Berlin stellt sich hinter das Iran-Abkommen
8. Mai 2018Überraschen konnte die Entscheidung des US-Präsident Donald Trump zum Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran in Berlin eigentlich niemanden mehr, am wenigsten wohl Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte Trump zu diesem Thema noch in der Woche zuvor in Washington, D.C. besucht. "Wir haben diesen Rückzug der USA, der natürlich schwerwiegend ist für ein solches Abkommen, mit Bedauern, aber auch mit Sorge zur Kenntnis genommen", sagte Merkel in Berlin.
Und stellte direkt klar: Deutschland wolle an dem "Joint Comprehensive Plan of Action", kurz: JCPOA, genannten Abkommen festhalten. "Wir werden diesem Abkommen weiterhin verpflichtet bleiben", sagte die Bundeskanzlerin im Rahmen einer Veranstaltung ihrer Partei CDU. Man wolle alles daran setzen, dass auch der Iran in Zukunft seine Verpflichtungen einhalte, was er nach Einschätzung der Internationalen Atom-Energie-Behörde auch tue.
Merkel will weiter mit Iran im Dialog bleiben
Dennoch müsse weiter mit dem Iran verhandelt werden. "Wir wissen natürlich, dass dieses Abkommen auch nur für eine begrenzte Zeit Lösungen findet", sagte Merkel. "Über das Abkommen hinaus gibt es breite Bereiche, über die man reden muss." Das ballistische Raketenprogramm des Iran sei ebenso ein Problem wie die destabilisierende Wirkung des Iran im Jemen. "Das bedeutet aber natürlich, dass wir uns jetzt noch mehr engagieren müssen im Bereich der Frage wie finden wir politische Lösungen für bestehende Konflikte."
Auch Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bekräftige diese Position der Bundesregierung. "Wir bleiben der Nuklear-Vereinbarung verpflichtet, schon aus einer eigenem sicherheitspolitischen Interesse", sagte er am Mittwoch in Berlin. "Es ist das erfolgreiche Ergebnis langer und schwieriger diplomatischer Verhandlung über viele Jahre und vor allem: Das Abkommen funktioniert."
Außenminister Maas: "Das Abkommen funktioniert"
Maas zeigte sich schon direkt nach der Ankündigung Trumps zuversichtlich, dass auch der Iran an dem Abkommen festhalten wolle: "Letztlich wird auch der Iran Interesse daran haben, dass er wirtschaftliche Kontakte in die Welt hat und damit auch den Wohlstand in seinem Land weiterentwickeln kann", sagte Maas den ARD-"Tagesthemen". Die Alternative sei "eindeutig schlechter", sagte Maas. Ohne das Abkommen gäbe es keine Verpflichtung für den Iran, keine Nuklearwaffen zu produzieren.
In Deutschland wird die Entscheidung Trumps nahezu einhellig verurteilt - und als kurzsichtig, fehlgeleitet und unverantwortlich bezeichnet. "In drei Minuten und 32 Sekunden hat Donald Trump die Welt unsicherer gemacht", sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles. Die Entscheidung der USA versetze die ganze Welt in große Sorge.
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour twitterte wenige Sekunden nach Trumps Auftritt: "Trump hat einen verheerenden Fehler begangen." Jetzt sei es an Europa zu handeln, um einen nuklearen Rüstungswettlauf im Nahen Osten und eine Wideraufnahme des iranischen Atomwaffenprogramms zu verhindern, so Nouripour. Der deutsche Außenstaatssekretär Michael Roth (SPD) gab ihm recht, indem er in seiner Twitter-Botschaft darauf abhob: "Die Europäer müssen retten, was zu retten ist."
Macron, Merkel und May telefonieren
Auf dies Aufgabe waren die europäischen Unterzeichner des Abkommens gefasst. Der französische Präsident Emannuel Macron veröffentlichte - auch im Namen von Deutschland und Großbritannien - kurz nach Trumps Entscheidung eine Erklärung der drei Länder: "Gemeinsam betonen wir, dass wir dem Abkommen weiterhin verpflichtet sind." Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollten sich für den Erhalt des Abkommens einsetzen und gemeinsam mit allen verbliebenen Parteien darauf hinwirken, dass das Abkommen bewahrt wird.
"Dies schließt den Erhalt von wirtschaftlichen Vorteilen für das iranische Volk ein, die mit dem Abkommen verknüpft sind." Noch bevor Trump in Washington vor die Mikrofone getreten war, hatten sich Frankreichs Präsident Emannuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und die britische Premierministerin Theresa May zu einer Telefonkonferenz verabredet, um die gemeinsame Position abzustimmen.
Linkspartei: "Bundesregierung muss Trumps Kriegserklärung verurteilen"
Die Außenpolitikerin Sevim Dagdelen von der Linkspartei verband mit ihrer Twitter-Botschaft eine Forderung, die sie durch die gemeinsame Erklärung noch nicht erfüllt sieht: "Die Bundesregierung muss Trumps Kriegserklärung gegen den Iran klar verurteilen. Nein zu einem Angriffskrieg gegen den Iran."
Trump hatte in seiner Ansprache im Weißen Haus das Abkommen mit dem Iran als "ein schreckliches Abkommen" bezeichnet, das "nur einer Seite genutzt" habe. Jetzt will er sämtliche US-Sanktionen gegen Teheran, die auf der Basis des Abkommens aufgehoben worden waren, wieder in Kraft setzen. Das bedeutet die faktische Aufkündigung des 2015 unter der US-Regierung von Barack Obama geschlossenen Vertrages. Darüber hinaus sollen noch weitere Strafmaßnahmen gegen den Iran verhängt werden. Wann und welche Strafmaßnahmen dies sein könnten, ließ Trump an diesem Abend noch offen.
Weitreichende Folgen
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, hält das Abkommen für gescheitert. "Der Iran wird an den wirtschaftlichen Kooperationen festhalten wollen", sagt Röttgen der "HuffPost". "Die aber werden für europäische Unternehmen nicht mehr möglich sein, wenn sie von den USA nicht sanktioniert werden wollen. So wird das Abkommen am Ende scheitern, auch wenn es die Europäer gerne anders hätten."
SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich sieht durch Trumps Handeln mehr als nur das Iran-Abkommen in Gefahr: "Der US-Präsident riskiert mit seinem einseitigen Schritt einen Bruch im transatlantischen Verhältnis." FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff hält die Entscheidung vor allem für "kurzsichtig und falsch".
Vereinzelt werden auch die Hardliner im Iran scharf angegangen. Lambsdorffs Parteikollege, der FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai, warnte allerdings vor einer zu eindeutigen Verurteilung Trumps. Der Deutsche mit iranischen Wurzeln sagte im DW-Interview: "Es ist nicht in erster Linie die Schuld des US-Präsidenten, sondern es ist die Schuld der Hardliner im Iran, die massiv dazu beigetragen haben, dass dieses Abkommen am Ende des Tages gescheitert ist."
Für besonders viel Zündstoff in Deutschland dürfte sorgen, dass der neue US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, am Dienstag kurz nach seinem Präsidenten über Twitter nachlegte. Er forderte von deutschen Unternehmen, ihre Aktivitäten im Iran "sofort" herunterzufahren. Vom Verband der deutschen Maschinenbauer hieß es daraufhin postwendend: "So lange die EU ihre Sanktionen gegen den Iran nicht wieder aktiviert, ist legales Iran-Geschäft für die deutsche Wirtschaft möglich."