Kaiser: "Deutschland muss auf Erneuerbare setzen"
13. Juli 2014Deutsche Welle: Wie sehen Sie Deutschlands Rolle bei den UN-Klimaverhandlungen zurzeit?
Martin Kaiser: Deutschland war in letzter Zeit nicht sehr aktiv. Das war eine große Enttäuschung, denn Deutschland war früher führend im Klimabereich. Die jetzige Regierung erlaubt aber neue Braunkohleabbauprojekte, weitere Emissionen von Kohlekraftwerken und schweigt weitgehend zum europäischen Flagschiffinstrument des Emissionshandels.
Umweltministerin Barbara Hendricks betonte aber bei den letzten Klimagesprächen in Bonn im letzten Monat, Deutschland werde sich stärker einsetzen und auch seine Emissionsziele einhalten.
Die Ministerin hat Erwartungen erweckt. Sie muss aber auch den Wirtschaftsminister Gabriel und Bundeskanzlerin Merkel überzeugen. Frau Merkel hat sich in letzter Zeit aus der Klimadebatte sehr stark zurückgezogen. Ein Problem ist, dass ihr Koalitionspartner, die SPD, nach wie vor die Kohleindustrie unterstützt. Die Zukunft liegt aber in 100 Prozent erneuerbarer Energie. Wir brauchen einen Plan, um Arbeitsplätze im Kohlesektor in Arbeitsplätze in den erneuerbaren Energien umzuwidmen. Stattdessen wird die Kohleindustrie weiter unterstützt.
Wie sieht es mit der Europäischen Union aus?
Europas Klima- und Erneuerbare-Ziele sind alles andere als ehrgeizig. Sie vernachlässigen die Notwendigkeit einer Wende in den politischen Rahmenbedingungen komplett. Die jetzigen Ziele würden nicht zu einem CO2-Preis führen, der einen echten Anreiz zur Investition in erneuerbare Energien statt in Kohlekraftwerke bieten würde.
Deutschland spielt hier keine gute Rolle, aufgrund der starken Unterstützung für den Kohlesektor. Länder wie Frankreich und Großbritannien verteidigen die Interessen der Kernkraftenergie. Das hindert sie daran, ehrgeizige Quoten für Erneuerbare zu setzen. In der Vergangenheit haben verbindliche Energieziele für Europa die Innovation in vielen Ländern vorangetrieben, in denen sehr viele Menschen davon profitierten, nicht nur einige Großkonzerne. Europa ist aber zurzeit in einer katastrophalen Situation. Das muss sich ändern.
Die nächste Weltklimakonferenz findet im Dezember in Peru statt. Welche Erwartungen haben Sie?
Wir brauchen mehr politische Signale auf der höchsten Ebene. Vorher hat noch der UN-Generalsekretär zu einem Klimagipfel in New York eingeladen. Dort erwarten wir sehr bedeutende Ansagen von China. Wir erwarten auch, dass der US-Präsident einige Länder zusammenbringen kann, die der Finanzierung von Kohlekraftwerken in Entwicklungsländern ein Ende setzen werden.
Wir erwarten auch, dass Länder wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien bedeutende Beiträge zum Grünen Klimafonds machen werden, der den Entwicklungsländern bei der Anpassung an den Klimawandel und die Minderung eigener Emissionen helfen soll.
Haben Sie Hoffnung, dass daraus etwas wird?
Hinter geschlossenen Türen geben Regierungen ganz klar zu, dass die Finanzierungsfrage in diesem Jahr geklärt werden muss. Sonst werden Länder wie China, Indien und Südafrika niemals eigene verbindliche Emissionsziele auf den Tisch bringen. Wir gehen davon aus, dass die Staatsoberhäupter von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA wissen, dass sie ein klares Signal geben müssen und in den Klimafonds einzahlen werden.
China und die USA haben angedeutet, dass sie sich verstärkt in den Klimaschutz einbringen werden. Was glauben Sie: Wie ernst meinen sie es?
Es sieht wirklich so aus, als würden die beiden größten Emittenten bei der Vorbereitung einer neuen Klimavereinbarung in Paris 2015 zusammenarbeiten. In China sehen wir, dass die Luftverschmutzung durch die Kohleverbrennung und den Straßenverkehr die politische Agenda bestimmt - in dem Land, in dem der CO2-Ausstoß in den letzten Jahren am höchsten war. Sie bereiten in der Tat mehr politische Entscheidungen vor, um die Kohleemissionen zu reduzieren und ein nationales Klimaziel festzulegen.
In den USA haben die verheerenden Stürme das Land erschüttert. Die überwiegende Mehrheit will die globale Erwärmung eindämmen, weil sie sonst keine sichere Zukunft für sich und ihre Kinder sieht. Präsident Obama hat den Klimawandel zur höchsten Priorität für seine restliche Amtszeit erhoben.
Sind die UN-Klimagespräche wirklich noch das Forum oder muss der Klimawandel anderswo angegangen werden?
Ohne, dass sich in den einzelnen Ländern etwas verändert, kann der Prozess kaum nach vorne gebracht werden. Was die UN-Verhandlungen aber liefern können, ist ein kollektiver Aktionsplan innerhalb einer kurzen Zeit, wo alle Länder ihre langfristigen Perspektiven und ihre kurzfristigen Emissionsziele defineren müssen. Außerdem müssen sie dort mit der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft zusammen einen Plan für die Zukunft ausarbeiten.
Wird die Zivilgesellschaft nicht zunehmend frustriert, weil sich in der Politik so wenig tut?
Viele Menschen sind böse und bereit, selbst aktiv zu werden. Wenn wir mit Menschen in China reden, die unter der Luftverschmutzung leiden, mit Menschen in ländlichen Gebieten, die an Hitzewellen leiden, Leuten rund um die Welt, die an der Küste wohnen und durch Stürme und Überflutungen betroffen sind, dann merkt man, dass sie für das Klimaproblem Lösungen sehen wollen. Es gibt eine wachsende Anzahl an Initiativen und immer mehr Firmen, die sich für eine Zukunft mit 100 Prozent erneuerbarer Energie einsetzen. Wir hoffen, dass immer mehr Städte und Regierungen dazu kommen werden, um in Paris ein starkes Signal zu geben. Die Wende hat bereits begonnen - im großen Stil.
Der Petersberger Klimadialog findet vom 14. bis 15. Juli in Berlin statt. Der peruanische Präsident und der peruanische Umweltminister werden teilnehmen. Peru richtet die nächste Weltklimakonferenz im Dezember aus.
Das Interview führte Irene Quaile.