Innenminister plant verschärftes Asylrecht
17. September 2015"Neugestaltung der Flüchtlingspolitik", heißt der Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium. Und der hat es in sich. Geplant sind demzufolge Änderungen am Asylverfahrensgesetz und am Asylbewerbergesetz. Notwendig seien diese, weil Deutschland "seit Monaten Ziel einer präzedenzlosen Zahl von Asylbewerbern" sei, zitiert das ARD-Magazin "Monitor" aus der Vorlage des Gesetzentwurfs.
Angekündigt hatte der Innenminister die Beschränkungen der Sozialleistungen für Asylbewerber schon längern. Nun macht er offenbar ernst. Der Entwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung und soll noch im Oktober von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden.
Fahrkarte ohne Rückfahrschein
Flüchtlinge, die über andere EU-Staaten eingereist sind, sollen dem Entwurf zufolge keine Ansprüche auf Grundlage des Asylbewerberleistungsgesetzes geltend nehmen können. Für deren Asylverfahren sind aufgrund der Dublin-Verordnung eigentlich die Mitgliedsstaaten zuständig, in denen die Flüchtlinge die EU betreten haben. Sie sollen demnach lediglich eine Reisebeihilfe in Form einer Fahrkarte und Reiseproviant erhalten.
Der Nachrichtenagentur AFP zufolge sieht der Entwurf zudem vor, die Asylanträge nicht schutzbedürftiger Personen zu beschleunigen und dafür auch Albanien, Kosovo und Montenegro als sichere Herkunftsländer einzustufen.
Darüber hinaus soll mit dem Gesetz das Aufenthaltsrecht massiv verschärft werden. Flüchtlinge, die aufgrund von selbst verursachten Abschiebehindernissen nicht ausgewiesen werden können, sollen Arbeitsverbote erhalten und den Anspruch auf Sozialleistungen verlieren. Staatsangehörigen sogenannter sicherer Drittstaaten solle neben der Aufnahme von Arbeit auch die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen verboten werden. Die Höchstdauer für den Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen soll der Vorlage zufolge auf sechs Monate verdoppelt werden. Dort sollen Asylbewerber statt Bargeld in der Regel nur noch Sachleistungen erhalten.
Auch Abschiebungen sollen offenbar in Zukunft erleichtert werden. Sie sollen nicht mehr wie bislang im Vorhinein angekündigt werden, um ein Untertauchen zu erschweren, heißt es in dem Enwurf. Zudem sollen sie maximal drei statt wie bisher sechs Monate ausgesetzt werden können - beispielsweise durch einen Winter-Abschiebestopp.
Neben Verschärfungen verspricht der Entwurf aber auch Erleichterungen für Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben. Dem Entwurf zufolge soll der Impfschutz von Flüchtlingen verbessert werden. Außerdem verspricht das Papier Erleichterungen bei Vereinbarungen mit Krankenkassen zur Gesundheitsversorgung Asylsuchender.
Pro Asyl: "Abschottung und Abschreckung"
Die Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter betonte, der Entwurf verschärfe die
Situation von Asylsuchenden "in unerträglicher Weise" und trage die Handschrift einer längst gescheiterten Abschottungspolitik.
"Mit dem Gesetzesvorhaben der Bundesregierung wird Abschottung, Abschreckung und Obdachlosigkeit zum Programm", kritisierte auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl den Entwurf aus dem Innenministerium. "Das Bundesinnenministerium schickt die Flüchtlinge, die die Bundesregierung zuvor nach Deutschland einreisen ließ, in die Obdachlosigkeit und in die soziale Entrechtung", erklärte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt.
Urteil: Bundesamt darf bei Dublin-Flüchtlingen Abschiebung anordnen
Indirekte Unterstützung bekommt de Maizière von Seiten der Judikative. An der Praxis, Asylsuchende in das Land abzuschieben, in dem sie den EU-Raum zuerst betreten haben, sei unions- und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, entschied hingegen das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Lediglich in Einzelfällen müssten die Ausländerbehörden prüfen, ob auch eine freiwillige Ausreise in Betracht komme.
Dem Urteil lag die Klage eines 22-Jährigen Pakistaners zugrunde, der sich gegen seine Abschiebung nach Italien gewehrt hatte. Aktuell werden die Dublin-Verordnungen angesichts der immensen Flüchtlingszahlen europaweit kaum eingehalten.
Bauernopfer BAMF-Chef?
Der Innenminister ist in der Flüchtlingskrise massiv in die Kritik geraten. Dem engen Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel wird vorgehalten, zu spät die Ausmaße des Flüchtlingsandrangs erkannt und darauf reagiert zu haben.
Dass mit Manfred Schmidt, der Präsident der für die Asylverfahren zuständigen deutschen Bundesbehörde, zurückgetreten ist, wertet die Opposition als "Bauernopfer" für den im Kreuzfeuer stehenden Innenminister. Das Innenministerium hatte erklärt, Schmidt habe aus "persönlichen Gründen" darum gebeten, von seinen Aufgaben als Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entbunden zu werden.
Seine Behörde war zuletzt immer stärker unter Druck geraten, weil sie die hohe Zahl von Asylanträgen nicht schnell genug bewältigen konnte. Der Rückstau nicht bearbeiteter Asylanträge war im Laufe des Jahres auf mehr als 250.000 angewachsen.
Als Dienstherrn Schmidts trifft die Kritik auch den Innenminister. De Maizière denkt aber nicht an Rücktritt. "Nein, ich arbeite", sagte der CDU-Politiker bei einem Besuch der Bundespolizei in Rosenheim auf Fragen von Journalisten. Der Innenminister wiederholte seine Aussage, dass Deutschland in der Flüchtlingskrise "gefordert, aber nicht überfordert" sei. "Deutschland ist sehr gefordert", präzisierte de Maizière.
sp/wl (afp, rtr, tagesschau.de)