Journalistin aus Türkei ausgewiesen
17. Januar 2019Die türkische Regierung hat eine niederländische Journalistin abgeschoben. Die Gründe dafür waren zunächst unklar. Laut des türkischen Präsidentenberaters Fahrettin Altun sollen die Behörden in der Türkei Informationen von der niederländischen Polizei erhalten haben, dass Ans Boersma Verbindungen zu einer Terrororganisation haben soll. Demnach habe ihre Abschiebung nichts mit "ihren journalistischen Aktivitäten" zu tun.
Die niederländische Justiz bestätigte, dass die Journalistin in einem Ermittlungsverfahren wegen Terrorismusverdachts auftauche, betonte aber auch, dass sie selbst nicht eines terroristischen Verbrechens verdächtigt werde. "In einem laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wurden kürzlich den türkischen Behörden Fragen gestellt“, hieß es in der Stellungnahme. Zudem seien Informationen geteilt worden. Einen Antrag auf Festnahme, Ausweisung oder Auslieferung habe es jedoch nicht gegeben.
Ans Boersma arbeitet als freie Journalistin vor allem für das niederländische Wirtschaftsblatt "Het Financieele Dagblad" in Amsterdam. Erst vor wenigen Tagen hatte die 31-Jährige ihre Akkreditierung und damit ihre Arbeitserlaubnis für 2019 als Journalistin in der Türkei erhalten. Mit dieser Akkreditierung müssen ausländische Journalisten anschließend ihre Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Bei diesem Behördengang in Istanbul wurde Boersma am Mittwochnachmittag verhaftet.
Laut dem Türkei-Korrespondenten von Reporter ohne Grenzen (ROG), Erol Önderoglu, teilte die Polizei Boersma mit, sie stelle ein "Risiko für die nationale Sicherheit der Türkei dar". Önderoglu forderte gegenüber der DW, dass der Fall transparent von den Behörden behandelt werden soll. "Wenn eine ausländische Journalistin als nationale Sicherheitsbedrohung angesehen wird, muss sie zuerst informiert und gewarnt werden", so Önderoglu. "Kein Journalist sollte neun Tage nachdem er seinen Presseausweis bekommen hat, ausgewiesen werden." Vor allem, wenn die Kommunikationsabteilung des Präsidenten die Akkreditierung ausgibt.
Botschaft konnte nichts ausrichten
Nach Angaben der niederländischen Wirtschaftszeitung durfte Boersma nicht mehr in ihre Wohnung und musste die Nacht in Abschiebehaft verbringen. Das niederländische Generalkonsulat und auch die Botschaft waren eingeschaltet worden, konnten aber nichts ausrichten.
Am Donnerstagmorgen wurde Boersma zum Istanbuler Atatürk-Flughafen gebracht, von wo sie zurück nach Amsterdam fliegen musste. "Und dann ist man auf einmal im Flugzeug zurück in die Niederlande", twitterte die Journalistin kurz vor ihrem Abflug. Sie sei zur "unerwünschten Person" erklärt worden. Laut ROG-Korrespondent Önderoglu habe Boersma selbst keine offizielle Erklärung für ihre Ausweisung oder ein Ausreisedokument erhalten.
Chefredakteur Jan Bonjer sprach von einer "eklatanten Verletzung der Pressefreiheit". Die Zeitung will rechtlich gegen die Ausweisung vorgehen. Der niederländische Politiker Sjoerd Wiemer Sjoerdsma von den Demokraten erklärte, die Ausweisung sei völlig "inakzeptabel". Auch Journalistenverbände kritisierten die Maßnahme scharf. Sie zeigten sich angesichts der schwierigen Lage für Journalisten in der Türkei zudem irritiert über das Verhalten der niederländischen Behörden.
Boersma arbeitete schon mehrere Jahre in der Türkei. Viele internationale Korrespondenten sind angesichts der ohnehin schwierigen Lage für Pressevertreter in der Türkei nun noch mehr verunsichert. Einigen steht selbst noch die Verlängerung der Akkreditierung und der Aufenthaltsgenehmigung bevor. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht die Türkei auf Platz 157 von 180. Laut ROG und anderen Medienrechtsgruppen gehört das Land zu denen mit den meisten inhaftierten Journalisten weltweit.
Türkei/Niederlande: schwieriges Verhältnis
Seit dem Putschversuch im Jahr 2016 hatte die türkische Regierung viele Journalisten festnehmen und Medien schließen lassen. Der "Welt"-Reporter Deniz Yücel saß ein Jahr ohne Anklageschrift in einem türkischen Gefängnis, bevor er nach Deutschland ausreisen durfte. Der Fall hatte zusammen mit einigen anderen eine schwere Krise zwischen Berlin und Ankara ausgelöst.
Auch das Verhältnis der Türkei und der Niederlande ist angespannt. Vor rund einem Jahr zog die Regierung in Den Haag ihren Botschafter aus Ankara zurück. Ihm war die Einreise in die Türkei schon seit März 2017 verweigert worden. Erst im vergangenen Juli nahmen beide Länder wieder gegenseitige diplomatische Beziehungen auf.