Feidman schenkt Jüdischem Museum eine Klarinette
27. Juli 202286 Jahre ist er alt, aber an Ruhestand denkt er noch lange nicht - denn Gioria Feidman kann ohne Musik nicht leben. Für ihn ist sie eine Art der Verständigung über alle Barrieren hinweg: Religionen, Kulturen, Hautfarben oder Traditionen. "Bei der Musik geht es immer um Gefühle, sie weckt das Beste in uns", schreibt er in seinen 2021 erschienen Memoiren "Klang der Hoffnung".
Ein Instrument von Herzen
Nachdem die Corona-Pandemie ihn ausgebremst hatte, ist Feidman jetzt wieder auf den Bühnen der Welt unterwegs: Seine "Friendship Tour" führte ihn am Dienstag auch in die deutsche Hauptstadt, wo er dem Jüdischen Museum Berlin (JMB) seine kostbare Klarinette vermachte. "Sie hat einen wunderschönen, üppigen und vollen Ton. An der klanglichen Weiterentwicklung des Modells war ich selbst beteiligt", schwärmt er von dem Instrument, das er 2018 bauen ließ.
Wie sehr ihm seine Klarinetten am Herzen liegen, weiß jeder, der Feidman spielen hört. Ach was, er spielt nicht, er lebt sein Instrument: Es jubiliert, schmachtet, flüstert oder stöhnt. Die Töne tänzeln in schwindelerregenden Höhen, stürzen dann in die Tiefe und enden in plapperndem Lamento. In seinen Memoiren verrät er, dass sein erster Griff morgens der Klarinette gilt. "Ich will an jedem Morgen aufs Neue herausfinden, was heute an Überraschungen in ihr steckt. Ich packe sie aus, gebe ihr einen Kuss, und dann beginne ich zu spielen. Meine Frau ist deswegen übrigens nicht eifersüchtig - sie weiß, dass der Kuss meine Dankesgeste gegenüber meinem Instrument ist: Dank dafür, was sie mir alles schon an Erlebnissen und unvergesslichen Momenten ermöglicht hat."
Der Mann, der Klezmer weltberühmt machte
Feidman wurde 1936 als Sohn jüdischer Einwanderer aus Bessarabien (heute Republik Moldau), die um 1905 vor Judenpogromen flohen, in Buenos Aires geboren. 1956 wanderte er nach Israel aus und startete von dort aus seine beispiellose Karriere. Er machte die Klezmer-Musik weltberühmt, und irgendwann wurde auch Hollywood aufmerksam auf den Virtuosen an der Klarinette. 1993 spielte Feidman zusammen mit dem Geiger Itzhak Perlman die Oscar-prämierte Musik zu Steven Spielbergs Holocaust-Drama "Schindlers Liste" ein.
Musikalische Mission
Auf das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden angesprochen, sagte er einmal in einem Interview mit dem Katholischen Nachrichtendienst: "Der heilende Prozess zwischen Juden und Deutschen ist zu Ende. Wir leben in der Gegenwart, und die ist Einheit. Was nicht heißt, dass wir die Vergangenheit vergessen sollen." Jeden Gedanken an eine deutsche Kollektivschuld für den Holocaust oder gar eine Schuld der Nachgeborenen lehnt er ab. "Wir fühlen uns als Gesellschaft verantwortlich, schämen uns als Menschen, dass so etwas passieren konnte, aber nicht als Deutsche oder als Juden." Jetzt also hat Giora Feidman seine Klarinette dem Jüdischen Museum in Berlin übergeben: "Ich schenke dem JMB dieses wertvolle Instrument, weil ich den Auftrag und die Arbeit dieses besonderen Hauses unterstützen möchte. Der Besuch der neuen Dauerausstellung im vergangenen Jahr hat mich tief berührt."
Feidmann löste Klezmer-Boom aus
Museumsdirektorin Hetty Berg freut sich sehr über die kostbare Gabe: "Feidman hat in Deutschland einen Klezmer-Boom ausgelöst. Eine ganze Generation verband mit seiner Klarinettenmusik 'das Jüdische', auch wenn es sich beim Klezmer um eine musikalische Tradition handelt, die zunächst nichts mit dem deutsch-jüdischen Erbe zu tun hatte und erst durch das Revival damit verknüpft wurde." Seine Klarinette, so Berg weiter, ergänze die Sammlung damit um ein Musikinstrument, das nicht nur für eine jüdische Musikrichtung, sondern auch für ein Wiederaufleben jüdischer Kultur in Deutschland stehe.
Das JMB stellt die Klarinette im Segment "Das jüdische Objekt" aus. Dort geht es es um die Frage, was eigentlich das "Jüdische" an einem Objekt ist oder sein könnte. "Feidmans Klarinette passt sich hier perfekt ein", so Hetty Berg. "Was ist jüdisch an einer Klarinette? Zunächst einmal nichts - aber durch Feidmans Musik und seine musikalische Mission wird sie jüdisch."