Guinea-Bissau wählt
13. April 2014José Mário Vaz, Paulo Gomes, Nuno Nabiam und Abel Incada - das sind die vier aussichtsreichsten Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl im westafrikanischen Guinea-Bissau. Vier Namen, die bis vor kurzem nur einem sehr gut informierten Publikum bekannt gewesen sein dürften. Der momentane Interimspräsident Manuel Serifo Nhamadjo tritt nicht an.
Zum ersten Mal seit der Einführung des Mehrparteiensystems im Jahr 1991 steht damit in dem 1,7 Millionen Einwohner zählenden Land kein einziges politisches Schwergewicht auf dem Stimmzettel.
Auffällig ist das Fehlen des ehemaligen Premierministers Carlos Gomes Júnior. Seine Regierung war 2012 von den Militärs gestürzt worden. Damals hatte er gerade die erste Runde der Präsidentschaftswahlen gewonnen und galt als Favorit für die zweite Runde, die durch den Putsch nicht mehr stattfand.
Seitdem ist in Guinea-Bissau eine Übergangsregierung an der Macht. Eine Eingreiftruppe der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS sorgt für ein Minimum an Stabilität. Doch die Militärs um Generalstabschef António Indjai haben weiterhin großen Einfluss. Ex-Premier Carlos Gomes Júnior hat sich daher nicht in das Land zurückgetraut und beobachtet die Wahlen lieber vom sicheren Exil in Portugal und von den Kapverden.
"Priorität haben Arbeitsplätze"
Das Fehlen prominenter Namen hat zu einer Aufspaltung der beiden großen politischen Lager geführt. Auf der Seite der ehemaligen Unabhängigkeitsbewegung und größten Partei des Landes, PAIGC, gehen zwei Kandidaten ins Rennen. Offizieller Kandidat der Partei ist José Mário Vaz. Er war bis 2012 Finanzminister, wurde aber mit dem Putsch gestürzt. "Wir werden die Parlaments- und die Präsidentschaftswahlen gewinnen", ist sich Jomav, wie José Mário Vaz auch kurz genannt wird, seiner Favoritenrolle bewusst. "Priorität hat, die Ökonomie zu stärken, Arbeitsplätze zu schaffen und die Wirtschaft des Landes endlich wieder zum Laufen zu bringen", so José Mário Vaz. Er setzt auf die positive Bilanz der 2012 abgesetzten Regierung, unter der es wirtschaftlich aufwärts ging und die Gehälter der Staatsangestellten regelmäßig gezahlt wurden. Seit dem Putsch herrschte dagegen eine Rezession.
José Mário Vaz wurde vorgeworfen, als Finanzminister Hilfsgelder veruntreut zu haben. Er weist diese Anschuldigungen aber als politisch motiviert zurück und ist bisher auch nicht von einem Gericht verurteilt worden.
Wirtschaftskompetenz für ein darniederliegendes Land
Ebenfalls auf seine wirtschaftliche Fachkompetenz setzt Paulo Gomes, der zwar PAIGC-Mitglied ist, aber als Unabhängiger ins Rennen geht. "Ich bin ein Technokrat. Ich war kein aktiver Politiker, aber ich habe den großen Vorteil, die Wirtschaft meines Landes gut zu kennen", sagt Paulo Gomes und verweist auf seine lange internationale Erfahrung. Der Ökonom studierte an der nordamerikanischen Eliteuniversität Havard und hat bei der Weltbank und der Afrikanischen Entwicklungsbank gearbeitet. Damit warb er offensiv im Wahlkampf: Internationale Erfahrung sei im Moment für einen Staatschef besonders wichtig, wenn es darum gehe, Türen zu öffnen und das Land im Ausland zu vermarkten, so Gomes. "Lassen sie uns doch ehrlich sein: Hier in Guinea-Bissau wird nichts gespart, daher hängen wir von der Hilfe der internationalen Gemeinschaft und anderer Länder ab, um zu wachsen."
PRS - eine Partei, vier Kandidaten
Für das andere traditionelle politische Lager des Landes, die Partei der sozialen Erneuerung (PRS), treten sogar gleich vier Kandidaten an. Dem offiziellen Kandidaten der Partei, Abel Incada, werden nur wenige Stimmen zugetraut. Die besten Chancen werden Nuno Nabiam eingeräumt, denn er wurde im Wahlkampf offensiv vom früheren, bereits verstorbenen Präsidenten Kumba Ialá unterstützt.
Außerdem positionierte sich Nabiam als den Militärs um Generalstabschef António Indjai nahestehender Kandidat. Die meisten Militärs stammen aus der Ethnie der Balanta, der etwa ein Drittel der Bevölkerung angehört. Sie stellen traditionell die Wahlbasis der PRS. Von der DW gefragt, ob eine Reform des Militärs und deren Führung nötig sei, antwortete Nuno Nabiam ausweichend: "Ich glaube, dass eine Reform des Sicherheitsbereiches wirklich nötig ist, aber sie muss gut überlegt sein. Wenn eine Reform wirklich nötig sein sollte, dann muss darüber erst einmal diskutiert werden."
Ruhiger Wahlkampf
Der Wahlkampf verlierf weitgehend geordnet und ruhig. Internationale Beobachter der Afrikanischen Union, aus Ost-Timor und Neuseeland sollen für eine faire Auszählung sorgen. Während nach der ersten Runde aufgrund des Verhältniswahlrechts bereits die Zusammensetzung des Parlaments feststehen wird, dürfte keiner der insgesamt 13 Präsidentschaftskandidaten direkt die für einen Sieg notwendige absolute Mehrheit der Stimmen erringen. Für diesen Fall werden die beiden bestplatzierten in den zweiten Wahlgang einziehen.
Militärs machen aus dem Land ein Pulverfass
Doch auch bei augenscheinlicher Ruhe: Guinea-Bissau ist ein Pulverfass, das jederzeit explodieren kann, wie die zahlreichen Putschversuche, Staatstreiche und politischen Morde der vergangenen Jahre gezeigt haben. Für die Instabilität sorgen in erster Linie die Militärs, die sich nicht der Kontrolle der Regierung unterwerfen wollen und bisher jedem Versuch einer Streitkräftereform getrotzt haben: Zuletzt im April 2012, als sie gegen Carlos Gomes Junior putschten, der mit der Hilfe Angolas einen Umbau des Militärs geplant hatte.
"Das Land braucht verschiedene Reformen. Dazu gehört die Streitkräftereform", sagt die portugiesische Politologin Elisabete Azevedo-Harman. "Aber es müssen auch Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Wirtschaft liegt in Guinea-Bissau am Boden. Das macht das Land für kriminelle Kräfte wie den Drogenhandel sehr leicht verwundbar." Guinea-Bissau gilt als Umschlagplatz für lateinamerikanische Drogenhändler auf dem Weg von Südamerika nach Europa.
Viel Arbeit für den nächsten Präsidenten des Landes. Und eine große Herausforderung kommt hinzu: die volle Amtszeit von vier Jahren zu Ende zu bringen. Denn seit der Unabhängigkeit des Landes von Portugal im Jahr 1974 hat das noch keiner der bisher zehn Präsidenten geschafft.