Schwarz-Rot oder doch Schwarz-Grün?
25. September 2013Die Grünen-Spitzenpolitikerin Katrin Göring-Eckardt sieht derzeit wenig Übereinstimmungen mit der Union und hält ein Regierungsbündnis für nicht erfolgversprechend. Vor allem die Themen Energiepolitik und Modernisierung der Gesellschaft böten wenig Raum für gemeinsame Ansätze, sagte sie dem ARD-"Morgenmagazin". "Was könnte man tatsächlich voranbringen? Ich sehe das nicht mit der Union, die sich ja zurückentwickelt hat, was diese Themen angeht."
Ohne schwarz-grüne Koalition müssten sich die Grünen laut Göring-Eckhardt damit abfinden, dass sie in der kleinsten Oppositionsverantwortung sind: "Und da haben wir auch viel zu tun." Im neuen Bundestag stellen die Grünen die kleinste Fraktion. Die Grünen-Politikerin ergänzte im Hinblick auf ihre Kandidatur als Fraktionsvorsitzende, hinzu komme die geplante programmatische Neuausrichtung ihrer Partei, bei der sie mithelfen wolle.
Mit dieser Skepsis steht Göring-Eckhardt nicht allein da. Der Grünen-Chef Cem Özdemir geht von der Bildung einer großen Koalition aus. "Vorgezogene Neuwahlen sehe ich nicht als wahrscheinlich an", sagte er. Konzessionen der Union gegenüber den Grünen müssten "viel, viel größer sein" als gegenüber der SPD.
SPD ziert sich
Auch bei den Sozialdemokraten regen sich Bedenken im Hinblick auf eine Regierungszusammenarbeit mit den Unionsparteien. Die Sprecherin des linken SPD-Flügels, Hilde Mattheis, sagte der "Leipziger Volkszeitung", die SPD könne in einer großen Koalition am wenigsten durchsetzen. Denkbare Alternativen seien neben einer Neuwahl eine schwarz-grüne Koalition oder eine Minderheitsregierung. Auch eine rot-rot-grüne Koalition wäre "für mich kein Wortbruch".
Dagegen empfahl der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs, eine schwarz-grüne Lösung. "Ich glaube, dass jetzt die Grünen dran sind", sagte er im ARD-"Morgenmagazin". Im Sinne der Demokratie gehe das gar nicht anders: Andernfalls gäbe es 80 Prozent Regierung und nur 20 Prozent Opposition im Bundestag.
Die SPD will als nächsten Schritt am Freitag auf einem Parteikonvent, einem "kleinen Parteitag", ihr weiteres Vorgehen beraten. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sagte in einem TV-Interview, auf ihrem Parteikonvent werde die Partei deutlich machen, "mit welchen Grundforderungen sie überhaupt für Verhandlungen bereit ist". Mehrere SPD-Landespolitiker sprachen sich daneben für eine Mitgliederbefragung aus. "Die Mitglieder sollten beteiligt werden, um zu bewerten, ob das Ergebnis von Verhandlungen vertretbar ist", sagte das SPD-Vorstandsmitglied Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein.
Wohin steuert die Union?
Auch bei der Union ist noch keine einheitliche Linie in der Koalitionsfrage sichtbar. CSU-Chef Horst Seehofer nannte eine große Koalition von Union und SPD eine "Frage der Logik". Er erinnerte in der "Leipziger Volkszeitung" an die Rolle des Bundesrates bei der Gesetzgebung. Wenn CDU/CSU und Grüne im Bund eine Koalition schließen würden, hätten sie in der Länderkammer "keine einzige Stimme zusammen". Demgegenüber stellte CDU-Vize Armin Laschet eine breite Kompromissbereitschaft seiner Partei in Aussicht und schloss auch Schwarz-Grün nicht aus. "Natürlich werden wir in allen Themen kompromissbereit sein müssen, sonst kriegen wir keine Koalition hin". Im Rückzug Jürgen Trittins vom Grünen-Fraktionsvorsitz sieht Laschet ein positives Signal für mögliche Koalitionsgespräche. "Wenn die Grünen für die Zukunft personell und politisch neue Schwerpunkte setzen, erleichtert das Gespräche."
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ging derweil beim Thema Steuern auf die SPD zu. Er sagte, dass höhere Steuern Teil des Regierungsprogramms einer großen Koalition werden könnten. "Wir sollten jetzt schauen, wie die Gespräche laufen," sagte Schäuble der Wochenzeitung "Die Zeit". Er fügte aber hinzu, er sei "persönlich der Meinung, dass der Staat keine zusätzlichen Einnahmequellen benötigt".
Die Union hatte bei der Bundestagswahl am Sonntag nahezu die absolute Mehrheit erreicht, ist aber auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die FDP als bisheriger Bündnispartner scheiterte an der Fünfprozenthürde und wird nicht mehr im neuen Bundestag vertreten sein. Sowohl bei der SPD als auch bei den Grünen gibt es Vorbehalte gegen eine Koalition mit der Union im Bund. Mögliche Koalitionsverhandlungen könnten sich also hinziehen. Nach der Bundestagswahl 2005 dauerten die eigentlichen Verhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU 26 Tage, nachdem es zuvor bereits drei Wochen gedauert hatte, bis die Verhandlungen für eine Große Koalition überhaupt beginnen konnten.
Regierung: Wir sind handlungsfähig
Auch wenn derzeit offen ist, wie die nächste Bundesregierung aussehen wird - eines steht fest: Das neu gewählte Parlament muss sich spätestens 30 Tage nach der Wahl konstituieren. Bundestagspräsident Norbert Lammert schlug dafür den 22. Oktober vor - das wäre der letztmögliche Termin. Danach könnten sich die Parteien Zeit lassen. Denn das Grundgesetz erlaubt, dass die derzeitige Regierung nach der Konstituierung des Parlaments als geschäftsführende Regierung weiterarbeiten könnte. Dafür bedürfte es allein einer Beauftragung durch den Bundespräsidenten. Eine Frist für die Bildung einer neuen Regierung schreibt das Grundgesetz nicht vor.
Regierungssprecher Steffen Seibert versicherte vor in- und ausländischen Pressevertretern in Berlin, dass die derzeitige Bundesregierung voll arbeits- und handlungsfähig sei. Das wüssten auch "unsere europäischen und internationalen Partner", so Seibert. Und es sei auch kein Problem, dass derzeit noch Minister im Amt seien, die der nicht mehr im neuen Bundestag vertretenen FDP angehören, sagte der Regierungssprecher. Die jetzige Regierung sei erst dann nicht mehr im Amt, wenn eine neue gebildet sei.
Ein Sprecher des Finanzministeriums versicherte, alle europäischen Prozesse würden "laufen". Die Bälle lägen beispielsweise bei der Umsetzung einer europäischen Bankenaufsicht und der Diskussion eines Bankenabwicklungsmechanismus derzeit nicht im Feld der Bundesregierung.
kle/kas/det (dpa, rtr, afp)