Galgenhumor gegen das Regime
29. Mai 2013Es sind nicht viele, aber es gibt sie. Die Komiker, die die heftigen Druckmittel ihrer Regierung aushalten. Einer von ihnen ist besonders standhaft. Humor ist sein Schutzschild und seine Waffe. Der Komiker Zarganar aus Burma, heute Myanmar, erlebte härteste Strafen während der Militärdiktatur, die von 1962 bis 2010 in seinem Land herrschte. Bis heute liebt ihn das Volk für seine scharfsinnigen Witze. Derzeit initiiert er ein Institut für Kunst, Kultur und Medien, das auch andere Komiker fördern soll.
"Zarganar", mit bürgerlichem Namen Maung Thura, bedeutet "Pinzette". Er zwickte jahrzehntelang an der Militärjunta herum: "Sagt ein Amerikaner: Bei uns hat ein einbeiniger Mann den Mount Everest bestiegen. Sagt ein Engländer: Bei uns ist kürzlich einer ohne Arme durch den Atlantik geschwommen. Sagt ein Burmese: Das ist noch gar nichts! Bei uns regiert ein Herrscher seit 18 Jahren ohne Hirn!" Für Witze wie diesen erhielt Zarganar 2008 zunächst eine Haftstrafe von 59 Jahren. Auch in den Jahren zuvor erhielt er Bühnenverbote, Haftstrafen, erlebte Folter und Gewalt. Doch er hörte nie auf, über die Regierung zu lachen. Und sein Lachen steckt an. Sogar in Ketten gelegt, auf dem Weg ins Gefängnis, macht er vor seinen Fans, die sich vor dem Gefängnis versammelt hatten, Scherze.
Eine lachende Rebellion
Heute ist Zarganar weltbekannt, einer seiner Unterstützer und Freunde ist der deutsche Comedian Michael Mittermeier. Als er damals von dem Schicksal Zarganars erfuhr, packte er seine Sachen und reiste nach Myanmar. Dort drehte er zusammen mit Regisseur Rex Bloomstein einen Dokumentarfilm über Zarganar. "Er fragte mich, ob ich einen Kollegen unterstützen möchte, der für seine Witze in den Knast gesteckt wurde. Ich habe, ohne zu zögern, ja gesagt." Mittermeier und Bloomstein reisten zusammen zum Gefängnis, in dem Zarganar saß. Doch dann wurden ihre Kameras entdeckt und sie wurden gezwungen, wieder auszureisen. Damals verlor Mittermeier fast die Hoffnung, dass Zarganar wieder freigelassen würde. "Dass er dann so früh freikam, war für uns ein Wunder", sagt er heute. Mit der Unterstützung von Amnesty International 2011 wurde Zarganar aus dem Gefängnis verlassen. Und scherzte und rebellierte weiter.
Lachen stärkt das Volk
Warum müssen Komiker in autoritären Systemen derart leiden? Wie kann ein Witz für eine derartige Reaktion sorgen? Der Soziologe Prof. Anton C. Zijderveld ist mit seinem Werk "Soziologie des Humors" bekannt geworden. Er hat untersucht, was Humor für eine Rolle in einer Gesellschaft spielt. "Der Humorist nimmt die Werte einer Gesellschaft und spielt damit. Das erzeugt Spannung, dadurch entsteht der Witz." Das Spiel mit den starren Werten eines Regimes gleicht dem Spiel mit dem Feuer. Nach Ansicht von Zijderveld kann politischer Humor eine Gesellschaft zwar nicht verändern. Aber: "Der psychologische Effekt von Humor ist wichtig. Deswegen wird Humor in einem Regime so hart bestraft, weil man die Stärkung der Opposition verhindern will."
Klagen, Verhöre und Folter gegen Komiker
In Ägypten ist es der Satiriker Bassem Youssef, der das Volk über die Regierung lachen lässt. Youssef hatte schon die Militärführung Hosni Mubaraks in einer Youtube-Show parodiert. Heute nimmt er Mohammed Mursis Regierung in seiner TV-Show "Al Barnameg" ("Das Programm") in die Mangel. Bis heute wird er regelmäßig angezeigt und verhört. Die Begründung: Youssef würde mit seinen Witzen den Islam beleidigen.
Die syrische Regierung geht noch weiter. Der Karikaturist Ali Ferzat wurde 2011 von Schlägern des Regimes heimgesucht und gefoltert. Sie brachen ihm die Finger, um ihm eine "Lektion" zu erteilen und warfen ihm vor, mit seinen Zeichnungen Präsident Bashar al-Asad beleidigt zu haben. Eines konnten sie Ferzat aber nicht austreiben: das Lachen. Seitdem seine Hände verheilt sind, zeichnete er mehr als je zuvor. Mittlerweile lebt er im Exil in Kuwait.
Die Geheimwaffe eines jeden Komikers
Nur wenige Menschen auf der Welt haben die Stärke und das Talent, ein Volk über einen schrecklichen Sachverhalt zum Lachen zu bringen. Der Kabarettist Fatih Cevikkollu hat größten Respekt vor seinen Kollegen im Ausland, die ihren Humor so mutig gegen das Regime einsetzen: "Lachen ist die schönste Form, Zähne zu zeigen. Und es gibt nur wenige, die Widerstand leisten, weil sie sich das Denken nicht verbieten lassen und die menschlichen Werte höher halten, als die Doktrin des Regimes."
Cevikkollu nimmt in seinem Programm die deutsche Regierung scharf unter die Lupe. Aber das hat keine negativen Konsequenzen. "In anderen Ländern ist das deutlich schwieriger, in der Türkei zum Beispiel, da können politische Kommentare über das System gefährlich sein, weil man da inhaftiert oder bedroht wird oder beides."
Wenn Witze verboten werden
Doch auch der stärkste Galgenhumor nimmt irgendwann ein Ende: "Wenn es wirklich streng wird, wenn Menschen leiden, dann nimmt der Humor auch ab. In totalitären Systemen wie Nordkorea zum Beispiel wird politischer Humor völlig unterbunden, da gibt es das gar nicht", sagt Soziologe Zijderveld.
In China bewegen sich Karikaturisten mittlerweile anonym im Netz, vermerken unter ihren Zeichnungen nicht einmal ihren Künstlernamen. So auch der bekannte Internet-Karikaturist "Fengxie" ("Verrückte Krabbe"), der den Web-Zensoren immer wieder entkommt. Denn es gibt noch kein Computerprogramm, was gezeichnete Witze aufspüren kann.
Die wertvolle Kunst des Humors
Der burmesische Komiker Zarganar hatte Glück. Mit seiner Satire hat er über Jahrzehnte hinweg Mut bewiesen. Nach seiner Freilassung traten Mittermeier und er gemeinsam in London, Berlin und Dublin auf und scherzten über die Absurditäten und Widersprüchlichkeiten des burmesischen Regimes. Heute steht Myanmar am Anfang eines Demokratisierungsprozesses. Zarganars Kulturinstitut soll die Kunst des Humors anderen vermitteln, denn sie ist wichtig für jede Gesellschaft. Komiker können sie zwar nicht einfach ändern, so Mittermeier, "aber wir können Missstände anprangern und Diskussionen auslösen. Und das ist ja auch schon etwas wert."