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Guinea-Bissau: Machtkampf als Seifenoper

Madelaine Meier21. August 2015

Zwei mächtige Männer kämpfen um die Vorherrschaft in Guinea-Bissau: Der Präsident und der von ihm geschasste Regierungschef sind Intimfeinde. Sie manövrieren das chronisch instabile Land erneut in die Krise.

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Präsident José Mário Vaz und Ex-Premier Domingos Simões Pereira, Guinea-Bissau (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Seyllou/AFP/Getty Images/CPLP

"Ein Land zu regieren, das bedeutet, auch unpopuläre Entscheidungen treffen zu müssen." Das sagte Staatspräsident José Mário Vaz (links im Bild), als in dieser Woche sein neuer Ministerpräsident Baciro Dja vereidigt wurde. Der Hinweis auf die "unpopuläre Entscheidung" deutet an, welches politische Chaos sich gerade im westafrikanischen Guinea-Bissau abspielt. Erst vor einer Woche hatte Präsident Vaz seinen bisherigen Regierungschef Domingos Simões Pereira (rechts) - samt der kompletten Ministerriege - entlassen. Nun hat Vaz zum nächsten Schlag ausgeholt und mit Baciro Dja einen politischen Widersacher Pereiras zum Nachfolger ernannt.

Guinea-Bissau ist chronisch krisengeschüttelt: Eine Serie von Staatstreichen und Putschversuchen hat das Land drei Jahrzehnte lang destabilisiert. Im April 2014 fanden demokratische Wahlen statt, nach denen die Regierung von Präsident José Mário Vaz und Premier Domingos Simões Pereira den Staat auf den Boden der Verfassung gestellt hatte. Jetzt kommt nach etwas mehr als einem Jahr der politische Bruch der beiden. Seit der Unabhängigkeit hat in Guinea-Bissau noch kein Präsident das Ende seiner Amtszeit erreicht - die Frage ist, ob das Vaz gelingen kann.

Mit der Entscheidung, Dja zum Regierungschef zu machen, hat der Präsident sich endgültig mit dem Großteil seiner eigenen Partei angelegt. Und das ist nicht irgendeine Partei. Die PAIGC ist hervorgegangen aus der Freiheitsbewegung, die 1974 die Unabhängigkeit Guinea-Bissaus von Portugal durchsetzte. Sie ist die größte Partei des Landes und bestimmt die politische Landschaft. Beobachter sprechen auch von "einem Staat im Staate". Die PAIGC hält die Mehrheit der Sitze im Parlament und hatte Pereira nach seiner Absetzung erneut für den Posten des Regierungschefs nominiert - ohne Erfolg.

Proteste gegen Präsident José Mário Vaz, genannt "Jomav", vor dem Sitz der Partei PAIGC in Bissau (Foto: DW)
Proteste gegen Präsident José Mário Vaz, genannt "Jomav", vor dem Sitz der Partei PAIGC in BissauBild: DW/F. Tchuma

Alleingang des Präsidenten

"Der Präsident hat einen Weg gewählt, der das Land in den Abgrund reißen wird." So kommentierte der geschasste Pereira die Vereidigung seines Nachfolgers. Die Partei hat sich hinter Pereira gestellt - kein Wunder, denn er ist ihr Vorsitzender. "Dieser Entschluss ist illegal und er spiegelt nicht unseren Willen wider", kommentierte Sprecher João Bernardo Vieira. "Dies ist ein Alleingang des Präsidenten, der seine Entscheidung gegen alle Regeln in diesem Land getroffen hat."

Auch Adilson Jabula kritisiert die Ernennung von Baciro Dja zum Regierungschef. Jabula, Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in der Landeshauptstadt Bissau, sagt: "Der Präsident hat das Recht, einen Premier zu ernennen, aber er sollte das nicht so blind tun." Er müsse sich mit den Parteien im Parlament beraten und erst sicherstellen, dass die Regierung anerkannt wird. Da die PAIGC sich offen gegen Dja stellt, geht der Jurist davon aus, dass sie die neue Regierung leicht kippen kann.

"Das Spielt beginnt von neuem", sagt Vincent Foucher, Analyst bei der International Crisis Group, der DW. "Baciro Dja hat keine starke Ausgangsposition, aber mit einem neuen Ministerpräsidenten wird es neue Minister geben." Machtvolle möglicherweise. Einige Parlamentarier könnten also ihre Meinung ändern und die Seiten wechseln. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte des Landes, so Foucher.

Endloses Kompetenzgerangel

Der 39-jährige Baciro Dja ist ein enger Freund des amtierenden Präsidenten und eine umstrittene Figur. Mit ihm hat Vaz einen Linientreuen ins Boot geholt. Dja hatte 2014 die Wahlkampagne der PAIGC geleitet, war sogar Minister und Parteivize unter Pereira gewesen. Erst im Juni war er nach Streitigkeiten mit Pereira zurückgetreten. In der vergangenen Woche folgte dann der Rausschmiss aus der PAIGC. Der offizielle Grund: Dja soll Gelder hinterzogen haben.

Baciro Dja, der neue Regierungschef in Guinea-Bissau (Foto: picture alliance/dpa)
Tritt einen Job mit wenig Perspektive an: Baciro Dja, der neue Regierungschef in Guinea-BissauBild: picture-alliance/dpa/L. Fonseca

Es wird mit viel Schmutz geworfen dieser Tage in Guinea-Bissau. Beide Lager - das um den amtierenden Staatspräsidenten Vaz und die Gruppe um den geschassten Ministerpräsidenten Pereira - beschuldigen und diskreditieren sich gegenseitig. Zu dem Zerwürfnis zwischen Vaz und Pereira führte eine lange Liste von Streitigkeiten: So soll es immer wieder zu Kompetenzgerangel zwischen ihnen gekommen sein. Beobachter sagen, mit der Entlassung von Pereira wollte José Mário Vaz den Machtkampf an der Spitze des Landes zu seinen Gunsten entscheiden.

Persönliche Fehde

Außerdem hatte es kürzlich Streit bei der Ernennung des neuen Armeechefs gegeben. Das wirft die Frage auf, ob das Militär sich in die jetzige Fehde einmischen und putschen könnte, wie es das in der Vergangenheit immer wieder getan hat. Vincent Foucher sieht diese Gefahr nicht. "Das Militär ist seit 2014 sehr diskret und gehorsam. Bis jetzt gibt es keine offensichtliche Spannung in der Armee, weil die Politiker streiten."

Schließlich spielt auch noch ein alter Finanzskandal eine Rolle: José Mário Vaz hatte einst Pereiras Frau, damals zuständig für den Staatshaushalt, der Korruption beschuldigt. "Guinea-Bissau hat eine lange Geschichte, was diese Art von Politik anbelangt: verschiedene Bündnisse und Klüngel zwischen den Parteien, Lügen und gezielte Angriffe", sagt Analyst Foucher. Die politische Community des Landes sei sehr klein. "Jeder kennt sich, jeder ist mit jedem verheiratet. Es ist wirklich eine Seifenoper."

Mitarbeit: Guilherme Correia da Silva und Antonio Cascais