Guinea-Bissau ohne Regierung
14. August 2015Guinea-Bissaus Nachbarn warnen vor einem weiteren Militärcoup in dem kleinen westafrikanischen Land: Die Krise müsse friedlich gelöst werden und die Armee solle sich "aus der Politik raushalten", sagte Senegals Präsident Macky Sall im Namen der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS.
Guinea-Bissaus Präsident Jose Mario Vaz muss jetzt einen Ausweg suchen: Mit den wichtigsten politischen Parteien im Land verhandelt er inzwischen über eine neue Regierung, denn die alte hat er am Donnerstag entlassen. Grund seien Streitigkeiten mit Ministerpräsident Domingos Simoes Pereira, hieß es. Beide Politiker sind Mitglieder der gleichen Partei, der ehemaligen Befreiungsbewegung PAIGC, die 1974 die Unabhängigkeit von Portugal errang.
Präsident Vaz warf Premier Pereira und den Ministern Korruption, Vetternwirtschaft und Behinderung der Justiz vor. Konkret geht es etwa um Hilfsgelder aus dem Ausland, bei denen nicht klar sei, wohin genau sie geflossen sind. "Selbst wenn alle Regierungsmitglieder ausgetauscht würden, könnten wir die politische Krise nicht überwinden", sagte Vaz in einer Fernsehansprache. "Das Vertrauen zwischen mir und dem Premierminister ist zerstört". Alle Vermittlungsversuche der Nachbarländer Guinea und Senegal sind gescheitert. Unklar ist bislang, ob es sich um eine persönliche Fehde zweier Politiker handelt oder einen Kampf um die Verteilung der Macht zwischen Präsident und Regierungschef.
Drogen-Staat am Tropf des Auslands
Die letzten Wahlen 2014 hatten auch im Ausland große Hoffnungen auf mehr Stabilität in Guinea-Bissau geweckt: Die EU versprach dem völlig verarmten Land 160 Millionen Euro an Hilfen, um die Demokratie zu fördern und die Wirtschaft anzukurbeln. Auch der Internationale Währungsfonds hatte hohe Summen in Aussicht gestellt. Entsprechend besorgt klingen die Reaktionen: Die politische Krise gefährde die Stabilität und den Wiederaufbau im Land, warnte das Büro der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. "Die internationalen Partner haben längst die Nase voll", sagt Analyst Paulo Gorjao vom portugiesischen Institut für Internationale Beziehungen und Sicherheit (IPRIS). "Wegen der politischen Dauer-Krise war es schon oft sehr schwierig, die Europäer zu überzeugen, in Guinea-Bissau zu investieren. Diese Entlassungs-Krise gibt jetzt all denen Recht, die immer sagen: 'Das Geld, was ihr nach Guinea-Bissau schickt, kann man genauso gut auch im Müll versenken'." Die Geber könnten ihre Mittel einfrieren, wenn sich die Lage im Land noch weiter zuspitzt, warnt Gorjao.
Guinea-Bissau gehört laut Weltbank zu den zehn ärmsten Ländern der Welt, mehr als zwei Drittel der Bevölkerung gelten als arm. Reich dagegen werden vor allem die Kriminellen. Denn wo die legale Wirtschaft lahm liegt, floriert der Drogenschmuggel. Das westafrikanische Land gilt als Top-Umschlagplatz für vor allem kolumbianische Kokainkartelle, die ihre Ware nach Europa bringen wollen und hat sich als "Narco State" einen unrühmlichen Namen gemacht. Laut dem UN-Büro für Drogenbekämpfung UNODC übersteigt der Wert der gehandelten Drogen längst das Nationaleinkommen.
Wie geht's weiter?
Ministerpräsident Pereira weist alle Vorwürfe von Staatschef Vaz zurück und konterte nach seinem Rausschmiss: "Wenn der Präsident die PAIGC um die Ernennung eines neuen Premiers bittet, dann werden sie sich wieder für mich entscheiden." Und er hat recht behalten. Nur drei Tage nach seiner Entlassung hat die Partei ihn erneut für das Amt des Regierungschefs nominiert. Ohnehin bleibt Präsident Vaz kaum Spielraum, um einen anderen Kandidaten durchzusetzen: Der Parteivorsitzende - und das ist Domingos Pereira - muss nach dem Sieg der PAIGC bei den letzten Parlamentswahlen 2014 auch gleichzeitig Premierminister werden, so steht es im Partei-Statut.
"Es ist noch nicht klar, wer die Regierungspartei tatsächlich steuert", sagt Analyst Paulo Gorjao. Jetzt muss das Parlament entscheiden. Fest steht aber: Sollten die Abgeordneten einen möglichen Gegenkandidaten des Präsidenten nicht unterstützen, wäre die Regierung endgültig am Ende. Vaz müsste das Parlament auflösen. Was dann passieren könnte, wollen sich viele im Land lieber nicht ausmalen.
Rückschlag für die Demokratie
Seit der Unabhängigkeit Guinea-Bissaus hat noch kein Präsident das Ende seiner Amtszeit erreicht. Immer mischte sich das Militär ein - als selbst erklärter Garant von Sicherheit und Stabilität. Neun Mal seit 1980 hat das Militär schon geputscht oder es zumindest versucht, Politiker inmitten von Krisenzeiten durch Generäle oder Wunschkandidaten ersetzt. Zuletzt 2012. Erst im vergangenen Jahr gelang die Rückkehr zu einer gewählten Regierung mit Premier Pereira und Präsident Vaz an der Spitze. Gehalten hat dieser politische Frieden gerade mal ein Jahr. Bahnt sich also schon der nächste Putsch an? "Zum Glück hat sich die Armee bislang zurückgehalten", sagt Paulo Gorjao. "Aber wenn das so weiter geht, könnte sich das Militär auch dieses Mal wieder einmischen". Verhindern könne das nur das Ausland - die Nachbarstaaten, die UN und die EU müssten jetzt Druck machen auf Guineas Politiker.
Mitarbeit: Guilherme Correia da Silva