Weitsichtige Mediensatire "Schtonk!"
3. März 2016"Er ist wieder da" heißt der Film von Regisseur David Wnendt, der im vergangenen Jahr nach der überaus erfolgreichen Romanvorlage von Tim Vermur in die Kinos kam. Auch die Filmadaption entpuppte sich als Publikumsmagnet in Deutschland, zog bisher über eine Million Zuschauer in die Kinos.
Buch und Film beschäftigen sich - mit unterschiedlicher Akzentsetzung - unter anderem mit dem Medien-Hype um die Figur Adolf Hitler sowie mit der bei vielen nicht nachlassenden Faszination für NS-Devotionalien. Das war vor einem knappen Vierteljahrhundert auch Thema des Films "Schtonk!" von Regisseur Helmut Dietl.
Eine Geschichte, der man keinen Glauben schenken würde...
Beim Wiedersehen des Films (der nun digital aufgepeppt erstmals als Blu-ray vorliegt) überrascht, wie sehr sich beide Filme in vielerlei Hinsicht ähneln. Auch in "Schtonk!" geht es um die sich allen vernünftigen Überlegungen zum Trotz bahnbrechende Faszination vieler Menschen für Hitler und die Spitzen des NS-Staates.
Würde "Schtonk!" nicht auf tatsächlichen Ereignissen beruhen, man würde der im Film erzählten Geschichte heute vermutlich keinen Glauben schenken. Zu abwegig erscheint das damals Vorgefallene, zu phantastisch die Charaktere, zu wahnwitzig deren Motivation. Doch der Film "Schtonk!", wie auch die realen Begebenheiten um die gefälschten Hitler-Tagebücher, sind ein Stück bundesrepublikanische Zeitgeschichte.
Die von dem Fälscher Konrad Kujau Ende der 1970er Jahre in Umlauf gebrachten angeblichen Aufzeichnungen Adolf Hitlers sowie deren Veröffentlichung durch die Illustrierte "Stern" im Jahre 1983 rauben dem Zuschauer noch heute den Atem - angesichts der unfassbar dreisten Vorgehensweise des Fälschers, vor allem aber auch wegen der Leichtgläubigkeit weiter Teile der Presse und der Öffentlichkeit.
Der "Stern" zahlte damals fast 10 Millionen Mark für eine Fälschung
Die von Kujau an den "Stern"-Reporter und NS-Devotionaliensammler Gerd Heidemann weitergereichten Tagebücher, der sie für 9,3 Millionen DM dem Verlag Gruner & Jahr verkaufte, ist aus heutiger Sicht eine Medienposse ohnegleichen.
Helmut Dietl war damals der richtige Regisseur für diesen Stoff. Sein Film ist eine über weite Strecken auch heute noch sehr lustige und vor allem bissige Satire auf die Medienlandschaft und den zweifelhaften Umgang der Öffentlichkeit mit dem Thema Nationalsozialismus und Adolf Hitler im speziellen. Mag sein, dass ein derartiger, aus heutiger Sicht amateurhafter Coup, nicht noch einmal gelingen würde. Nach den Erfahrungen von 1982 wären die Medien heute (vermutlich) vorsichtiger.
Was an "Schtonk!" heute noch aktuell ist...
Doch die gesellschaftlichen und psychologischen Mechanismen, die hinter der Geschichte stecken, haben sich wohl nicht grundsätzlich verändert. Dietl karikiert in seinem Film gekonnt die Faszination einzelner Personen für die Zeit des Nationalsozialismus. Götz George als Skandalreporter und Devotionaliensammler Hermann Willié (alias Gerd Heidemann) steht in "Schtonk!" für einen Skandal- und Boulevardjournalismus, der unter veränderten Vorzeichnen nach wie vor blüht. Seriosität, journalistische Sorgfalt und das Verhältnis zur Wahrheit sind - im heutigen Internetzeitalter zumal - bedrohter denn je.
In "Schtonk!" werden Journalisten, Ressort- und Verlagsleiter inklusive Chefredaktion, später auch das Publikum, hinweggerissen von der Lust an der Sensation. Das tatsächliche Interesse an (NS-)Historie wird überlagert von der Gier nach Sensation und kritikloser Faszination für braune NS-Geschichte.
Hat sich 33 Jahre nach den damaligen Ereignissen wirklich etwas grundsätzlich verändert in Deutschland? Man muss sich nur einmal die Auslagen in den Zeitschriftenläden anschauen, unzähligen "NS-Storys", Titelbilder mit Hitler, Göring und Co. werden feilgeboten. Im Bereich Fiktion sind Fernsehfilme à la "Speer und Er" nach wie vor en vogue und feiern unter dem Stichwort Event-Fernsehen Erfolge.
Quoten und Klicks: das Thema Hitler
Zahlreiche Sendungen zum Thema in diversen Fernsehkanälen dürften wohl kaum alle nur der sachlichen Aufklärung dienen. Das "Geschichtsfernsehen" à la Guido Knopp ("Hitlers Helfer", "-Krieger", "-Kinder", "-Frauen") entstanden alle erst nach dem Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher. Mit NS-Inhalten, am liebsten zugespitzt auf den Führungskader der NS-Spitze, lässt sich nach wie vor Quote machen.
So ist Helmut Dietls Filmsatire aus dem Jahre 1992 nicht nur die Verfilmung eines realen Ereignisses, das sich wiederum ein Jahrzehnt zuvor abgespielt hat. Sie wirkt heute - bei abermaligen Sehen - auch wie ein Fernrohr in die Zukunft. Bücher und Filme wie "Er ist wieder da" haben Thema und Stoff variiert und wieder aufgegriffen. "Hitler zu verkaufen" hieß eine fünfteilige britische Fernsehserie, die 1991 die Ereignisse um die gefälschten Tagebücher aufgriff. Hitler zu verkaufen - das wäre auch ein passender Titel gewesen für "Schtonk!".
Helmut Dietl: Schtonk!, mit Götz George, Uwe Ochsenknecht, Christiane Hörbinger, Harald Juhnke, Veronica Ferres, Ulrich Mühe, Rolf Hoppe u.a., Deutschland 1991/92, 107 Minuten, als Blu-ray bei EuroVideo erschienen.