Gasriesen Linde und Praxair dürfen fusionieren
22. Oktober 2018Linde und Praxair dürfen sich zum größten Industriegase-Konzern der Welt zusammenschließen. Als letzte gab am Montag die US-Kartellbehörde Federal Trade Commission (FTC) grünes Licht für die 75 Milliarden Euro schwere Fusion der beiden Anbieter von Sauerstoff und Helium.
Damit der Wettbewerb um Kunden in Industrie und Gesundheitswesen gewahrt bleibt, müssen beide Konzerne aber große Teile ihres Geschäfts an Konkurrenten verkaufen.
Das Münchner Traditionsunternehmen hatte schon im Juli bekanntgegeben, dass sein Massengeschäft in den USA sowie in Kanada und Südamerika an den hessischen Gasekonzern Messer und den Finanzinvestor CVC verkauft werden. Den US-Kartellwächtern war das aber zu wenig. Deshalb besserte Linde nach.
Praxair wiederum verkauft sein Europageschäft an den japanischen Konkurrenten Nippon Sanso. Die US-Kartellbehörde fürchtete unter anderem eine marktbeherrschende Stellung des fusionierten Konzerns bei flüssigem Sauerstoff, flüssigem Kohlendioxid und flüssigem Stickstoff.
Großzügige Fristverlängerung
Um noch Zeit für den geforderten Verkauf von Unternehmensteilen zu haben, vereinbarten die Konzerne mit der FTC einen Kunstgriff: Linde muss den Verkauf seiner Amerika-Aktivitäten erst bis zum 29. Januar unter Dach und Fach bringen. Bis dahin sollen die Fusionspartner ihre Geschäfte noch unabhängig voneinander weiterführen.
Gleichwohl soll der vereinbarte Umtausch der Aktien beider Konzerne in Anteilsscheine der neuen Linde plc bereits am 31. Oktober erfolgen. Während Praxair-Titel eins zu eins umgetauscht werden, erhalten Linde-Aktionäre jeweils 1,54 neue Aktien. Alle drei Aktien legten am Montag deutlich zu.
Geburt eines Gasgiganten
Die US-Wettbewerbshüter hatten alle Beteiligten auf die Folter gespannt, weil die aktienrechtlich erlaubte Frist für die Fusion am 24. Oktober abläuft. Linde und Praxair wollen gemeinsam den französischen Rivalen Air Liquide übertrumpfen und weltgrößter Hersteller von Industriegasen werden.
Die EU-Kommission hat bereits ihre Zustimmung erteilt. Gemeinsam würden der Münchner Traditionskonzern und sein US-Konkurrent Praxair ein Viertel des Weltmarkts beherrschen - mit rund 80.000 Mitarbeitern und gut 24 Milliarden Euro Jahresumsatz.
IG-BCE: "Das rechnet sich nicht!"
"Mit der fusionskontrollrechtlichen Freigabe durch die FTC sind alle Bedingungen für den Vollzug des Unternehmenszusammenschlusses eingetreten", teilte Linde mit. Der deutsche Konzern und sein Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle hatten das Vorhaben seit Jahren in mehreren Anläufen gegen alle Widerstände vorangetrieben. "Die Fusion von Linde und Praxair ist ein überzeugender und zukunftsweisender Zusammenschluss, mit dem sich einzigartige Möglichkeiten für unsere Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter eröffnen", erklärte Reitzle am Montag.
Scharfen Widerspruch erntete Reitzle von den deutschen Gewerkschaften. Wegen der Kartellauflagen und der den Aktionären versprochenen Kostensenkungen seien deutlich mehr Stellen gefährdet als bisher befürchtet, erklärten IG Metall und IG BCE. "Dieser Zusammenschluss rechnet sich nicht - weder für die Aktionäre, noch für die Beschäftigten, noch für den Industriestandort Deutschland", sagte IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis. Deutsche Arbeitnehmer hatten auch dagegen protestiert, dass der fusionierte Konzern seinen Sitz in Irland haben soll, so dass deutsche Mitbestimmungsrechte nicht mehr gelten.
Umzug nach Irland: Der Steuern wegen natürlich
Das neue Unternehmen soll zwar nach wie vor Linde heißen, doch als Chef vorgesehen ist der Praxair-Vorstandsvorsitzende Steve Angel. Er soll den Konzern künftig von Danbury in den USA aus führen. Unternehmenssitz soll die irische Hauptstadt Dublin werden - dort sind die Steuern niedriger.
Reitzle soll Aufsichtsratschef des neuen Weltmarktführers werden. Er hatte die Fusion gegen den heftigen Widerstand der Arbeitnehmer im Linde-Aufsichtsrat vorangetrieben.
dk/uh (rtr, dpa, afp)