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Gauck: "Entwicklung zum Guten ist möglich"

Claus Stäcker3. Februar 2015

Vier Tage lang reist Bundespräsident Gauck durch Tansania. Trotz Sorgen um die Presse- und Versammlungsfreiheit gilt das Land als verlässlicher Partner. Neuerdings sogar mit echten wirtschaftlichen Perspektiven.

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Gauck in Tansania 03.02.2015 Dar es Salam Foto: Mohammed Khelef/ DW
Bild: DW/M. Khelef

Bei den drei Stufen hinauf aufs Podest kommt Bundespräsident Joachim Gauck ins Straucheln - eine Schrecksekunde nur, dann steht er sicher neben seinem Gastgeber Präsident Jakaya Kikwete und lässt den Blick über die tansanische Ehrenformation hinweg aufs Meer vor Dar es Salaam schweifen. Da sei ihm der Gedanke gekommen, so Gauck später, "mit welchen Blicken, mit welchen Gefühlen und mit welchen Hymnen wohl einst die deutschen Vorfahren zu Kaiserzeiten an dieser Stelle gestanden haben mögen", als sie hier die Kolonie Deutsch-Ostafrika aufbauten. "Wir haben uns angeschaut und gefunden, dass es doch gut ist, dass wir uns heute in dieser Weise anschauen, als Partner und Freunde. In einer so geänderten Welt und das zeigt uns: Entwicklung zum Guten ist möglich", sagt der Bundespräsident später der Presse.

Gauck in Tansania mit Präsident Kikwete wird bejubelt Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Herzlicher Empfang: Bundespräsident Gauck mit Tansanias Staatsoberhaupt Kikwete in Dar es SalaamBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Das State House, der Präsidentensitz Kikwetes, wurde vor gut einem Jahrhundert vom deutschen Architekten Friedrich Gurlitt für die deutschen Kolonialherren gebaut. Tansania scheint also mit dem Kapitel seinen Frieden gemacht zu haben. In den bilateralen Gesprächen seien die "dunklen Seiten des Verhältnisses" kein Thema gewesen, so Gauck. Wohl aber die hellen. "Das Tansania von heute wäre ohne den Entwicklungsbeitrag Deutschlands nicht möglich gewesen", schwärmte Kikwete - immerhin sind in gut 50 Jahren fast zwei Milliarden Euro vond der deutschen Regierung nach Tansania geflossen. Doch nach der Entwicklungszusammenarbeit, "die hochwillkommen sei", so Kikwete, müsse nun die wirtschaftliche Kooperation vorangetrieben werden. Derzeit seien rund 150 deutsche Firmen in Tansania vor Ort, das Investitionsvolumen bezifferte der Staatschef auf rund 300 Millionen Euro. "Deutschland kann mehr tun. Drei Milliarden Euro, vielleicht sogar 30 Milliarden Euro. Wir haben einen großen Investitionshunger. Wir können das gut verdauen."

Investitionen in Milliardenhöhe

Bei der zweiten Afrikareise des Bundespräsidenten hat er deshalb auch zum ersten Mal eine ansehnliche Wirtschaftsdelegation dabei, die Chancen in Ostafrika sucht. Dafür können Unternehmen seit Jahresbeginn in Tansania konkret Hermes-Bürgschaften des Bundes bekommen, also auf Versicherungsschutz der Investition durch die Bundesregierung.

Ganz vorn, was das Geschäft angeht, ist der Essener Konzern Ferrostaal, der in einem Konsortium gemeinsam mit der tansanischen Öl-Entwicklungsgesellschaft TPDC (Tanzanian Petroleum Development Corporation) einen Düngemittelkomplex aufbauen will - Investitionssumme angeblich eine Milliarde Euro. In den tansanischen Medien wurde die Nachricht bereits offiziell verkündet, nur bürokratische Hürden hätten die Unterzeichnung noch etwas aufgehalten, erklärte Präsident Kikwete. "Wenn alles gut geht, sollten wir die glückliche Nachricht noch vor der Abreise bekommen. Wir sollten noch Zeugen der Vertragsunterzeichnung werden", sagt Kikwete. "Das wäre mein glücklichster Augenblick".

Wirtschaftsdelegation besucht ein Gaswerk in Tansania, Foto: Kizito Makoye (DW)
Tansania hoffe auf deutsche Investoren - zum Beispiel in der ErdgasförderungBild: DW/K. Makoye

Gebrauchen kann Kikwete die gute Nachricht. Seine zweite Amtszeit geht dieses Jahr zu Ende, die Verfassung sieht keine Verlängerung vor. Bislang ist kein Nachfolger auserkoren und die seit der Unabhängigkeit 1961 regierende Revolutionspartei CCM scheint vor einem heftig diskutierten Verfassungsreferendum im April und allgemeinen Wahlen im Oktober zunehmend nervös zu werden. Vor wenigen Tagen prügelte die Polizei eine angemeldete, aber nicht genehmigte Demonstration der Oppositionspartei Civic United Front (CUF) nieder und nach CUF-Angaben wurden 33 Anhänger verhaftet. Kikwete kommentierte das lakonisch: Es gebe Gesetze, die das Demonstrationsrecht in Tansania regelten. "Man kann nicht einfach losgehen und demonstrieren - das ist ein Gesetzesverstoß. Und genau das ist passiert."

Voll besetzte Polizeifahrzeuge fahren zu einem Einsatz gegen eine Demonstration Copyright: DW/H. Bihoga
Bei einer Demonstration der Oppositionspartei CUF (28.01.2015) zeigte der Staat HärteBild: DW/H. Bihoga

Kikwete: Bürokratische Hürden der Pressefreiheit

In einen ähnlichen Zusammenhang stellte Präsident Kikwete das jüngste Veröffentlichungsverbot der kenianischen Wochenzeitung East African in Tansania. Nach kritischen Berichten der Zeitung stellten die tansanischen Behörden plötzlich fest, dass die Lizenz ungültig sei. 20 Jahre hatten die Medienwächter sie nicht beanstandet. Der East African darf vorerst nicht mehr erscheinen. Kikwete verteidigte das Vorgehen. "Sie haben inzwischen eine formelle Registrierung beantragt und der Vorgang befindet sich damit in den Händen der zuständigen Behörde. Das ist alles, was ich dazu sagen kann", meinte Kikwete knapp. "Der Punkt ist nicht, dass wir die Medienfreiheit beschränken. Dieses Land hat so viele Zeitungen und nur ein oder zwei davon gehören der Regierung."

Bundespräsident Gauck bezeichnete die Freiheit der Medien und Bürger als Werte, die Deutschland bei seinen Partnern unterstütze, erkannte aber große Fortschritte, die Tansania auf diesem Wege gemacht habe. In der Abwägung zählt für Deutschland wohl zuerst der verlässliche Partner Tansania, der Terroristen entschlossen bekämpft, eine führende Rolle im Regionalbündnis der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) spielt und sich im Südsudan und in der Demokratischen Republik Kongo auch militärisch engagiert. In Zeiten wie diesen, sagte ein Mitglied der deutschen Reisedelegation anonym, dürfe man nicht zu wählerisch sein. Sonst habe man irgendwann gar keine Partner mehr.