Enttäuschung und Sorge nach Kündigung des Atomabkommens
9. Mai 2018Wut, Enttäuschung, Sorge, Trotz - in die Reaktionen auf den US-Ausstieg aus dem Atomabkommen mischt sich vieles. "Dieses Abkommen ist nicht tot", sagte Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian dem französischen Radiosender RTL. Berichte der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zeigten, dass der Iran das Abkommen respektiere. Le Drian kündigte ein Treffen der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens mit Vertretern Teherans für kommenden Montag an. Der Atomvertrag sei unentbehrlich für die Sicherheit der Region, konstatierte Le Drian. Nun bestehe ein "echtes Risiko", dass es nach Trumps Iran-Entscheidung zu einer Konfrontation im Nahen Osten komme.
Die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens hatten bereits am Dienstagabend "Bedauern und Sorge" geäußert und angekündigt, sich auch nach dem Ausstieg der USA zusammen für den Erhalt der Vereinbarung einsetzen zu wollen. Die drei europäischen Partner sind Mitunterzeichner des 2015 geschlossenen Atomabkommens.
Auch Russland ist "tief enttäuscht"
US-Präsident Donald Trump hatte das Atomabkommen als "desaströsen Deal" bezeichnet, der im Kern faul sei und dem Iran nicht an der Entwicklung von Kernwaffen hindern könne. Er sprach von unwiderlegbaren Beweisen, dass der Iran nach wie vor versuche, Atomwaffen zu bauen. Trump berief sich dabei auf den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu. Dessen Angaben vom Anfang der Woche waren von der Europäischen Union als falsch und irreführend zurückgewiesen worden. Außerdem kündigte Trump an, die im Rahmen des Abkommens gelockerten Sanktionen gegen den Iran wieder zu verschärfen.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte, die EU sei "entschlossen", das Atomabkommen aufrecht zu erhalten. Auch Russland, das ebenfalls an dem Abkommen mitgewirkt hatte, zeigte sich "tief enttäuscht" über Trumps Entscheidung. Sein Land werde am Iran-Abkommen festhalten, zitiert die Nachrichtenagentur Interfax Außenminister Sergej Lawrow
Ex-US-Präsident Barack Obama, unter dessen Regierung der Atomdeal mit dem Iran ausgearbeitet worden war, sprach von einer "fehlgeleiteten" Entscheidung und einem "schwerwiegenden Fehler" seines Nachfolgers. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief die übrigen Unterzeichner dazu auf, ihre Verpflichtungen einzuhalten.
Sicherheitsexperten warnen vor Destabilisierung
Sicherheitsexperten befürchten nach Trumps Entscheidung neue Spannungen im Nahen Osten: "Vermutlich werden wir in den nächsten Tagen und Wochen eine weitere Destabilisierung der Region erleben", sagte der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, der Zeitung "Welt". Trump habe den Ausstieg aus dem Deal seinen Wählern versprochen. "Das tut er jetzt zum Nachteil des Weltfriedens", sagte der Chef des Münchener Sicherheitskonferenz Wolfgang Ischinger im ZDF-"Morgenmagazin".
Iran - zwischen Festhalten und Aussteigen
Der Iran will nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen vorerst an dem Deal festhalten, macht die endgültige Entscheidung darüber jedoch von den anderen Vertragspartnern abhängig. Präsident Hassan Rohani kündigte an, mit den übrigen Unterzeichnern des Abkommens - Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China - über Trumps Entscheidung sprechen zu wollen. Er drohte aber auch damit, die iranische Urananreicherung wieder zu verstärken, und warf Trump "psychologische Kriegsführung" vor.
Der oberste politische und religiöse Führer Irans bezeichnete die Ankündigung von Trump als dumm. "Mr. Trump, ich sage Ihnen im Namen des iranischen Volkes: Sie haben einen Fehler gemacht", hieß es auf der offiziellen Website von Ajatollah Ali Chamenei. Trump habe in seiner Rede einige dumme und oberflächliche Aussagen gemacht und vermutlich mehr als zehn Lügen erzählt. "Er hat das Regime und das Volk bedroht." Chamenei hatte dem Atomabkommen nur widerwillig zugestimmt und den USA wiederholt öffentlich vorgeworfen, sich nicht an die gemachten Zusagen zu halten.
Der Chef der im Iran einflussreichen Revolutionsgarden hält das Ende des Atomabkommens nach dem US-Ausstieg für praktisch besiegelt. Die Europäer seien zu eng mit den Amerikanern verbunden, als dass sie eine unabhängige Entscheidung treffen könnten, sagt Generalmajor Mohammed Ali Dschafari laut der Nachrichtenagentur Fars News. Im Parlament in Teheran verbrannten einige Abgeordnete eine US-Flagge. Hardliner im Iran waren von Anfang an gegen das 2015 geschlossene Wiener Atomabkommen.
Israel begrüßte dagegen die Ankündigung. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte Trumps Entscheidung mutig und richtig. Das Abkommen hätte zu "einer Katastrophe für unsere Region, einer Katastrophe für den Weltfrieden" geführt. Irans Erzrivale Saudi-Arabien lobte den Schritt ebenfalls.
cw/sam (dpa, afp, rtr)