Seehofer will Asylbehörde umbauen
27. Mai 2018Die Affäre um das Bundesamt für Migration (BAMF) entwickelt sich für Innenminister Horst Seehofer zum Dauerproblem. Durch die Ermittlungen im Bremer Flüchtlingsamt kommen immer neue Verdachtsfälle und Schlampereien ans Licht. "Mich bestärkt eher der Bremer Fall, dass wir diese ganze Asylorganisation in Deutschland verändern müssen", sagte der CSU-Chef nun im ZDF.
Zuletzt war auch die BAMF-Außenstelle im rheinland-pfälzischen Bingen ins Zwielicht geraten. Ein dortiger Asyl-Entscheider hatte bereits im vergangenen Jahr in der Nürnberger Zentrale Alarm geschlagen, weil ihm die stark vom Bundesdurchschnitt abweichenden Schutzquoten der Dienststelle suspekt erschienen. Internen Mails zufolge erhielten in Bingen zwischen Januar und Oktober vergangenen Jahres 97 Prozent der Iraner und 90 Prozent der Afghanen Flüchtlingsschutz oder eine Asylanerkennung. Bundesweit lag die Gesamtschutzquote 2017 für Iraner bei knapp 50 Prozent und für die Antragsteller aus Afghanistan bei 44 Prozent.
In dem ZDF-Interview forderte Seehofer erneut eine Begrenzung der Zuwanderung. Er habe seinen sogenannten Masterplan für die Ankerzentren fertig, die Flüchtlinge und Migranten aufnehmen und prüfen sollen. Der Fall Bremen zeige, wie notwendig die Zentren seien. "Denn wir wollen in den Ankerzentren die Asylverfahren nicht nur schnell, sondern auch sicherer machen." Das könne man aber nur, wenn man alles neu organisiere. Vorstellen werde er das Konzept wahrscheinlich in zwei Wochen. Die Ankerzentren sind sowohl beim Koalitionspartner SPD als auch in einigen Bundesländern umstritten.
Seehofer soll am Dienstag zusammen mit der BAMF-Leiterin Jutta Cordt vor dem Innenausschuss des Bundestages zur Affäre um die BAMF-Stelle Bremen befragt werden. Dort sollen mindestens 1200 fehlerhafte Bescheide erteilt worden seien. Es gibt Vorwürfe nicht nur gegen die zuständigen Beamten, sondern auch gegen Rechtsanwälte, Übersetzer und Ärzte, sie hätten gegen Geldzahlungen Verfahren manipuliert.
Seehofer verwies darauf, dass Cordt damals noch nicht BAMF-Chefin gewesen sei. Er selbst habe von den Vorfällen in Bremen am 19. April erfahren und dann angeordnet, dass in der BAMF-Außenstelle vorerst keine Asylbescheide mehr erteilt werden dürften. "Eine unabhängige Aufklärung steht da an erster Stelle, und zwar ohne Ansehen von Personen, umfassend und auf allen Ebenen", sagte Seehofer. Danach werde falls nötig "aufgeräumt", sagte der CSU-Chef im ZDF. Der Bundesrechnungshof solle die Abläufe prüfen.
BKA und Verfassungsschutz ermitteln
Das Innenministerium bestätigte dem "Spiegel", dass das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz in die Aufklärung einbezogen würden. Sie sollen prüfen, ob auch sogenannte Gefährder von den Entscheidungen profitiert haben könnten.
Angesichts der Missstände forderten verschiedene Politiker Umstrukturierungen und Kontrollmechanismen. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sprach sich dafür aus, "Struktur und Ausstattung" der Behörde zu überprüfen. Es stelle sich die Frage nach der internen Kontrolle. Es sei richtig, dass derzeit auch andere Außenstellen überprüft werden. Der Vertrauensschaden, der durch die Ereignisse in Bremen eingetreten sei, gehe weit über das BAMF hinaus.
Forderung nach Stichproben
Bundesjustizministerin Katarina Barley forderte bundesweite Kontrollen der Asylbescheide. "Ich würde mir wünschen, dass stichprobenartig generell und überall in Deutschland Asylbescheide überprüft werden. Diese Maßnahme könnte helfen, Vertrauen wiederherzustellen", sagte die SPD-Politikerin der "Bild am Sonntag". Auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) forderte neben der Aufarbeitung der Vorgänge in Bremen generell stichprobenartige Überprüfungen der Asylentscheidungen.
Das Innenministerium wies darauf hin, dass Seehofer bereits am 23. Mai angekündigt habe, nach dem Zufallsprinzip zehn Prozent aller Asylentscheidungen vor der Zustellung an die Betroffenen überprüfen zu lassen. Dafür werde die Mitarbeiterzahl in der Qualitätssicherung in der BAMF-Zentrale erheblich verstärkt. Pistorius kritisierte, dass die mit Zeitverträgen in den vergangenen Jahren eingestellten Mitarbeiter nicht übernommen würden, sondern das BAMF nun neue Sachbearbeiter einstelle, die wieder neu angelernt werden müssten.
In der Linkspartei wächst einem Bericht der Funke-Mediengruppe nach die Bereitschaft, einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur BAMF-Affäre zuzustimmen. Über einen solchen diskutieren die Oppositionsparteien AfD und FDP. Beide Parteien verfügen aber nicht über die nötige Zahl von 25 Prozent der Abgeordneten des Bundestages, die für die Einsetzung eines Ausschusses nötig wären. "Es geht offenkundig um organisierte Kriminalität und schwerwiegenden Betrug. Diese Vorgänge müssen schleunigst aufgeklärt werden", sagte Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht.
stu/haz (rtr, dpa, kna)