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Hoffnung auf Reformen im Iran

Theresa Tropper1. März 2016

Nach dem Wahlerfolg der Reformer hoffen viele Iraner auf politische Veränderungen. Der Spielraum dafür ist zwar nicht groß, aber die Voraussetzungen waren lange nicht mehr so gut, berichtet Theresa Tropper aus Teheran.

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Iran KW49 Jugend
Jugendliche in TeheranBild: ISNA

Die unzähligen Wahlplakate mit den Gesichtern der Reformer, die noch bis vor kurzem überall in der Stadt verteilt waren, sind am Meydane Valiasr so gut wie verschwunden. Schon kurz nach der Abstimmung sieht der Platz im Zentrum von Teheran fast wieder aus wie vorher. Alltag aber herrscht noch lange nicht - denn die Euphorie des Wahltags und das überraschend deutliche Ergebnis hier in der Hauptstadt haben die Stimmung verändert: "Der Erfolg der Reformer lässt uns hoffen", sagt ein junger Mann mit weit aufgeknöpftem Hemd. Es müsse sich dringend etwas ändern im Land. Er weiß: Die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Jetzt, wo die Blockadehaltung des bisher von Hardlinern dominierten Parlaments wohl ihrem Ende entgegen geht, kann Präsident Rohani nach seinen außenpolitischen auch seine innenpolitischen Versprechen angehen. Viele Iraner hoffen vor allem auf wirtschaftliche Verbesserungen.

Iran nach der Wahl
Iran: Nach der Wahl ist vor den erhofften ReformenBild: DW/T. Tröpper

Gerade vielen jungen und gut ausgebildeten Menschen aber reicht das allein nicht aus. "Unsere größte Hoffnung ist, dass wir uns jetzt mehr einbringen können und unsere Probleme angegangen werden", sagt eine Frau mit blondierten Haaren und weit in den Nacken gerutschtem rosa Kopftuch. "Wenn das Parlament uns vertreten will, dann muss es uns zuhören - und wir sollten auch die Freiheit haben, unsere Meinung offen zu sagen." Mehr persönliche Freiheiten, das wünschen sich viele hier - ein Ende der Zensur sozialer Medien etwa oder die Freiheit, sich zu kleiden, wie sie möchten. Und einiges davon erscheint mit dem neu gewählten Parlament tatsächlich zumindest nicht mehr ganz unmöglich: Die Reformer sind dort mit so vielen Abgeordneten vertreten wie seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Dasselbe gilt auch für die Zahl der Frauen, die jetzt immerhin bei 14 liegt. Eine von ihnen wird bereits mit den Worten zitiert, die strengen islamischen Kleidervorschriften im Land würden eines Tages der Vergangenheit angehören.

Die Macht der Geistlichen bleibt

Eine Aussicht, die nicht allen hier in der Islamischen Republik gefällt. "Wir unterstützen den Obersten Führer", ruft ein junger Mann mit buschigen Augenbrauen aufgebracht und verleiht seinen Worten mit entschlossenen Gesten Nachdruck. "Wir erwarten, dass das neue Parlament sich an die Regeln hält." Radikale Veränderungen lehnt er ab - genau wie viele andere sehr gläubige Menschen im armen Süden der Stadt. Der nicht unerhebliche konservative Teil der Bevölkerung aber ist nicht der Hauptgrund, warum die Entwicklung wohl nicht so schnell gehen wird, wie es sich viele andere wünschen. "Die Geistlichen und religiösen Gelehrten hier im Land haben sehr viel Macht", erklärt Politanalyst Hasan Mohammadi. "Das Parlament und der Präsident allein können gegen diese Kräfte nichts ausrichten." Grundlegende Reformen bleiben also auch nach der Wahl schwer umzusetzen.

Iran nach der Wahl
Soziale Veränderungen sind schwer umzusetzen - glaubt Politanalyst MohammadiBild: DW/T. Tröpper

Politische Veränderungen aber sind durch den Erfolg der Reformer bei den Wahlen so wahrscheinlich wie lange nicht mehr. Denn auch im Expertenrat haben sie jetzt mehr Einfluss: Einige der mächtigsten Hardliner im Land haben ihren Platz dort verloren - darunter Ayatollah Mesbah Yazdi, einer Unterstützer von Ex-Präsident Ahmadinedschad, der kurz vor der Abstimmung den Zorn vieler Wähler auf sich gezogen hatte mit der Bemerkung, dass ihre Meinung in der Islamischen Republik ohnehin nicht zähle. Andere, wie der Chef des mächtigen Wächterrates, Ayatollah Jannati, sind geschwächt. Moderate Mitglieder des Expertenrates wie der frühere Präsident Ali Akbar Rafsandjani und Präsident Rohani selbst sind dagegen gestärkt. Das Gremium hat zwar mit der aktuellen Tagespolitik wenig zu tun, könnte in den kommenden Jahren aber dennoch großen Einfluss auf die Zukunft des Landes nehmen. Denn seine Hauptaufgabe ist es, einen neuen Obersten Führer zu wählen, falls Ayatollah Chamenei stirbt oder seine Aufgaben nicht mehr wahrnehmen kann. Und um den Gesundheitszustand des 76-Jährigen ranken sich seit Jahren Gerüchte; er selbst hat bereits gesagt, dass er die achtjährige Amtszeit des Rates möglicherweise nicht überleben wird. In diesem Fall wählen die Mitglieder also einen Nachfolger - und zwar sehr wahrscheinlich aus den eigenen Reihen.

Der Chatami-Faktor

Einen nicht unerheblichen Anteil an dem für die Reformer so guten Wahlergebnis hatte Ex-Präsident Mohammad Chatami. Der 72-Jährige, während dessen Präsidentschaft der Iran eine Phase der politischen Entspannung erlebt hatte, gilt vor allem unter vielen jungen Iranern als eine Art Volksheld. Weil iranische Medien über ihn nicht mehr berichten dürfen, hatte er seine Anhänger im Internet dazu aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Mit Erfolg: "Ich habe lange überlegt, ob ich überhaupt abstimmen soll", sagt eine Kunststudentin, die am Meydane Valiasr auf einen Bus wartet. Seit der sogenannten "Grünen Revolution" im Jahr 2009, wo sie gemeinsam mit ihren Freunden vergeblich auf die Straße gegangen war, hat sie an keiner Abstimmung mehr teilgenommen. Bis jetzt: "Chatami hat mich überzeugt, teilzunehmen - um die Hardliner loszuwerden." Und so kursiert hier in Teheran inzwischen ein Foto von Außenminister Zarif, der seinem amerikanischen Kollegen Kerry am Telefon sagt: "Falls Donald Trump bei euch da drüben wirklich zu einem Problem wird, sag Bescheid - dann sag ich unserem Mohammad, er soll eine Videobotschaft schicken."

Iran nach der Wahl
Haben nach wie vor viel Macht im Iran: Geistliche und religiöse GelehrteBild: DW/T. Tröpper