Indien und Deutschland wollen enger zusammenrücken
24. April 2006Geschäft und Vergnügen mischen, das machen die Deutschen normalerweise nicht. Doch bei der Hannover Messe vom 24. bis zum 28. April 2006 werden sie wohl keine andere Wahl haben. Denn Indien ist das offizielle Partnerland der diesjährigen Industriemesse. Und neben den üblichen großen Geschäftsabordnungen werden die Marketing-Gurus des südasiatischen Landes dieses Mal eine aufwändige Show veranstalten, um die Gastgeber zu umwerben: Eine Schar von Models wird indische Designerstücke aus Seide präsentieren. Starköche werden die besten indischen Currys auftischen. Eine Tanztruppe soll Indiens momentan optimistische Stimmung widerspiegeln.
"Indien ist dieses Jahr international sehr aktiv in der Vermarktung der Marke 'Indien' und seines Images. Hannover ist eines der Highlights", sagt Nandan Nilekani, Chef des indischen IT-Giganten Infosys, der auch der Kopf einer ähnlichen Charmeoffensive beim Weltwirtschaftsforum in Davos zu Beginn des Jahres war. "Die Menschen müssen das neue Indien kennen lernen."
Unzweifelhaft wird das große Tamtam ein wenig Farbe in die sonst eher farblose deutsche Geschäftsveranstaltung bringen. Dennoch soll es die Aufmerksamkeit nicht von dem wirklichen Schwerpunkt in Hannover ablenken: Wie lassen sich der bestehende Handel und bestehende Geschäftsverbindungen zwischen Neu-Dehli und Berlin ausweiten, die zwar gut funktionieren, aber durchaus noch verbessert werden könnten? Es ist ein bekanntes Thema, das bei jedem indisch-deutschen Geschäftstreffen immer wieder auf den Tisch kommt. Dieses Mal ist eine 300-köpfige Delegation unter der Leitung von Indiens Premierminister Manmohan Singh nach Hannover gekommen.
Bescheidener Erfolg
Es lässt sich nicht bestreiten, dass die bilateralen Verbindungen zwischen Indien und Deutschland schon gute Erfolge gebracht haben. Seit Indien im Jahr 1991 den Weg zur wirtschaftlichen Liberalisierung eingeschlagen hat, hat Deutschland viel Interesse für seine Fortschritte gezeigt, hat Messen und andere Veranstaltungen dazu genutzt, Geschäftsabschlüsse und Investitionen zu tätigen - vor allem in den Bereichen Maschinen und Chemie. Und die Hoffnung besteht, dass Hannover genauso ablaufen wird.
"Wir ermutigen unsere kleinen Unternehmen, die Hannover Messe zu besuchen, so dass sie ihre Technik aufrüsten können", sagte der indische Wirtschafts- und Handelsminister, Kamal Nath, vergangene Woche einer Gruppe von Journalisten in Neu-Dehli. Nath fügte hinzu: "Die Hannover Messe gibt Gelegenheit für ein größeres Engagement zwischen Indien und Deutschland, besonders für die Ausweitung unseres wachsenden Handels." Tatsächlich hat der bilaterale Handel in den letzten Jahren einen stetigen Aufschwung erlebt. Im Jahr 2004 erreichte er ein Rekordhoch von 6,2 Milliarden Euro - eine Steigerung um 22,5 Prozent im Vergleich zum vorherigen Jahr - und hat seinen Aufwärtstrend auch im Jahr 2005 fortgesetzt.
Deutschland hat ebenso in anderen Bereichen der schnell wachsenden indischen Wirtschaft "einen Fuß in die Tür" bekommen. Technikgigant Siemens, IT-Riese SAP, die Deutsche Bank, Mercedes und Logistik-Schwergewicht DHL sind heute in weiten Teilen Indiens bekannte Namen. "Die engen Kontakte zwischen Indien und Deutschland haben Tradition", weiß Bernhard Steinrücke, Chef der indisch-deutschen Handelskammer (IGCC) in Mumbai. Fast jede Woche habe die IGCC mit deutschen Unternehmen zu tun, die eine neue Niederlassung in Indien eröffnen.
Die andere Seite der Medaille
Doch das ist nur ein Teil der Geschichte. Experten weisen darauf hin, dass Deutschland zu langsam war, um in den indischen Markt groß einzusteigen - angesichts einer Wachstumsrate um sieben Prozent, eines boomenden Aktienmarkts und einer auf rund 350 Millionen Menschen geschätzten, wachsenden Mittelklasse in Indien.
Nach Angaben der IGCC verbessert sich der Handel Deutschlands mit Indien. Dennoch sei das jährliche Volumen nach wie vor nur auf dem Niveau des monatlichen Handels mit Luxemburg oder Belgien und mache nur 0,47 Prozent des gesamten deutschen Handelsvolumens aus. Eine Studie der Deutschen Bank zeigt, dass deutsche Direktinvestitionen in Indien zwischen 1985 und 2004 sich auf nur 1,5 Milliarden US-Dollar beliefen, weniger als das Investitionsvolumen Deutschlands in Südkorea und Singapur.
Hoffnung auf deutsche Investitionen im Energiesektor
Montek Singh Ahluwalia, stellvertretender Leiter der indischen Staatsplanungskommission und ein wichtiger Berater des Premierministers Singh, sagte, dass es wichtig sei - neben großen Firmen wie Siemens oder Krupp, die bereits vor Jahrzehnten den Schritt auf den indischen Markt machten - auch mittelständische Unternehmen nach Indien zu locken. "Wir bedauern es, dass wir bisher nicht in der Lage waren, gemeinsame Interessen und Brücken aufzubauen, wie wir es hätten tun sollen", sagte Ahluwalia kürzlich im Gespräch mit Journalisten. "Ich hoffe, dass wir nach dem Besuch des Ministers in Hannover mehr erreichen werden."
Gleichzeitig hofft Indien einige der oft zitierten Gründe für das zögerliche Interesse deutscher Firmen an Investitionen in Indien - schlechte Infrastruktur, überzogene Bürokratie und Energieknappheit - beseitigen zu können, indem es die Trommel für deutsche Investitionen in eben diesen Problemfeldern rührt: Infrastruktur und Energie. Dabei wird letzteres eines der Schwerpunktthemen in Hannover sein, während Indien bemüht ist, eine Deregulierung der Energieerzeugung und -distribution zu erreichen, um den wachsenden Bedarf zu decken.
Indische Investitionen in Deutschland?
Letztendlich wird auf der Hannover Messe nicht nur die Frage gestellt werden: Was können die Deutschen für Indien tun? Sondern auch andersherum. Eine wachsende Zahl indischer Firmen - unter anderem der Automobilkomponenten-Hersteller Bharat Forge, der Großkonzern Reliance und das Pharma-Unternehmen Dr. Reddy's - haben in den vergangenen Jahren begonnen, Betriebe in Deutschland aufzukaufen, und haben ein Auge auf weitere Käufe geworfen. "Indische Firmen lassen auf dem Weltmarkt mehr und mehr die Muskeln spielen", sagt Steinrücke. "Hoffentlich werden sie nach der Hannover Messe mehr in Deutschland investieren."