Herausforderung Anti-Terror-Kampf
21. Januar 2015Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls gibt sich als Vorreiter im Anti-Terror-Kampf und will zunächst finanziell und personell aufrüsten. Trotz der Geldnot des Staates will er in den nächsten drei Jahren über 400 Millionen Euro für Polizei und Geheimdienste ausgeben. Valls will neue Computersysteme kaufen, neue Fahrzeuge, Waffen und Schutzwesten für die Polizei. Darüber hinaus sollen rund 2700 neue Stellen im Sicherheitsapparat entstehen, was die Gesamtkosten auf über 700 Millionen Euro treibt.
Umfassende Gesetzesverschärfungen
Darüber hinaus bringt Paris jetzt eine Reihe von Gesetzesverschärfungen und Maßnahmen auf den Weg, die teilweise auch auf EU-Ebene diskutiert werden: Gerichtsbekannte Extremisten sollen in einem zentralen Register geführt und dazu verpflichtet werden, die Polizei über ihren Wohnort und ihre Reiseabsichten zu unterrichten. Die Überwachung radikaler Islamisten in den Gefängnissen soll verstärkt und sie sollen von anderen Häftlingen getrennt werden. Die Radikalisierung junger Gefangener während der Haft wird als eine der Hauptquellen für individuelle Terrorakte betrachtet: Zwei der Attentäter von Paris hatten sich im Gefängnis kennengelernt. Ein neues Geheimdienstgesetz soll die Befugnisse der Behörden bei der Überwachung von Verdächtigen erweitern.
Schon im November hatte auch Frankreich ein Ausreiseverbot gegen gewaltbereite Islamisten verhängt, die sich Milizen des sogenannten "Islamischen Staates" in Syrien oder Irak anschließen wollen. Damit verbunden ist ein Einreiseverbot für EU-Bürger, die in diesem Zusammenhang als Bedrohung angesehen werden. Außerdem prescht Frankreich mit einem System zur Überwachung von Fluggastbewegungen vor: Es soll schon im September einsatzbereit sein, während es auf EU-Ebene bislang das Parlament blockiert. Und schließlich will die Regierung in Paris mehr Mittel zur Überwachung des Internet bereitstellen, um dschihadistische Propaganda und die Anwerbung neuer Kämpfer zu unterbinden.
Europäische Internetkontrolle
An diesem Punkt will auch der Anti-Terror-Beauftragte der EU-Staaten, Gilles de Kerchove, ansetzen: Eine Art Überwachungsstelle gegen illegale Inhalte im Netz könne zum Beispiel bei der internationalen Polizeibehörde Interpol angesiedelt werden. Die dortigen Kontrolleure müssten den sozialen Netzwerken melden, wenn auf den Plattformen Terroristen angeworben oder zu Anschlägen aufgefordert wird - die Social-Media-Betreiber sollten diese Seiten dann entfernen. Ein ähnliches Modell funktioniere bereits in Großbritannien.
Auf Widerspruch aus dem Europaparlament stieß bereits eine weitere Idee von Kerchove: Bei Systemen zur Verschlüsselung von Nachrichten im Internet will er eine Art Hintertür einbauen, um den Regierungen den Zugang zu ermöglichen. Seine Vorschläge werden die europäischen Innenminister in der nächsten Woche bei ihrem Treffen in Riga diskutieren.
Die EU-Kommission in Brüssel erklärte sich am Mittwoch bereit, den Staaten so weit wie möglich im Kampf gegen den Terrorismus zu helfen. Die Zuständigkeit dafür liege allerdings weitgehend in den Mitgliedsländern, sagte Vizepräsident Frans Timmermans, und er wolle auch keine Debatte über die Zentralisierung von Befugnissen. Einige Vorschläge aber könne er fördern - er könne zum Beispiel mit dem Europaparlament erneut über die Sammlung von Fluggastdaten verhandeln. Die Gesetzesvorlage scheiterte zuletzt 2011 an Datenschutzbedenken im Parlament. Timmermanns fügte hinzu, er könne nicht verstehen, wieso die Europäer den USA Daten herausgäben, die sie untereinander nicht austauschen wollten. Inzwischen ist es Wille etlicher EU-Länder, dieses Gesetzgebungsverfahren voranzubringen. Sie erhoffen sich davon, einreisende Dschihadisten an den EU-Außengrenzen zu identifizieren.
Antisemitismus bekämpfen
Neben der technischen Seite der Terrorbekämpfung gibt es ein akutes politisches Problem in Europa, wie der Vizepräsident der Kommission hervorhob: Man müsse der wachsenden Verunsicherung der jüdischen Gemeinschaft nach den jüngsten antisemitischen Anschlägen und Drohungen entgegenwirken. In einigen Mitgliedsstaaten, sagte Timmermans, sei die Mehrheit der Juden nicht sicher, ob sie eine Zukunft in Europa habe. Neben der jüdischen Gemeinde in Frankreich machen sich laut jüngeren Umfragen auch Juden in Schweden und Großbritannien Sorgen um ihre Zukunft. "Das ist eine riesige Herausforderung, weil damit ein Grundwert Europas infrage gestellt wird." Denn Europa stehe für Toleranz und Respekt und dafür, dass jede Bevölkerungsgruppe dort einen Platz habe, egal ob Jude, Muslim, Christ oder Atheist. Er wolle Mittel wie etwa den EU-Sozialfonds aktivieren, um mit Bildung und anderen Instrumenten dafür zu arbeiten, "dass wir nicht einen Teil unserer Bevölkerung an Extremismus, Fanatismus oder Ausgrenzung verlieren".