1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Haushalts-Drama auf dem EU-Gipfel

Bernd Riegert28. Juni 2013

Stundenlang gab es beim EU-Gipfel Irritationen: Blockiert Großbritannien den Kompromiss zu den künftigen EU-Finanzen? Mitten in der Nacht wird der Streit aber dann doch noch gelöst. Die Bundeskanzlerin ist zufrieden.

https://p.dw.com/p/18xgQ
Eine Reihe von gerollten Euro-Geldscheinen (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/ Tatjana Balzer

"Das ist ein wichtiger Schritt für die Planbarkeit unserer Ausgaben, für die Möglichkeit für Wachstum und Beschäftigung wirklich etwas zu tun", sagte Kanzlerin Angela Merkel in Brüssel nach mehr als achtstündigen Diskussionen im Kreise der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy stellte in der Nacht zum Freitag (28.06.2013) klar: "Beim Thema EU-Haushalt gibt es völlige Zustimmung im Europäischen Rat."

Das war bei dem Gipfel zumindest vorübergehend nicht der Fall. Zuletzt hatte der britische Premier David Cameron Bedenken geltend gemacht. Er wollte unter allen Umständen verhindern, dass sein Land einen größeren Beitrag an die EU überweisen muss.

David Cameron (Foto: Reuters)
Brachte die Gipfelregie durcheinander: David CameronBild: Reuters

Einen Ausweg aus dem Budgetstreit fanden die Gipfelteilnehmer laut Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker in Form eines neuen Zugeständnisses an London. Hintergrund: Großbritannien erhält seit 1984 einen Abschlag auf seine EU-Zahlungen, weil es vergleichsweise wenig von den Agrartöpfen der Union profitiert. Zuletzt belief sich dieser "Briten-Rabatt" auf 3,6 Milliarden Euro jährlich. Beschlossen wurde nun, dass die Briten sogar 200 Millionen Euro mehr Rabatt als bisher bekommen sollen, wie Juncker erläuterte.

Einigung in der letzten Minute

Vor einer Woche stand die mittelfristige Finanzplanung schon einmal auf der Kippe. Da ließ das Europäische Parlament die langwierigen Haushaltsverhandlungen für die Jahre 2014 bis 2020 platzen. Nach zähem Ringen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und dem Parlament wurde dann Donnerstagmorgen ein Kompromiss gefunden. Bis 2020 will die EU demnach mindestens 908 Milliarden Euro ausgeben, höchstens um die 960 Milliarden. Größter Nettozahler ist in absoluten Zahlen Deutschland mit rund neun Milliarden Euro jährlich, größter Empfänger ist Polen, das elf Milliarden netto aus der Brüssler Gemeinschaftskasse bekommt.

Die EU-Mitgliedsstaaten waren dem Parlament in tagelangen Verhandlungen noch entgegengekommen. Das war auch allerhöchste Zeit, denn ohne eine mittelfristige Finanzplanung hätten die Staats- und Regierungschefs der EU praktisch im luftleeren Raum über die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beraten. "Der Pakt für Wachstum kann nicht ohne einen Fonds für Wachstum, also ohne Geld, funktionieren", sagte EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso. "Unser Wachstumsfonds ist der europäische Haushalt mit seinen Strukturmitteln. Ohne Haushalt hätten wir unsere Verpflichtungen in Sachen Wachstum nicht erfüllen können."

Europäisches Parlament in Straßburg (Foto: dpa)
Streitbar: Das EU-ParlamentBild: picture-alliance/dpa

"Initiative für Jugendbeschäftigung"

Etwa 46 Prozent des mindestens 908 Milliarden Euro umfassenden Budgets sollen in den nächsten sieben Jahren in strukturschwache Regionen fließen. Dort sollen die EU-Zuschüsse neue Investitionen der lokalen Behörden und Unternehmen auslösen. Fast 40 Prozent des Haushalts gehen nach wie vor in die Subventionen für die Landwirtschaft. Für Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit wurden sechs Milliarden Euro eingeplant, die bereits in den kommenden zwei Jahren ausgegeben werden sollen, wie EU-Ratspräsident Van Rompuy mitteilte.

Haushalt soll beweglicher werden

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), freute sich, dass jetzt sichergestellt sei, dass die 908 Milliarden Euro auch tatsächlich ausgegeben werden. Bislang flossen nicht verwendete Mittel wieder direkt an die Beitragszahler, die Mitgliedsstaaten der EU, zurück. Im laufenden Sieben-Jahres-Programm wurden 55 Milliarden Euro wieder an die Mitgliedsstaaten zurücküberwiesen. Das wird erstmals anders sein. Freie Gelder können von 2014 an auch in anderen Haushaltsjahren und für andere Projekte als ursprünglich geplant verwendet werden.

Der Sieben-Jahres-Plan wird flexibler, so Schulz. "Es wird verbindlich in das Gesetz hineingeschrieben, dass das nächste Parlament und die EU-Kommission das Sieben-Jahre-Budget noch einmal prüfen und verändern müssen. Das ist einer der größten Fortschritte, den wir geschafft haben." Ende 2014, nach den Wahlen zum Europäischen Parlament und nach der Wahl eines neuen EU-Kommissionspräsidenten, soll das gesamte Budget noch einmal auf den Prüfstand.

Martin Schulz und Jose Manuel Barroso (Foto: Reuters)
Können erleichtert sein: Martin Schulz (l.) und Kommissionspräsident José Manuel BarrosoBild: Reuters

Das Parlament machte Druck

Die Verhandlungen waren besonders schwierig, weil das Europäische Parlament erstmals fast gleichberechtigt mitbestimmen durfte. Vor Inkrafttreten des Grundlagenvertrages von Lissabon konnten die EU-Staats- und Regierungschefs den Haushalt alleine auskungeln. In der kommenden Woche muss das Plenum des Europäischen Parlaments der Finanzplanung noch zustimmen. "Ich werde für eine Mehrheit kämpfen", kündigte Martin Schulz an.

Hätte Premier Cameron tatsächlich auf stur geschaltet und eine Einigung in die Zukunft verschoben, wäre das für die einzahlenden Staaten teuer geworden. Denn ohne neuen Haushaltsrahmen wird laut EU-Vertrag der letzte laufende Haushalt einfach fortgeschrieben. 2013 liegen die Ausgaben bei 143 Milliarden Euro im Gemeinschaftshaushalt. 143 Milliarden hochgerechnet auf sieben Jahre: Bis zum Jahr 2020 wäre die stolze Summe von 1001 Milliarden aufgelaufen. Das wollte wohl keiner der Nettozahler verantworten.