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Stressjob Bundestrainer: "Trotzdem genießen"

19. September 2023

Das Bild ging um die Welt: Gordon Herbert gewann mit den deutschen Basketballern sensationell den WM-Titel und musste sich danach erstmal setzen. Im DW-Interview spricht er über die mentale Belastung als Bundestrainer.

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Screenshot vom TV-Sender magentasport
Glücklich und erschöpft: Basketball-Bundestrainer Gordon Herbert nach dem Gewinn des WM-Titel gegen Serbien in ManilaBild: magentasport

DW: Wir alle haben das Bild von Ihnen gesehen, wie Sie direkt nach dem WM-Finale in Manila auf dem Boden saßen. War es der Druck, der mit dem Titelgewinn verschwunden ist? 

Gordon Herbert: Eigentlich war ich auf der Suche nach einem Stuhl, auf den ich mich setzen konnte, aber ich konnte keinen Stuhl finden. Also setzte ich mich einfach auf den Boden. Mein ganzer Körper wurde ein wenig taub. Und ich wollte einfach aus irgendeinem Grund nicht mehr stehen. Es war einfach irgendwie schwer, alles zu verstehen. Ehrlich gesagt weiß ich wirklich nicht, was passiert ist. Ich musste mich nur ein wenig sammeln und ich wollte den Moment wirklich genießen, weil es ein unvergesslicher Moment war.

Wie gehen sie mit dem Druck um, der auf ihnen als Trainer lastet? 

Ich setze mich selbst mehr unter Druck, als von außen kommt. Den Spielern sage ich immer: Wenn wir etwas tun, dann als Profis mit hohem Anspruch, oder wir lassen es bleiben. Über diesen Grundsatz hinaus gilt, dass wir versuchen, die Situation zu genießen. Als ich jünger war und als Coach angefangen habe, hat es mir nicht so viel Freude gemacht wegen des Erfolgsdrucks. Ich konnte nach Niederlagen ein, zwei Nächte nicht schlafen. Das ist mit den Jahren besser geworden. Inzwischen versuche ich, es zu genießen - den Prozess positiv zu gestalten und es den Spielern angenehm zu machen. Es geht darum, den Moment zu genießen und daran erinnere ich mich auch immer wieder selbst. Als Coach konzentriere ich mich heute mehr auf den Prozess: Wie möchte ich coachen? Wie will ich die Dinge angehen? Viel weniger spielt inzwischen für mich das Ergebnis eine Rolle, also ob wir verlieren oder gewinnen. Das allein baut schon sehr viel Druck ab. 

Wie bauen sie Stress ab?

Während der Weltmeisterschaft habe ich jeden oder jeden zweiten Tag etwas Sport gemacht. Ich bin um sechs Uhr aufgestanden, habe meinen Kaffee getrunken und war dann eine Stunde trainieren. Das hilft mir beim Nachdenken, baut Stress ab und hilft mir, mich auf den Tag vorzubereiten. Abends, bevor ich schlafen gehe, schreibe ich die Dinge auf, die ich noch im Kopf habe, über die ich nachts dann nicht mehr nachgrübeln muss und die meinen Schlaf stören. 

Wie gehen Sie mit Schwierigkeiten um, mit Situationen, in denen es nicht möglich ist den Moment "zu genießen"? 

Ich glaube fest daran, dass Probleme dazugehören. Widrigkeiten sind gut. Konflikte sind gut. All das gibt uns die Chance, zu wachsen. All das gibt uns die Chance, als Team zusammenzukommen. All das gibt uns die Chance, als Basketballmannschaft besser zu werden. Und ich denke, ohne Widrigkeiten, ohne Konflikte, ohne schwere Zeiten zu durchleben, kommt man nicht dort an, wo man hin will.

Sie haben Sportpsychologie studiert. Inwiefern hilft Ihnen das als Coach? 

In meiner Zeit als kanadischer Nationalcoach habe ich mit einem Sportpsychologen namens Peter Jensen zusammengearbeitet, der mir wirklich geholfen hat. Ich war ein strenger Verfechter des Teamgedankens, wollte immer, dass sich jeder Einzelne unterordnet. Er war es, der mir klar gemacht hat, dass es innerhalb einer Mannschaft auch starke Individuen braucht. In unserem Fall zum Beispiel Dennis Schröder. Darüber hinaus bin ein großer Verfechter davon, Ziele festzulegen. Das können Leistungsziele sein, die täglich wechseln, aber auch ein übergeordnetes Ziel, auf das wir hinarbeiten. Mir geht es darum, eine Identität zu schaffen, die wir als Team spüren. Bei der WM bestand unsere Teamidentität aus Beharrlichkeit, Kommunikation, Zusammenhalt - diesen drei Dingen. Und die Spieler haben das tatsächlich gelebt. So etwas zu schaffen ist für mich eines der wichtigsten Dinge, die wir tun.

Gordon Herbert (rechts) und sein Kapitän Dennis Schröder während des Finales der Basketball-WM 2023 zwischen Serbien und Deutschland.
Der Bundestrainer und sein Kapitän: Gordon Herbert und Dennis Schröder Bild: Nicholas Muller/ZUMAPRESS/picture alliance

Was ist der Unterschied zwischen Vereins- und Bundestrainer?

Es ist ein großer Unterschied. Drei Dinge sind entscheidend: Erstens muss man als Bundestrainer Beziehungen zu den Spielern aufbauen. Ich möchte ein Verhältnis haben, in dem Vertrauen und Respekt herrschen. Das will ich zuallererst mal den Spielern entgegenbringen und hoffe darauf, dass es auch zurückkommt. Zweitens geht es darum, die besten Spieler dabei zu haben, die sich dann auch wirklich aufopfern. Drittens müssen die Spieler dann auf sich achten und in guter körperlicher Verfassung erscheinen, da wir bei der Nationalmannschaft gar keine Zeit für einen Formaufbau haben. Das ist als Trainer einer Vereinsmannschaft völlig anders. Da höre ich weit weniger auf die Spieler und spreche vielleicht mal mit dem Kapitän, Außerdem hat man da fünf Wochen Trainingslager, bevor du ein Spiel bestreitest. Beim Nationalteam hingegen umfasst der gesamte Zeitplan eines Jahres vielleicht gute fünf Wochen. 

Wie Sie wissen, ist Deutschland auf der Suche nach einem neuen Fußball-Nationaltrainer. Der muss, vielleicht anders als im Basketball, sofort mit riesigem Erwartungsdruck fertig werden. Ist das eine schwierige Situation? 

Nein. Ich denke, es ist eine großartige Gelegenheit. Die Nationalelf ist im Moment am Boden und aus dieser Misere gibt es schließlich nur einen Ausweg - nach oben! Dazu kommt, dass die EURO nächsten Sommer in Deutschland stattfindet. Das ähnelt meiner Situation im vergangenen Jahr, als wir die Basketball-Europameisterschaft in Deutschland gespielt haben. Ich denke, es ist einfach eine enorme Chance für jeden Trainer, der diese Aufgabe übernimmt. 

Gordon Herbert ist seit 2021 Bundestrainer der deutschen Basketballer. 2022 gewann er mit dem Team EM-Bronze und führte die Mannschaft Anfang September 2023 zum ersten WM-Titel. Der 64-Jährige wurde in Kanada geboren und hat einen Uni-Abschluss in Sportpsychologie. Als Basketballer war er in Finnland und Belgien aktiv. Als Trainer betreute er über 20 Jahre lang verschiedene Vereine in Deutschland und Europa. Darüber hinaus coachte er zuvor die Nationalteams von Kanada und Georgien. 

Das Interview führte Jens Krepela.

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Jens Krepela Redakteur, Reporter, Autor