregion zu erheblicher Unruhe geführt. "Iran wird in der Lage sein, moderne Angriffswaffen zu kaufen, um die maritimen Fähigkeiten der Islamischen Revolutionsgarden zu steigern, die Straße von Hormus, den Golf von Oman und den Golf von Aden zu bedrohen", heißt es etwa in der von saudischen Finanziers herausgegebenen Zeitung "Arab News". Iran werde in der Lage sein, sein Arsenal an Boden-Boden-Raketen zu modernisieren, um die regionalen Verbündeten der USA zu bedrohen. "Er wird in der Lage sein, seine nicht-staatlichen Stellvertreter mit ausgereiften Waffen zu versorgen, die die Region vom Irak bis zum Jemen weiter destabilisieren werden", so die Zeitung weiter.
Trägt Deutschland durch seine Enthaltung im UN-Sicherheitsrat demnach zu einer weiteren Destabilisierung des Nahen Ostens bei? Nein, sagt der Politologe Oliver Meier vom "Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik" an der Universität Hamburg. Durch das Auslaufen des Embargos werde sich zunächst nicht allzu viel ändern. "Der Transfer von Waffen an die Hisbollah im Libanon oder die Huthis im Jemen bleibt durch zwei entsprechende UN-Resolutionen verboten. Und auch wenn man es kritisiert: Iran war während des Embargos durchaus in der Lage, militärische Beziehungen zu seinen Verbündeten in der Region aufrechtzuerhalten." Zudem habe Iran aufgrund der von den USA verhängten Wirtschaftssanktionen vermutlich gar nicht die Mittel, große Mengen hochwertiger Waffen zu kaufen.
China als wirtschaftlicher Partner
Russland und China könnten nach dem Auslaufen des Embargos moderne Waffen nach Iran verkaufen, so Meier, hätten aber selbst nicht unbedingt ein Interesse an einer Aufrüstung Irans. "Der amerikanische Konfrontationskurs im UN-Sicherheitsrat hat allerdings die Chancen für eine Einbeziehung von Peking und Moskau in eine Nachfolgeregelung für die am 18. Oktober auslaufenden Lieferbeschränkungen für Waffen reduziert."
Tatsächlich pflegen Russland und China zu Iran ein distanziertes Partnerschaftsverhältnis. Während Moskau mit Teheran in Syrien gemeinsam an der Seite des Assad-Regimes steht, sieht China Iran vor allem als Partner in seinem Seidenstraßen-Projekt, ebenso auch als günstigen Erdöl-Lieferanten. Eine atomare Aufrüstung Irans lehnen beide Staaten aber ab.
Berlins Mittelweg
Berlin will das Atomabkommen retten und setzt deshalb, wie in den Äußerungen von Außenminister Maas erkennbar, in der Iran-Diplomatie auf einen Mittelkurs zwischen Druck und Entgegenkommen. Dies nicht zuletzt mit Blick auf die iranische Innenpolitik. Denn halte der massive Druck auf den Iran durch die USA weiter an, schreibt die am European Council on Foreign Relations forschende Politologin Ellie Geranmayeh, "dann werden wahrscheinlich große Risiken vor der Haustür Europas landen, darunter das erweiterte iranische Atom- und Raketenprogramm." Zugleich dürfte ein fortgesetzt harter US-Kurs die gemäßigten Stimmen bei den nächsten, voraussichtlich im Mai oder Juni 2021 stattfindenden Präsidentschaftswahlen weiter schwächen.
Eine solche Entwicklung sei in der iranischen Gesellschaft bereits angelegt, schreibt Geranmayeh. Die erneut drohende internationale Isolierung habe in weiten Teilen der Gesellschaft einen Stimmungsumschwung erzeugt: Der Gedanke einer Annäherung auf diplomatischem Weg habe an Überzeugungskraft verloren. Die Auswirkungen hätten sich bereits bei den Parlamentswahlen im Frühjahr dieses Jahres gezeigt, bei denen die Hardliner triumphierten: Sie sicherten sich 211 der 290 Parlamentssitze.
Waffen aus dem Westen
Der Politologe Oliver Meier verweist darauf, dass die Rüstungslieferungen in die politisch hochgradig angespannte Region nicht in erster Linie auf Teherans Nachfrage zurückgehen. "Die Nachbarschaft des Iran hat in den vergangenen Jahren enorm aufgerüstet. So betrug der Wert der iranischen Waffenkäufe in den Jahren von 2009 bis 2018 gerade einmal 3,5 Prozent jener Summe, die Saudi-Arabien in jener Zeit in Waffenkäufe investierte." Insbesondere hätten die USA in dieser Zeit Waffenexporte an ihre Verbündeten in der Region vergrößert. "Iran befindet sich also in einer auch von westlichen Staaten hochgerüsteten Region. Das wiederum heißt: Der Westen hat an den Spannungen innerhalb der Region durchaus seinen Anteil."