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Grüne Erneuerung

Nina Werkhäuser24. September 2013

Nach dem mageren Wahlergebnis bei der Bundestagswahl bauen die Grünen ihre Führung um. Und sie arbeiten ihre Fehler im Wahlkampf auf. Eine Koalition mit der CDU/CSU ist für sie derzeit keine Option.

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Die Partevorsitzenden Claudia Roth and Cem Özdemir, die Spitzenkandiaten Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin nach der Wahlschlappe (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/dpa

In den vergangenen Jahren waren Wahlen für die Grünen immer eine schöne Selbstbestätigung: Wieder zugelegt, neue Wähler gewonnen, alles richtig gemacht! Das Selbstbewusstsein der Partei wuchs mit den Ergebnissen. In zwei Bundesländern knackte die einstige Außenseiter-Partei sogar die 20-Prozent-Marke, in Baden-Württemberg stellen sie den Ministerpräsidenten. Dieser Höhenflug ist seit dem Wahlsonntag zweifellos vorbei: Magere 8,4 Prozent holten die Grünen, deutlich weniger als bei der vorherigen Bundestagswahl.

Die Grünen sahen sich schon als dritte politische Kraft im Land, nun sind sie wieder die kleinste Fraktion im Bundestag und streuen viel Asche auf ihr Haupt: Sie hätten die Menschen mit ihren Themen nicht erreicht und im Wahlkampf strategische Fehler gemacht, bilanzierte die Parteispitze schon am Wahlabend geknickt. Die Fehler sollten nun "schonungslos analysiert werden", fordert Spitzenkandidat Jürgen Trittin. Er war zwar von den Mitgliedern in diese Funktion gewählt worden - der ehrgeizige Fraktionsvorsitzende vermochte es aber nicht, die grünen Themen im Wahlkampf geschickt nach außen zu vertreten.

Das Personalkarussell dreht sich

Renate Künast (Foto: dpa)
Will ins Bundestagspräsidium: Renate KünastBild: picture-alliance/dpa

Aus dem schwachen Wahlergebnis zog der starke Mann in der Partei Konsequenzen: Jürgen Trittin kündigte ebenso wie seine Co-Vorsitzende Renate Künast an, nicht mehr für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Beide sind Ende 50 und machen Platz für die darauf folgende Generation der Grünen, zu der Katrin Göring-Eckardt (47) gehört, ebenfalls Spitzenkandidatin bei der Wahl und bisher Vizepräsidentin des Bundestags. Sie hat einen starken Rückhalt in der Parteibasis, allerdings könnten auch ihr Fehler im Wahlkampf angekreidet werden.

Aber nicht nur die Fraktions-, auch die Parteispitze erneuert sich: Nach dieser "schweren und schmerzhaften Niederlage" werde sie nicht mehr für den Parteivorstand kandidieren, erklärte Parteichefin Claudia Roth. Die 58-Jährige war erst auf dem Parteitag im vergangenen November begeistert gefeiert und für zwei Jahre im Amt bestätigt worden. Mit ihr stellen sich der gesamte Bundesvorstand sowie der Parteirat auf dem nächsten Parteitag zur Wahl.

Roth, die für ihre offene und direkte Art in der Partei geschätzt, von manchen aber auch als "Nervensäge" kritisiert wird, zieht sich allerdings nicht aus der Politik zurück. Roth möchte gerne Vizepräsidentin des Bundestags werden, also eine der angesehenen Stellvertreterinnen des Bundestagspräsidenten. Renate Künast hat ebenfalls Ambitionen auf diesen Posten. Die beiden einflussreichen Grünen-Politikerinnen haben also eher einen Schach- als einen Rückzug vollzogen und könnten sich dabei noch ins Gehege kommen.

Auf die falschen Themen gesetzt

In einer ersten, schnellen Analyse ihres missglückten Wahlkampfs stellten die Grünen fest, dass sie mit dem Thema "Steuererhöhungen" ein hohes Risiko gefahren sind. Damit verprellten die Grünen genau jenes gutbürgerliche Milieu, in das sie weiter vorstoßen wollten. Auf ihrem Wahlparteitag hatte die Parteiführung noch stolz argumentiert, ihre Wähler würden es einsehen, dass der Staat für eine gute Bildungslandschaft oder Kinderbetreuung mehr Geld benötige. Das scheint aber nur bedingt der Fall gewesen zu sein.

Cem Özdemir, Sigmar Gabriel und Claudia Roth (Foto: dpa)
Vorsitzende Özdemir und Roth mit SPD-Chef Gabriel (M.) auf Grünenparteitag im April: Träume von Rot-GrünBild: picture-alliance/dpa

"Viele hatten das Gefühl, das sie belastet werden", beschreibt Parteichef Cem Özdemir die Reaktion der Wähler. Andere Grüne sind da kritischer: "Wir haben skeptische Wähler mit unserer trotzigen Art für blöd erklärt", sagte der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck dem "Spiegel". Er spricht damit einen Vorwurf an, den im Wahlkampf auch die politische Konkurrenz erhob: Die Grünen bevormundeten die Menschen und schrieben ihnen vor, wie sie zu leben hätten. Ein Beispiel war der Vorschlag, einen fleischlosen Tag pro Woche in Kantinen einzuführen. Auch jenseits allen Wahlkampfgeplänkels hat der Anwurf, eine "Verbotspartei" zu sein, die Grünen tief getroffen, weil ein Körnchen Wahrheit darin steckt.

Zur Unzeit, nämlich in der heißen Phase des Wahlkampfs, kam auch die Debatte über Pädophilie-freundliche Tendenzen in der Partei vor mehr als 30 Jahren hoch. Dieses Thema, das noch nicht restlos aufgearbeitet ist, wird ebenfalls noch einmal auf den Tisch kommen. Alles in allem waren die Grünen in diesem Wahlkampf getrieben, sie reagierten mehr als sie Themen aktiv setzten. "Aber wir sind eine lernfähige Partei", sprach Cem Özdemir den Grünen Mut zu.

Von Schwarz-Grün geht kein Zauber aus

In einem Punkt sind die Grünen sich weitgehend einig: In einer Koalition mit CDU und CSU sehen sie sich nicht. Die Grünen seien selbstverständlich bereit, Sondierungsgespräche zu führen, sagte Parteichefin Claudia Roth. "Aber wir sind nicht der Ersatz für einen abhandengekommenen Koalitionspartner für Frau Merkel." Inhaltlich seien die CDU und vor allem die CSU zu weit von den Grünen entfernt, sei es in der Energiepolitik, beim Mindestlohn oder bei der Gleichberechtigung. "Ich sehe da wenig Übereinstimmung", sagte Roth. Die Neuaufstellung ihrer Partei ist den Grünen jetzt erst einmal wichtiger.