Grüne formulieren Führungsanspruch
26. Juni 2020Die Grünen haben bei der Vorstellung des Entwurfs für ihr neues Grundsatzprogramm ihren politischen Gestaltungs- und Führungsanspruch unterstrichen. Parteichefin Annalena Baerbock nennt es ein "Programm für die Breite der Gesellschaft". Sei es früher darum gegangen, "ein Korrektiv zu sein", gehe es jetzt um "den Anspruch anzuführen", sagte Bundesgeschäftsführer Michael Kellner.
"Unser Führungsanspruch ist ein inhaltlicher", ergänzte Baerbock. Dies zeige sich in dem 58 Seiten langen Programmentwurf vor allem daran, dass man sich nicht mehr nur für Klimaschutz, Artenvielfalt und Soziales zuständig fühle. Sicherheit, Familie, Stadt und Land, Bildung und Gesundheit: "Wir formulieren in allen Bereichen unseren Anspruch, führend die Debatte zu treiben", hob Baerbock hervor.
Keine Farbspielchen mehr
Die Grünen definieren sich in ihrem Papier als "moderne Bündnispartei", die sich offen für neue politische Bündnisse zeigt, ohne sich dabei genauer festzulegen. "Politik ist, sich zusammenzutun und für eine bessere Zukunft einzustehen", heißt es in dem Text. Es gehe dabei aber "nicht um irgendwelche Farbspielchen", sagte Baerbock, sondern darum, eigene grüne Inhalte in den Vordergrund zu stellen.
Neben den klassischen Grünen-Schwerpunkten wie Klima- und Flüchtlingspolitik hob der Ko-Vorsitzende Robert Habeck die Offenheit gegenüber Technologie und Innovation hervor, auch bei Gentechnik oder Digitalisierung. Entscheidend sei eine strenge Bewertung von Nutzen und Gefahren für den Menschen, so Habeck.
Grundwerte neu ausgerichtet
Das Papier enthält erstmals ein Kapitel zu den Grundwerten der Partei. Der Text trägt den Titel "... zu schützen und zu achten...". Als gemeinsame Werte werden Ökologie, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Demokratie und Friede genannt. "Eine vernetzte Welt kann man demokratisch nur kooperativ ordnen und Gesellschaften gemeinsam widerstandsfähiger machen. Das gilt vor allem für Europa und beinhaltet die Erkenntnis, dass deutsche und europäische Interessen eins sind", heißt es im Vorwort.
Bei Umwelt und Klima orientierten sich die Grünen an "planetaren Grenzen", die nicht überschritten werden dürften, sagte Habeck. Eine "starke Besteuerung" solle dazu beitragen, ökologische Fehlentwicklungen zu vermeiden, die Einnahmen daraus sollen konsequent "direkt an die Menschen zurückgehen". "Man muss sich nicht entscheiden zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit", sagte Baerbock, sondern beides jeweils im Einzelfall zusammen bewerten.
In dem Programmtext verzichten die Grünen weitgehend darauf, Ziele und Forderungen detailliert auszuarbeiten oder zu beziffern. Dies werde im kommenden Jahr im Wahlprogramm geschehen, sagte Kellner. Das Grundsatzprogramm soll nun weiter beraten und auf einem Parteitag in Karlsruhe im November beschlossen werden.
sam/as (afp, dpa, kna)