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Politik

Gauck geht, Steinmeier kommt

Richard A. Fuchs
19. März 2017

Wechsel im Schloss Bellevue: Der neue Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier übernimmt an diesem Sonntag das höchste Amt im Staate. Ein Porträt.

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Joachim Gauck und Frank-Walter Steinmeier
Rollenwechsel: Joachim Gauck verlässt Schloss Bellevue - Frank-Walter Steinmeier zieht ein Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Offiziell ist Frank-Walter Steinmeier schon seit Mitternacht (Ortszeit) der 12. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, denn die Amtszeit seines Vorgängers Joachim Gauck endete mit Ablauf des 18. März. Die symbolische Amtsübergabe ist allerdings erst für Sonntagmittag geplant: Dann wird Gauck zusammen mit seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt seinen Nachfolger und die neue First Lady Elke Büdenbender im Berliner Schloss Bellevue begrüßen.

Beliebt und pragmatisch

Steinmeier ist bereits seit vielen Jahren eine feste Größe in der deutschen Bundespolitik, bis vor wenigen Wochen war er Außenminister der großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Für die Mehrheit der Bürger war er das Gesicht der deutschen Diplomatie. Dabei war sein Job als sozialdemokratischer Außenminister nur die letzte einer Reihe von Positionen, die der 61-Jährige in seiner knapp 20-jährigen Politkarriere innehatte. Kanzleramtsminister, Fraktionsvorsitzender, Außenminister und Kanzlerkandidat: Wenn Steinmeier jetzt Bundespräsident Gauck ablöst, betritt jedenfalls kein Unbekannter die Bühne. 

Im Gegenteil: Steinmeier bringt - nach Überzeugung vieler - das mit, was er im Amt des Bundespräsidenten gut brauchen kann. Er genießt parteiübergreifend hohes Ansehen, ist diplomatisch erfahren, international geschätzt und vielfach krisenerprobt. Auch Umfrageergebnisse spiegeln dieses hohe Ansehen wieder. Steinmeier rangiert seit Jahren ganz vorne unter Deutschlands beliebtesten Politikern. 

Frank-Walter Steinmeier als Außenminister
Auch in den vergangenen Jahren viel unterwegs: Steinmeier als deutscher AußenministerBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Dass der Sohn eines Tischlers aus Nordrhein-Westfalen am höchsten Amt im Staat Interesse haben könnte, das unterstellten viele Beobachter Steinmeier seit langem. Schließlich hatte sich der Ex-Außenminister auf seinen vielen Reisen mit annähernd 400.000 Flugkilometern pro Jahr immer wieder geradezu präsidial gegeben. Und er war auf Ausgleich bedacht. Besonders im Ukraine-Konflikt erwarb er sich durch seine Pendeldiplomatie zwischen Kiew und Moskau hohes Ansehen. Steinmeier half damals, den Konflikt zu entschärfen - was auch auf seine bedachte Wortwahl zurückgeführt wurde. Umso markiger das, wodurch Steinmeier mit Blick auf den neuen US-Präsidenten Schlagzeilen machte. Er nannte den Wahlkämpfer Donald Trump einen "Hassprediger". Später sprach er davon, dass Trumps Präsidentschaft "das Ende der alten Weltordnung" markiert. Das wollte so gar nicht zu dem Diplomaten passen, dem mancher Beobachter auch einen Hang zum biederen Bürokraten-Dasein nachsagt. 

Aufstieg an Schröders Seite  

Steinmeiers Karriere begann an der Seite des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD). Steinmeier führte Schröders Staatskanzlei, als der noch niedersächsischer Ministerpräsident war. Nachdem die SPD 1998 den Regierungsauftrag in Berlin errang, wechselte Steinmeier als Staatssekretär und später Kanzleramtsminister ins politische Machzentrum. 2005 wurde er Außenminister der ersten großen Koalition unter Kanzlerin Merkel. Steinmeier war Vizekanzler - und für die Wahl 2009 auch Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten. Die SPD verlor die Wahl, was viele damals auch Steinmeiers fehlender Bürgernähe ankreideten. Steinmeier galt und gilt nicht als hemdsärmeliger Typ.

Frank-Walter Steinmeier und Gerhard Schröder
Förderte Frank-Walter Steinmeiers Karriere: Gerhard Schröder (2002)Bild: picture-alliance/dpa/A. Altwein

Doch der "Mensch Steinmeier" rückte im Jahr 2010 in den Fokus der Öffentlichkeit. Steinmeier nahm damals als SPD-Fraktionsvorsitzender eine politische Auszeit, um seiner schwer erkrankten Frau eine Niere zu spenden. Das brachte ihm, ungeachtet der gewichtigen persönlichen Beweggründe, viel Respekt und Anerkennung in der Bevölkerung.

2013 kehrte Steinmeier nach der Bundestagswahl und der Neuauflage der großen Koalition aus Union und SPD ins Außenministerium zurück. Neben Hans-Dietrich Genscher (FDP) gehört er damit zu den prägendsten Köpfen der deutschen Außenpolitik der vergangenen Jahrzehnte.

"Entscheidung aus Vernunft"

Nachdem Gauck mit Verweis auf sein Alter im Sommer 2016 angekündigt hatte, nicht für eine zweite Amtszeit als Bundespräsident zur Verfügung zu stehen, begann die Suche nach geeigneten Kandidaten und Kandidatinnen für dessen Nachfolge. CDU-Chefin Merkel, der bisherige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer konnten bei mehreren Treffen aber keine Einigung in der "Präsidentenfrage" erzielen. Im Oktober preschte Gabriel dann öffentlich mit seinem Vorschlag Steinmeier vor. CDU und CSU reagierten zunächst verärgert. Da es Merkel und Seehofer aber nicht gelang, eine aussichtsreiche Alternative zu präsentieren, lenkten sie schließlich ein - und machten Steinmeier zum gemeinsamen Kandidaten der großen Koalition. Am 12. Februar 2017 schließlich wurde Steinmeier von der Bundesversammlung mit deutlicher Mehrheit zum künftigen Bundespräsidenten gewählt.

Steinmeier, so scheint die Botschaft seiner Wahl, soll als Stabilitätsanker gegen Unordnung und Instabilität wirken. Eine Botschaft, die auch von der Kanzlerin höchstpersönlich ausgesandt wurde. Merkel nannte die Entscheidung für Steinmeier eine "Entscheidung aus Vernunft". Eine Mehrheit der Deutschen dürfte diese Vernunftentscheidung mittragen können.