Eigenenergie vom Dach wird zum Trend
20. Juni 2018Die Solarkraft hat es geschafft: Die Zukunftsaussichten dieser jungen Technologie sind gut. Schon in vielen Teilen der Welt ist sie inzwischen die günstigste Energie, kann direkt vor Ort einfach erzeugt werden und verursacht keine Klima- und Umweltschäden. Forscher gehen davon aus, dass die Kosten dieser Energie weiter sinken - und sich in den nächsten zwei Jahrzehnten halbieren, prognostiziert das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE).
Wie in keine andere Energietechnik wird auch deshalb in die Solarkraft investiert. Nach Angaben von Bloomberg New Energy flossen so im vergangen Jahr weltweit 161 Milliarden Dollar in Kraftwerke mit Solarenergie, dahinter folgten Windkraft (107 Mrd.), Kohle, Gas und Öl (103 Mrd.), Wasserkraft (45 Mrd.) und Atomenergie (42 Mrd.). "Solarkraft ist auf Erfolgskurs und auf dem Weg zur dominierenden Energiequelle des 21. Jahrhunderts", sagt Christian Westermeier, Präsident von Verband SolarPower Europe.
Auf der Intersolar Europe in München, der weltweit führenden Fachmesse für Solar- und Speichertechnologien, stellte SolarPower den aktuellen Global Market Outlook vor: Demnach wurden weltweit in 2017 Solarkraftwerke mit einer Leistung von 99 Gigawatt (GW) neu aufgestellt, 29 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Ein Gigawatt Leistung entspricht die Erzeugungskapazität von einem neuen Atomkraftwerk oder zwei Kohlekraftwerken.
China hat seine Vorreiterrolle bei der Solarkraft auch im letzten Jahr weiter ausgebaut und 2017 mehr als die Hälfte aller Solaranlagen in der Weltweit (53 GW) installiert. Dahinter folgen mit großem Abstand USA (11 GW), Indien (9 GW), Japan (6 GW), EU (6 GW) und die Türkei (3 GW).
Die Autoren des Outlook-Berichts gehen davon aus, dass durch den steigenden Zubau die Kapazität zur Erzeugung von Solarstrom sich in den nächsten fünf Jahren mehr als verdoppeln wird und somit die Solarkraft weiter an Bedeutung gewinnt. Der globale Vorreiter bleibe aber auch weiterhin eindeutig China mit einer dann installierten Leistung von rund 340 GW.
EU-Bürger sollen vom Solardach profitieren
Europa - einst Vorreiter bei der Solarenergie - hatte den Ausbau in den letzten Jahren stark gebremst. "Es wurde eine Politik zum Schutz der Atomkraft, der Kohle-, Erdöl- und Erdgaswirtschaft gemacht, gegen die erneuerbaren Energien", sagt der Präsident der Energy Watch Group Hans-Josef Fell gegenüber der DW.
Jetzt sei es an der Zeit, "die Hindernisse für das solare Wachstum zu beseitigen", erklärt James Watson, Geschäftsführer von SolarPower. Er zeigt sich optimistisch, da sich in der EU Rat, Parlament und Mitgliedsstaaten in der letzten Woche darauf geeinigt haben, den Anteil von erneuerbaren Energien an der gesamten Energieversorgung von derzeit 17 Prozent auf mindestens 32 Prozent bis 2030 anzuheben und die Eigenstromproduktion zu stärken.
"Diese neuen Ambitionen werden uns helfen, unsere Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen", so Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klimapolitik und Energie, nach dem Beschluss. Erneuerbare Energien seien gut für Europa und sie "werden mehr Arbeitsplätze, niedrigere Stromrechnungen für die Verbraucher und weniger Energieimporte schaffen", so Cañete.
Auch wenn der Beschluss für das Pariser Klimaabkommen noch nicht ausreichend sei, zeigten sich Energie- und Umweltexperten erfreut, dass es für Bürger, Betriebe und Genossenschaften in der EU leichter werden soll, den eigenen Strom ohne bürokratischen Aufwand zu erzeugen und zu verkaufen. "Von sauberen Strom sollen nicht nur die Energieriesen profitieren, der Strom vom eigenen Solarpanel wird sich für die Bürger lohnen", erklärt Claude Turmes von der Grünen Fraktion im Europaparlament.
"Dies wird die Energiewelt radikal verändern, sie wird dezentraler, intelligenter und flexibler", meint auch Energieökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) gegenüber der DW.
Solarstrom mit intelligenter Steuerung
die Technik für Energiewende und Eigenversorgung ist da. Auf der Intersolar werden die verschiedenen Erzeugungs-, Speicher-und Steuerungstechniken gezeigt, damit die selbsterzeugte Energie den Bedarf für Strom, Wärme- und Transport optimal deckt, die Nachbarn mitversorgt und zugleich Kosten spart.
Nach Angaben des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) haben bereits eine Million Gebäude in Deutschland Solarstrom auf dem Dach und aus Neuanlagen wird er bereits für rund zehn Cent je Kilowattstunde erzeugt und kostet somit weniger als die Hälfte als vom Energieversorger. In südlichen Ländern mit doppeltet Solareinstrahlung wie Italien und Spanien, ist der Vorteil der solaren Selbstversorgung sogar noch wesentlich größer.
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Als "kleine Schritte in die richtige Richtung", bezeichnet Kemfert die eingeschlagene EU-Strategie zur Steigerung der erneuerbaren Energien auf 32 Prozent und dem gestärkten Recht zur Eigenstromversorgung.
Trotzdem sollten die Ausbauziele für erneuerbare Energien höher sein, "um die Energiewende erfolgreich umzusetzen" und gegenüber China bei den modernen Technologien den Anschluss nicht zu verlieren.
"Die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit über Investitionen in die Modernisierung der Wirtschaft ist dringend notwendig, sonst droht der Industrie in der EU völlig abgehängt zu werden", betont Kemfert und bemängelt, dass "ein fundamentales Umdenken bisher nicht stattgefunden hat". Noch immer würden fossile konventionelle Energien stark bevorteilt.
Besorgt über die Politik zeigt sich auch die deutsche Solarindustrie. In einem offenen Brief fordern mehr als 30 deutsche Solarunternehmen und Forschungsinstitute von der Bundesregierung "schnellstmögliche Maßnahmen zum Erhalt und erfolgreichen Ausbau der Solartechnologie". Ohne eine "effektive Industriepolitische Strategie drohen in der Folge auch Anlagenbauer, Materialhersteller und die Forschung nach Asien abzuwandern", heißt es in dem Schreiben an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).