"Trump legt den Finger in die Wunde"
9. März 2018Deutsche Welle: US-Präsident Donald Trump verhängt Strafzölle auf die Einfuhr von Stahl und Aluminium. Kann er damit wirklich die einheimische Industrie schützen?
Stefan Kooths: Es kann damit nur einen sehr kleinen Teil der einheimischen Industrie schützen, nämlich die dortigen Stahl- und Aluminiumproduzenten. Zum Nachteil allerdings aller übrigen Wirtschaftszweige, die auf den Einsatz von Stahl- und Aluminiumprodukten angewiesen sind und damit am Ende auch zu Lasten der US-amerikanischen Verbraucher.
Welche Rolle spielen die Welthandelsorganisationen WTO und ihr Regelwerk für die Mitglieder in diesem Zusammenhang? Darf Trump das so einfach?
Die WTO soll genau diese Attacken auf den freien Welthandel verhindern. Es sollen nämlich nicht einseitig Zölle erhoben werden, um so eine protektionistische Industriepolitik zu machen. Grundsätzlich sind daher derartige Maßnahmen nicht erlaubt. Jetzt beruft sich Herr Trump allerdings auf sicherheitsrelevante Aspekte und das ist in der Tat eine Ausnahmeklausel in der WTO.
Die Frage ist aber, ob diese Klausel hier überhaupt ernsthaft herangezogen werden kann. Denn die amerikanische Regierung kann schlecht begründen, weshalb der Import von Stahl aus verbündeten Ländern, etwa aus der Europäischen Union - die meisten EU Mitglieder sind sogar Nato-Mitglieder - dass also die amerikanischen Sicherheitsbelange negativ berührt werden, wenn der Stahl für die Produktion von Kanonen und sonstigem Kriegsgerät nun aus ausländischer Produktion kommt.
Das heißt also, das Regelwerk müsste erst noch interpretiert werden?
Ja, es muss interpretiert werden. Die EU-Kommission hat ja auch schon angekündigt, eine entsprechende Beschwerde bei der WTO einzureichen. Die dürfte nach allem, was man absehen kann, auch erfolgreich sein. Die Frage ist nur, ob sich dann die USA daran halten. Da ist ja jetzt tatsächlich ein sehr, sehr sensibler Punkt erreicht. Sollte sich nämlich die amerikanische Regierung dann trotz eines Einschreitens der WTO darüber hinwegsetzen, dann würde der gesamte Multilateralismus infrage gestellt. Dies könnte über den Stahl- und Aluminiummarkt hinaus, der nun nicht gerade weltbewegend ist, die internationale Handelsordnung gefährden.
Trump hat gleichzeitig angekündigt, so genannte Spiegel-Zölle oder reziproke Zölle einführen zu wollen, das heißt, gleiche Zollsätze für gleiche Produkte im gegenseitigen Warenverkehr. Welche Auswirkungen hätte so eine Maßnahme auf den Welthandel?
Der amerikanische Präsident legt tatsächlich seinen Finger in eine offene Wunde, denn die Europäer sind nun wirklich nicht die Musterknaben des weltweiten Freihandels. Der Außenzoll der Europäischen Union ist durchschnittlich höher als der der Vereinigten Staaten. Das wird deutlich, wenn es beispielsweise um Fahrzeuge geht. Hier wäre es eine vernünftigere Antwort der EU, ihrerseits diese Zölle zu senken, als jetzt einen Handelskonflikt auf anderen Gütermärkten wie Whiskey oder Motorrädern vom Zaun zu brechen.
Abgesehen davon wären die Auswirkungen von solchen Spiegel-Zöllen nicht allzu groß. Denn zumindest bislang ist ja das Produktportfolio der amerikanischen Hersteller weniger auf dem europäischen Markt gefragt und die Fahrzeuge, die sie hier unter ihren Marken verkaufen, werden ja typischerweise auch in der Europäischen Union hergestellt.
Wieso hat sich eigentlich bislang niemand über diese ungleichen Zölle aufgeregt?
Vermutlich deshalb, weil jeder Staat mit seiner Zollpolitik immer eine nach innen gerichtete Privilegien-Politik betreibt. Welcher Wirtschaftszweig gerade den besten Zugang zu den regierenden Parteien hat, kann dann vermeintliche Vorteile herausholen, also Zölle für die eigenen Produkte hochsetzten lassen. Da waren möglicherweise die amerikanischen Automobilproduzenten in der Vergangenheit weniger erfolgreich als die europäischen. Und deshalb stünde es allen Beteiligten gut an, sich nicht immer wieder vor einzelne Wirtschaftsbereiche in protektionistischer Weise zu stellen und damit das Gemeinwohl ihrer jeweiligen Volkswirtschaften zu beschädigen - und auch das Gemeinwohl der übrigen Welt.
Es gibt Experten, die sagen, die Europäer sollten einlenken und ihre Zölle einfach senken oder ganz abschaffen. Und im Gegenzug sollten die Amerikaner da mitmachen. Was sagen Sie denn zu dieser Idee?
Das wäre eine ausgezeichnete Idee. Erstens würde dadurch allen, die jetzt in einen Protektionismus-Wettlauf hineinzulaufen drohen, der Boden entzogen. Außerdem würden alle Verbraucher diesseits und jenseits des Atlantiks davon profitieren. Derzeit droht ja eher das Umgekehrte. Die eine Seite, in diesem Fall die Vereinigten Staaten, führen zusätzliche Zölle auf Stahl und Aluminium ein und im Gegenzug drohen weitere Zölle in der Europäischen Union auf ganz andere Produkte. Die Vereinigten Staaten verzerren jetzt die Preise auf dem Stahlmarkt und im Umkehrschluss verzerren die Europäer die Preise auf dem Whiskey- und Motorradmarkt. Dadurch wird die Welt ja nicht besser, sondern schlechter.
Wenn man will, kann man diese transatlantische Beziehung auch mit einem Tandem vergleichen, wo der eine sagt: Wenn sich der andere nicht mehr ins Zeug legt, dann schieße ich mir ins Knie. Und daraufhin droht der andere: Wenn du das machst, schieße ich mir auch ins Knie. Dadurch stellen sich beide schlechter und alle miteinander kommen nicht mehr so schnell voran, wie sie es könnten, wenn sie vernünftig wären und dem gegenseitigen Handel keine Steine in den Weg legen würden.
Das heißt, im Zuge der Diskussion, die durch die Aktion von Donald Trump jetzt in Gang gekommen ist, könnten langfristig sogar Vorteile für beide Seiten entstehen?
Wenn das tatsächlich dazu führt, dass wir zu einem sehr mutigen Schritt kommen, weil alle Angst haben - und zwar begründete Angst - vor einer solchen Protektionismus-Spirale, dann wäre das natürlich ein ganz außerordentliches Ergebnis. Und wir würden uns dann alle etwas wundern, dass ausgerechnet so ein Brachialpolitiker wie Herr Trump zu solch einem Ergebnis kommt. Ich bin aber nicht sicher, dass das überhaupt in seinem eigenen Interesse ist. Falls doch - umso besser.
Das Gespräch führte Klaus Ulrich.
Stefan Kooths ist Leiter des Prognosezentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft.