Hohe Erwartungen an den Neuen
12. Februar 2017Schon bevor die Wahl des neuen Bundespräsidenten begann, schwirrte die Luft im Reichstagsgebäude vor Lob und Anerkennung für Frank-Walter Steinmeier: Er habe viel Erfahrung, sei besonnen und könne zuhören. Als langjähriger Außenminister kenne er die Welt, und die Welt kenne ihn. Sein Buch über seine Zeit als Außenminister, von Steinmeier persönlich signiert, findet reißenden Absatz.
"Er ist der richtige Mann zur richtigen Zeit", betonten viele Wahlleute in der Bundesversammlung. "Frank-Walter Steinmeier wird ein guter Bundespräsident sein." Aber auch einer, auf dem in unruhigen Zeiten hohe Erwartungen ruhen. Gerade heute müsse ein Bundespräsident viel mehr sein als ein netter Grüßonkel, erklärte eine Wahlfrau der Grünen. Er müsse das Land zusammenhalten und den Menschen Zuversicht geben.
Die SPD im Stimmungshoch
Dass Steinmeier für seine eigenen Parteigenossen der Kandidat der Herzen war, hat niemanden überrascht. Die Wahlleute der SPD, ohnehin beflügelt von den steigenden Umfragewerten für ihre Partei, bildeten in der Bundesversammlung einen glücklich strahlenden Fanclub. Zuletzt war mit Johannes Rau 1999 ein Sozialdemokrat ins höchste Staatsamt gewählt worden.
Aber auch die Wahlleute von CDU und CSU versammelten sich am Ende mehrheitlich hinter Steinmeier, dem Konsens-Kandidaten der großen Koalition. Nachdem die Unionsparteien keinen eigenen Kandidaten aufbieten konnten, hatten die Parteispitzen von CDU und CSU an ihre Wahlleute appelliert, Steinmeier zu unterstützen. "Ich bin überzeugt, er wird ein hervorragender Bundespräsident sein", warb Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Und so war auch aus den Reihen der Union vielfach zu hören, dass Steinmeier eine gute Wahl sei.
Die Unterstützung für Steinmeier ging aber noch weiter: Auch Grüne und die FDP sahen in ihm mehrheitlich den besten der insgesamt fünf Kandidaten. Mit der Personalie nicht einverstanden war neben der AfD auch die Linkspartei, die Steinmeier sein Mitwirken an den Sozialreformen der Agenda 2010 verübelt hat.
Standing Ovations für Joachim Gauck
Bevor die Wahlleute ihre Stimmen abgaben, hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert seinen großen Auftritt. Um Punkt 12 Uhr eröffnete er die Bundesversammlung im Plenarsaal des Bundestages, der eigens dafür umgebaut worden war. Mit 1260 Wahlleuten, darunter einige Prominente, war es die drittgrößte Bundesversammlung in der Geschichte der Bundesrepublik.
Mit seiner teils launigen, teils mahnenden Rede zog Lammert die Versammlung in seinen Bann. In bewegenden Worten würdigte er den jetzigen Bundespräsidenten Joachim Gauck, der nach fünf Jahren im Amt aus Altersgründen nicht noch einmal antrat.
Noch bevor Lammert seine Dankesworte zu Ende gesprochen hatte, standen die Wahlleute auf, drehten sich zur Besuchertribüne um, auf der Gauck zusammen mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt Platz genommen hatte, und spendeten lange und begeistert Beifall. Ähnlich viel Applaus erntete Lammert, als er US-Präsident Donald Trump vor einer Politik der Abschottung warnte. "Wer zum Programm erklärt, "wir zuerst!" darf sich nicht wundern, wenn es ihm andere gleichtun."
Entscheidung im ersten Wahlgang
Nach seiner Ansprache bat Lammert die Wahlleute in einen Nebenraum, wo sie in geheimer Wahl ihre Stimme abgaben. Bereits der erste Wahlgang brachte ein klares Ergebnis: Steinmeier erhielt 931 der 1239 abgegebenen gültigen Stimmen. Immerhin 103 Wahlleute enthielten sich. Von den vier anderen Kandidaten bekam der von der Linkspartei nominierte Armutsforscher Christoph Butterwegge mit 128 die meisten Stimmen.
Noch bevor Steinmeier die Wahl angenommen hatte, regnete es Glückwünsche und Blumen. Mitte März wird Steinmeier, der verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter ist, sein Amt antreten und ins Schloss Bellevue umziehen. In der Dankesrede nach seiner Wahl kündigte er an, die Demokratie zu verteidigen. Wenn das Fundament der Demokratie anderswo wackele, "dann müssen wir umso fester zu diesem Fundament stehen", rief er. Deutschland sei in stürmischen Zeiten für viele Menschen in der Welt zu einem "Anker der Hoffnung" geworden, sagte er, "Und wenn wir anderen Mut machen wollen, dann brauchen wir selber welchen."
Glückwünsche aus aller Welt
Nach seiner Wahl erreichten den ehemaligen Außenminister auch zahlreiche internationale Grußbotschaften. EU-Ratspräsident Donald Tusk betonte in seinem Glückwunschschreiben, Steinmeiers Ernennung erfolge zu einem "kritischen Zeitpunkt für Europa" und wies auf zahlreiche "externe und interne Herausforderungen" hin, für die die europäische Einheit "wichtiger denn je" sei.
Russlands Präsident Wladimir Putin äußerte die Hoffnung auf eine "produktive Zusammenarbeit" und lud Steinmeier zu einem Besuch ein, "wann immer es passt".
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko twitterte: "Ich rechne mit der Fortsetzung einer freundschaftlichen und fruchtbaren Zusammenarbeit für das Blühen des vereinten Europas." Auch Ministerpräsident Wladimir Groisman und Außenminister Pawel Klimkin gratulierten.
Der erst seit zwei Wochen im Amt befindliche österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen wertete die "hohe Zustimmung der Bundesversammlung" als "Zeichen des großen Vertrauens" und ergänzte, dass er sich auf eine enge Zusammenarbeit der beiden "in enger Freundschaft" verbundenen Länder freue.
Glückwünsche kamen auch vom britischen Außenminister Boris Johnson, seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault und dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda.
Steinmeier selbst sagte, er werde die kommenden sieben Wochen bis zu seinem offiziellen Amtsantritt nutzen, um "etwas runterzukommen" und sich "wieder mehr mit Deutschland" zu beschäftigen.