Hohe Haftstrafe wegen Geheimnisverrats
22. Januar 2019Fünf Jahre und zehn Monate Haft: So lautet das Urteil eines Istanbuler Gerichts gegen die türkische Kolumnistin Nazli Ilicak. Das Gericht habe sie der "Enthüllung von geheimzuhaltenden Informationen, die die Staatssicherheit betreffen", für schuldig befunden, meldet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.
Seit mehr als zwei Jahren sitzt die türkische Journalistin in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, in einem Artikel Informationen aus einem geheimen Dokument des Generalstabs veröffentlicht zu haben. Ihr Anwalt widersprach diesem Vorwurf und sagte, seine Mandantin habe nur über bereits bekannte Informationen berichtet.
Vorwurf des Landesverrats
Im Februar 2018 wurde Ilicak bereits zu lebenslanger Haft wegen Verbindungen zur islamischen Gülen-Bewegung und versuchten Umsturzes zu lebenslanger Haft verurteilt. Der regierungskritische Journalist Ahmet Altan und sein Bruder, der Ökonomieprofessor und Autor Mehmet Altan, erhielten in diesem Verfahren ebenfalls eine lebenslange Haftstrafe. Noch sind die Urteile jedoch nicht rechtskräftig. Die insgesamt sechs angeklagten Journalisten dementierten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft. Die türkische Führung macht die Bewegung um den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich. Gülen bestreitet das.
Die ehemalige Abgeordnete der Fazilet Partisi wurde im vergangen Jahr außerdem wegen Präsidentenbeleidigung zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt – ein Tatbestand, der in der Türkei mit bis zu vier Jahren Haft geahndet werden kann.
Sorge um Pressefreiheit
Erst vergangene Woche hat die Türkei die niederländische Journalistin Ans Boersma aufgrund von Informationen aus den Niederlanden zu einem laufenden Anti-Terror-Verfahren ausgewiesen. Die niederländische Staatsanwaltschaft bestätigte, dass Informationen zu Boersma an die Türkei übermittelt worden seien, sie jedoch nicht unter Terrorverdacht steht. Boersma vermutet, das der Grund ihrer Festnahme und die anschließende Ausweisung in Zusammenhang mit ihrer ehemaligen Beziehung zu einem Syrer stehen.
Weltweit führen diese Fälle zur Besorgnis bezüglich der Pressefreiheit und der Unabhängigkeit der türkischen Judikative unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Seit dem Putschversuch von 2016 wurden mehr als 77.000 Personen festgenommen, mehr als 150.000 Menschen verloren ihre Arbeit. Menschenrechtsgruppen und westliche Verbündete äußern sich alarmiert über das harte Durchgreifen. Sie sagen, Erdoğan nutze den Putschversuch als Vorwand zur Unterdrückung von Meinungsverschiedenheiten bezüglich seiner Politik. Die Regierung weist alle Vorwürfe von sich. Sie sagt, dass es sich hierbei um notwendige Maßnahmen handle, um die Sicherheit im Land gewährleisten zu können.
Die Türkei steht auf der Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 157 von 180 und gilt als eines der unsichersten Länder für Journalisten. In den vergangen Jahren wurden immer wieder europäische Journalisten unter Terrorverdacht gestellt und festgenommen oder des Landes verwiesen. Einer der bekanntesten Fälle aus Deutschland ist die Festnahme des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel im Februar 2017. Er befand sich für ein Jahr in türkischer Haft.
fa/kle (rtre, afp, dpa)