Tansania Landnahme
10. Oktober 2011Yefred E. Magezi von der tansanischen Nichtregierungsorganisation Hakiardhi blickt auf die großen Plantagen einer britischen Firma, die Jatropha anbaut. Das Öl der Pflanze wird zur Gewinnung von Biokraftstoff genutzt. "Das ist das Land, das den Communities genommen wurde. Neun Dörfer liegen um diese Felder herum. Das Land stammt von verschiedenen Dörfern in unterschiedlichen Größen. Insgesamt sind es 8000 Hektar, die dem Investor übergeben wurden", erklärt Magezi.
Innovationsschub oder neue Abhängigkeit?
Jatropha wächst auch auf trockenen Böden - es braucht allerdings große Flächen, denn die Jatropha-Pflanzen werden bis zu acht Meter hoch und brauchen Abstand zueinander. Was in Tansania angebaut wird, ist ausschließlich für den Export bestimmt. Denn in Afrika spielt Biosprit noch keine Rolle. In diesem Fall investiert eine britische Firma - und das bereits seit 2008. Die tansanische Regierung hat die Zeichen der Zeit - und das Geschäft - erkannt: Ende 2010 startete die Regierung ihr Programm "Agriculture first". Dabei geht darum, die Landwirtschaft auszubauen. Das Ziel ist nicht nur, die eigene Bevölkerung sicher und ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen, sondern auch, Agrarprodukte zu exportieren.
Nach Ansicht von Raymond P. Mbilinyi, der die staatliche Agentur für Investitionen (TIC) leitet, kann die Kooperation mit großen ausländischen Investoren der heimischen tansanischen Landwirtschaft neuen Schwung verleihen: "Wir sind ein Entwicklungsland, wir brauchen Partner, die wirklich investieren und zu unserer Entwicklung beitragen. Und das ist ein wichtiger Grund, warum wir ausländische Investoren ermuntern, hierher zu kommen". Andererseits sehe man auch eine Chance in den Technologien, die die ausländischen Investoren mitbrächten, so Mbilinyi. Man hoffe, sie übernehmen zu können. Voraussetzung dafür sei, dass es zu einer engen und produktiven Zusammenarbeit zwischen lokalen und ausländischen Produzenten komme. Ein ehrgeiziges Ziel. Doch was kommt bei den lokalen Communities an? Was merken sie von der großen Farm in ihrer Nachbarschaft?
Produktive Zusammenarbeit oder leere Versprechen?
Es ist später Nachmittag im Dorf Mtamba, sechzig Kilometer von der Hafen- und Wirtschaftsmetropole Daressalam entfernt. Die Sonne hüllt die drei dutzend Lehmhäuser direkt an der Straße in ein feines goldenes Licht. Palmbier und Brettspiele ziehen die Dorfbewohner in die zentral gelegene "Dorfkneipe". Diese besteht aus einem Tisch mit umlaufender Bank. Ein Strohdach auf Stelzen schützt vor der Sonne. Dort sitzt Nassor Ramadhani, der gewählte Dorfvorsteher von Mtamba. Er erinnert sich noch gut an die Versprechen zu Beginn der Investitionen: "Bevor uns das Land genommen wurde, gab es eine Abstimmung zwischen uns und der tansanischen Regierung. Es sollten eine Schule, eine Straße und eine Krankenstation gebaut werden – bevor wir das Land abgeben". Und natürlich wollten die Menschen in den Dörfern auf der Jatropha-Farm auch Arbeit finden. Doch bisher sei wenig passiert, erzählt der Dorfvorsteher.
Niedrige Ausgleichszahlungen oder faire Beteiligung?
Rund 44 Milllionen Menschen leben in Tansania. Die Bevölkerung wächst rasch. Im Jahr der Unabhängigkeit 1961 waren es erst elf Millionen. Noch 1995 wurde gerade einmal ein Zehntel der Landfläche genutzt – so gut wie ausschließlich durch Kleinbauern. Und die ungenutzte Fläche lockte ausländische Investoren an. Die Kompensationen, die den Communities und Bauern gezahlt werden, wenn sie ihr Land abgeben müssen, sind denkbar gering. 35 Eurocent für eine Baumwollpflanze, fünf Euro für einen Hektar Tabakpflanzen, etwas mehr als 18 Euro für einen Mangobaum.
"Eigentlich sollte diese Kompensation schnell, in vollem Umfang und fair erfolgen, sie sollte den realen Marktpreisen und dem Wert der Pflanzungen und des Landes entsprechen. Das sagt das Gesetz. Aber die Kompensationszahlungen sind so gering, dass sie nicht annähernd den Verlust einer ganzen Lebensgrundlage ausgleichen können", erklärt Yefred Magezi. Doch er hat eine Idee, wie sich die Missstände beheben ließen: durch faire Beteiligung der lokalen Gemeinden. Beispiele dafür gebe es bereits auf den Zuckerfarmen im Südosten Tansanias. Wenn der Investor 70 Prozent der Erträge erhalte und die lokalen Gemeinden 30 Prozent, dann könnten die Communties die Erträge selbst verkaufen. So profitierten am Ende beide Parteien – die ausländischen Investoren und die einheimische Bevölkerung.
Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Katrin Ogunsade