Mali und der Terrorismus
12. März 2013
Durchgedrungen ist noch nicht viel, aber es reichte, die Öffentlichkeit in Aufregung zu versetzen. Die Sicherheit der EU sei durch den Mali-Einsatz der Union "direkt bedroht", heißt es in einem Bericht des EU-Antiterrorismuskoordinators Gilles de Kerchove, den dieser kürzlich den Innenministern der Union vorgestellt hat. Die Gefahr komme aus den verbliebenen Rückzugsgebieten der Terroristen im Norden Malis und ihrem vergrößerten Operationsraum im Maghreb. Eine Bedrohung gehe auch von islamistischen Kämpfern mit Wohnsitz in Europa aus, die nun aus Afrika oder dem Nahen Osten zurück in ihre Heimat kehrten.
Wie groß die Gefahr tatsächlich ist, lässt sich nach Einschätzung des Politologen Tobias Koepf, Gastwissenschaftler am EU Institute for Security Studies in Paris, nur schwer beurteilen: "Die terroristische Bedrohung ist da, aber sicherlich sehr diffus." Einen Ableger der Terrororganisation "Al Qaida im Islamischen Maghreb" gebe es in Europa vermutlich nicht, so Koepf im Gespräch mit der Deutschen Welle. Stattdessen müsse man von Einzeltätern ausgehen, die sich etwa über das Internet radikalisieren ließen. Wie weit diese Propaganda aber reiche, sei von außen sehr schwer nachvollziehbar.
"Eine extrem radikale Auslegung des Islam"
Auch für Franziska Brantner, Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament, gehen mögliche Gefahren weniger von organisierten Netzwerken als von radikalisierten Einzeltätern aus. Als solche seien sie sehr schwer zu identifizieren, erklärt die Politikerin im Gespräch mit der DW. Viele derer, die aus Mali oder anderen Staaten des Nahen Ostens zurückkämen, hätten europäische Pässe oder eine doppelte Staatsangehörigkeit. "Es ist schon länger klar, dass diese Leute Mali auch als Rückzugsort nutzen, um dann in andere Regionen kämpfen zu gehen." Brantner, im Europäischen Parlament auch Mitglied im Unterausschuss für Sicherheit und Verteidigung, verweist auf das Internet als neues Medium, um junge Menschen für den militanten Islamismus zu gewinnen: "Man findet dort eine extrem radikale Auslegung des Islam, die im Zusammenspiel mit Gewaltvorstellungen die jungen Leute in ihrem Hass auf den Rest der Gesellschaft recht genau da abholt, wo sie sind. Darin sind die Propagandisten sehr geschickt."
Es sei durchaus denkbar, dass der EU-Einsatz in Mali den Extremisten nur als einer von mehreren Bausteinen ihrer Propaganda diene, erklärt Tobias Koepf. "Mali ist eine neue Legitimationsgrundlage, weil alte Legitimationsgrundlagen wie der Afghanistan-Einsatz nicht mehr so bedeutend sind."
Muslime kritisieren Islamisten
Ihre Wirkung entfaltet diese Propaganda nur auf Grundlage einer konsequent einseitigen Darstellung. So verschweigen die Islamisten, dass die Dschihadisten in Mali auch von vielen Muslimen abgelehnt werden. Oumou Sall Seck war Bürgermeisterin von Goundam, einer kleinen Ortschaft nahe Timbuktu. Als die Islamisten auf das Städtchen vorrückten, floh sie mit vielen ihrer Mitbürger in den Süden des Landes. Die Angreifer, erklärt sie im Gespräch mit der DW, seien "Terroristen", denen es nur um ihre persönlichen Interessen gehe. "Sie sind im Drogen- und Waffenschmuggel aktiv. Doch diese Leute haben sich ein religiöses Image zugelegt. Was sie uns angetan haben, zeigt aber, dass es ihnen nicht um den Islam geht."
Für die gläubige Muslima ist es darum falsch, die Extremisten mit dem Islam in Verbindung zu bringen. "Einige Gläubige glauben, es handle sich bei ihnen um Muslime, die man darum unterstützen müsse. Aber das stimmt nicht. Im Gegenteil, ihre Handlungen ziehen den Islam in den Schmutz. Es ist an der Zeit, dass die muslimische Welt aufwacht und eine große Kampagne gegen diese Terroristen startet, die mit dem Islam nichts zu tun haben."
Dialog und humanitäre Hilfe
Diese Kritik von muslimischer Seite wird von den Propagandisten ausgespart. Um Gefahren von Mali ebenso wie Europa abzuwenden, müsse man den Islamisten darum eine eigene Agenda entgegensetzen, erklärt Tobias Koepf. Mittelfristig stehe die EU vor zwei Aufgaben: "Sie muss erstens durch humanitäre Hilfe dafür sorgen, dass die ökonomische Situation in Mali verbessert wird oder sich zumindest nicht weiter verschlechtert. Und zweitens ist es ganz wichtig, einen politischen Dialog anzuschieben oder wieder von neuem anzuschieben."
Dieser Dialog müsse mit allen politischen Kräften in Mali geführt werden, auch und vor allem mit denen aus dem umkämpften Norden. "Das Ziel muss sein, den Terroristen die Grundlage zu nehmen, die sie in der Bevölkerung haben könnten, um sich dort festzusetzen."
Soziale Arbeit in Europa
Parallel dazu müsse man in Europa aber auch die Lebensbedingungen vieler Muslime verbessern, erklärt Franziska Brantner, die im EU-Parlament auch der Delegation der Union für den Mittelmeerraum angehört. Nach wie vor entstammten viele der zum Extremismus und potentiell zu Gewalt neigenden jungen Muslime einer nicht hinreichend integrierten Gesellschaftsgruppe, der darum auch entsprechende Aufstiegs- und Entwicklungschancen verwehrt seien. Diesen jungen Menschen gelte es Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. "So gesehen finden sich die Probleme in Europa zwar auf einem anderen Niveau, unterscheiden sich aber nicht grundlegend von denen in Ländern, in denen jetzt gekämpft wird."