Comeback eines Hardliners?
5. Juli 2016Als Mahmud Ahmadinedschad 2013 nach zwei Amtszeiten nicht mehr für das iranische Präsidentenamt kandidieren durfte und durch den gemäßigten Kleriker Hassan Rohani abgelöst wurde, ging ein kollektives Aufatmen durch die Welt. Zu sehr hatte der Hardliner die Fronten zwischen dem Iran und der Internationalen Staatengemeinschaft verhärtet. Der Atomstreit steckte in einer Sackgasse, Teheran war außenpolitisch isoliert, der Iran wirtschaftlich am Boden. Und Ahmadinedschad fiel immer wieder durch rhetorische Giftpfeile gegen den Westen und Israel auf. Auch innenpolitisch war er umstritten, seine Wiederwahl 2009 von Massenprotesten und Wahlbetrugsvorwürfen begleitet. 2013, nach dem Erdrutschsieg Hassan Rohanis, sollte damit Schluss sein.
Der Politik, sagte Ahmadinedschad selbst, wollte er fortan den Rücken kehren, nur noch als Universitätsdozent arbeiten. Noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit schienen alle Weichen dafür gestellt: So erteilte ihm der Oberste Rat der Kulturrevolution die Erlaubnis dafür, eine eigene Universität in Teheran zu gründen. Doch dann scheiterten die Pläne - unter anderem an der fehlenden Finanzierung. Und ganz konnte der Ex-Präsident dann doch nicht von der Politik lassen. Der Oberste Revolutionsführer Ali Khamenei verschaffte ihm einen Posten im Schlichtungsrat, einem Organ, das bei Streitigkeiten zwischen dem Parlament und dem mächtigen Wächterrat vermitteln soll.
Auftritte gegen den Atomdeal
Dann wurde es auffallend still um den einstigen Provokateur. Jahrelang hielt er sich zurück. Doch seit einigen Wochen ist er wieder da, tourt durch die Provinz und hielt zuletzt gleich mehrere öffentliche Reden. Umjubelt von seinen Anhängern wettere er dabei vor allem gegen den Atomdeal Irans mit der Internationalen Staatengemeinschaft. "Bei diesen Auftritten hat er die Regierung Rohanis scharf kritisiert", erzählt der in Berlin lebende iranisch-stämmige Publizist Bahman Nirumand. "Er sagte, dass die Islamische Republik auf einem falschen Weg sei, die Prinzipien der Revolution verraten wurden und Rohani das Land auf Abwege führe."
Dass sich Mahmud Ahmadinedschad ausgerechnet jetzt wieder zu Wort meldet, dürfte kein Zufall sein. Im Frühjahr 2017 wird im Iran ein neuer Präsident gewählt. Beobachter glauben, dass sich Ahmadinedschad wieder für eine erneute Kandidatur in Stellung bringen möchte. Sein ehemaliger Regierungssprecher soll einen entsprechenden Antrag beim zuständigen Wahlgremium eingereicht haben. Außerdem sei "eine große Rückkehrkampagne geplant", berichtete vor einigen Tagen die Tageszeitung "Schargh". Gerade nach ihrer Niederlage bei den Parlamentswahlen in diesem Frühjahr suchen die Hardliner ein kräftiges Zugpferd für ihren nächsten Urnengang. Einige von ihnen glauben, dieses in ihrem ehemaligen Präsidenten gefunden zu haben.
Wirtschaftliche Stagnation als Chance?
Tatsächlich steigt im Iran der Frust gegenüber der jetzigen Regierung. Viele Iraner hatten große Hoffnungen darauf gesetzt, dass sich durch die Aufhebung der Sanktionen ihre wirtschaftliche Situation verbessern würde. "Doch das ist nicht eingetroffen", sagt Nirumand. "Die ganzen Vorverträge, die der Iran mit westlichen Investoren getroffen hat, kommen einfach nicht weiter, weil die Banken nicht bereit sind, die Finanzierung zu übernehmen." Denn noch immer ist eine ganze Reihe von Sanktionen in Kraft. Erst in der vergangenen Woche veröffentlichte das US-Außenministerium einen Jahresbericht, in dem der Iran als größter staatlicher Unterstützer des weltweiten Terrorismus bezeichnet wird. "Das alles wird im Iran vor allem von der konservativen Presse groß berichtet. Und Revolutionsführer Chamenei hatte immer wieder davor gewarnt, den USA zu sehr zu trauen: 'Selbst wenn wir alles machen, was die Amerikaner wollen, werden sie immer noch irgendetwas anderes wollen.' Und das bestätigt sich jetzt nach Auffassung der Rechten", sagt Bahman Nirumand, der im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung einen monatlichen Iran-Report herausgibt. Offenbar glaubt Mahmud Ahmadinedschad, von der Ernüchterung im Land profitieren zu können.
Durchwachsene Bilanz
Dabei gebe es kaum Grund zur Annahme, dass es mit dem Iran unter einer erneuten Präsidentschaft Ahmadinedschads besser gehen könnte. "Dafür fällt seine Bilanz als Präsident ganz miserabel aus", so Nirumand. "Er hat die Wirtschaft ruiniert, obwohl die Öleinnahmen vor allem in den ersten vier Jahren seiner Präsidentschaft ungewöhnlich hoch waren." Rund 200 Milliarden US-Dollar davon sollen in unbekannten Kanälen versickert sein. Zudem hatte Ahmadinedschad innenpolitisch sein Amt 2005 mit den Versprechen angetreten, Millionen neue Jobs zu schaffen und die Inflationsrate des heimischen Rial zu senken. Beides war ihm nicht gelungen – im Gegenteil. Durch die internationalen Sanktionen, aber auch durch großes Missmanagement in der Regierung steckte der Iran 2013 in einer tiefen Rezession, war die Inflationsrate innerhalb seiner Amtszeit auf über 30 Prozent gestiegen, die Arbeitslosenrate stagnierte bei zwölf Prozent. Das sind offizielle Angaben - die tatsächlichen Werte dürften noch schlechter gewesen sein.
Chancen auf eine Wiederwahl?
Dies ist auch der Grund, warum die Iraner selbst sein mögliches politisches Comeback eher mit gemischten Gefühlen sehen. "Er hat zwar vor allem in der Provinz noch viele Anhänger", erklärt Bahman Nirumand. "Andererseits haben sogar viele Konservative im Parlament und auch öffentlich bereits gegen ihn Stellung bezogen." Unter anderem Parlamentspräsident Ali Laridschani, einst Ahmadinedschads Chef-Atomunterhändler, doch heute ein erklärter Gegner des Ex-Präsidenten. "Für die Iraner wäre es keine attraktive Vorstellung, dass jemand nach zwei nicht gerade erfolgreichen Amtsperioden erneut bei der Präsidentenwahl 2017 antritt," so Laridschani. "Auch Revolutionsführer Chamenei hat Ahmadinedschad zwar in den ersten vier Jahren sehr unterstützt, aber danach gab es große Differenzen zwischen den beiden", sagt Bahman Nirumand. "Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass er tatsächlich wieder zum Präsidenten gewählt wird. Wenn doch, dann würde das einen völligen innen- und außenpolitischen Kurswechsel bedeuten, und das wäre für das ganze Land eine Katastrophe", ist der Iran-Experte überzeugt. "Aber daran glaube ich nicht."