G7-Gipfel Elmau: Und was ist mit dem Klimaschutz?
28. Juni 2022Am letzten Tag des G7-Gipfels waren die Hitze und die Sonne verschwunden. Dunkle Wolken legten sich über die imposante Bergkulisse rund um Schloss Elmau und gaben dem abschließenden Auftritt des Bundeskanzlers atmosphärisch etwas Düsteres. Es passte zu dem, was Olaf Scholz zu berichten hatte. "Vor uns liegt eine Zeit der Unsicherheit", sagte der Kanzler mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und seine Folgen. "Wir sind nicht in der Situation, in der man das Ende absehen kann."
Es sei eine "lange Strecke", auf die man sich einstellen müsse - und das hat Konsequenzen für alles und jeden. Auch für das Ergebnis des Gipfels unter deutscher G7-Präsidentschaft.
Signal der Geschlossenheit
Zwar sprach der Kanzler von "intensiven und sehr konstruktiven" Tagen und verwies noch einmal darauf, dass das Treffen "ein wichtiger Gipfel in einer besonderen Zeit" gewesen sei. Von den Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industrienationen sprach er als "engen Freunden und Verbündeten", die vom Gipfel ein Signal der Geschlossenheit ausgesendet hätten. "Das habe ich ganz konkret gespürt in Elmau."
Doch große politische Fortschritte und erhebliche Verbesserungen sucht man im Abschluss-Kommuniqué des G7-Gipfels vergeblich. Es sind nur Kleinigkeiten und Zwischenschritte, die aus Elmau zu vermelden sind.
Mit 4,5 Milliarden Dollar den Hunger bekämpfen
Das gilt vor allem für den Klimaschutz, der im Kommuniqué auf der Liste der "maßgeblichen Herausforderungen unserer Zeit" erst auf Seite zwei ganz unten auftaucht. Davor geht es um die Verurteilung Russlands, die Unterstützung der Ukraine, die Sanktionen gegen Russland, die Weltwirtschaft, die Energieversorgung und die globale Ernährungssicherheit.
Durch den Krieg fallen Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine aus. Mehr als 800 Millionen Menschen sind weltweit akut von Hunger bedroht. 4,5 Milliarden Dollar wollen die sieben großen Industrienationen aufbringen, um die Ernährung zu sichern. Doch reicht das? Das chronisch unterfinanzierte Welternährungsprogramm beziffert seinen aktuellen Mehrbedarf auf rund 28 Milliarden US-Dollar.
Beschlüsse sind "Blendwerk"
Die von den G7 zugesagten Finanzhilfen seien viel zu gering, um die globale Nahrungsmittelkrise zu beenden, urteilt die Hilfsorganisation Oxfam. "Die Beschlüsse des Gipfels von Elmau sind Blendwerk, das vom historischen Versagen der G7 ablenken soll." Auf jeden Dollar an Hilfsgeldern kämen zwei Dollar, die einkommensschwache Länder an ihre Gläubiger zahlen müssten. "Die G7 hätten sich darauf verständigen müssen, dass diese Schulden gestrichen werden sollen. Doch nichts dergleichen ist passiert."
Wenig geschehen ist auch beim Klimaschutz. Deutschland, das dieses Jahr in der Gruppe der sieben großen demokratischen Industrienationen den Vorsitz hat, wollte den Kampf gegen die Erderwärmung eigentlich zum Schwerpunkt des G7-Gipfels im oberbayerischen Elmau machen. Ein Ziel war die Gründung eines Klimaklubs der Willigen - auch mit Blick auf die nächste Weltklimakonferenz, die im November im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich tagen wird.
Viel Absicht, kaum Konkretes
Der Klimaklub ist eine Idee, die Olaf Scholz schon in seiner Zeit als Finanzminister entwickelt hat. Treibhausgas-Emissionen sollen auf der Grundlage von gemeinsamen Standards reduziert werden. Es soll sich für die Industrie nicht mehr lohnen, die Produktionen wegen unterschiedlicher Klimaschutzvorgaben zu verlagern. Damit würden Wettbewerbsnachteile verringert. Eine enge Zusammenarbeit und Unterstützung über die G7 hinaus, insbesondere mit Schwellen- und Entwicklungsländern ist geplant.
Die G7 verschoben die Gründung des Klimaclubs allerdings auf Ende 2022, die Erarbeitung von Einzelheiten sollen die Minister übernehmen. Es gilt schon als Erfolg, dass die USA dem Plan überhaupt zugestimmt haben. Bloße Theorie blieb auch, wie die Klimaziele erreicht werden sollen, zu deren Umsetzung sich die Weltgemeinschaft eigentlich längst verpflichtet hat. Zwar wird im Abschluss-Kommuniqué noch einmal betont, dass am 1,5-Grad-Pfad festgehalten und versprochen werde, "dringende, anspruchsvolle und inklusive Maßnahmen voranzutreiben".
Bundesregierung bleibt hinter ihren Ansprüchen zurück
Der Kohleausstieg, den sich die G7-Klimaminister im Vorfeld bis 2030 vorstellen konnten, ist nun aber weiterhin mit keinem konkreten Datum versehen. Stattdessen heißt es, man werde "konkrete und zeitnahe Schritte unternehmen, um den Ausstieg in unseren jeweiligen Ländern zu beschleunigen".
Das Ergebnis sei "ernüchternd" urteilt Friederike Meister von der Organisation Global Citizens. "Zwar haben die G7 es vermieden, frühere Zusagen zurückzunehmen, doch das kann angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise nicht der Maßstab sein." Das Ergebnis könne nicht der Anspruch des Bundeskanzlers und der Ampel-Regierung sein.
Die G7 brauchen Gas
Zwar herrscht Erleichterung darüber, dass im Kommuniqué die Verpflichtungen von Glasgow zur Beendigung der Finanzierung fossiler Brennstoffe im Ausland nicht aufgehoben wurde. Meister befürchtet angesichts der Energiekrise aber, dass die G7 "kurzsichtige Gasinvestitionen den erneuerbaren Energien vorziehen" könnten.
Die G7 bekräftigen zwar, "unsere Abhängigkeit von russischer Energie schrittweise zu beenden, ohne Abstriche bei unseren Klima- und Umweltzielen zu machen". Doch Afrika beispielsweise hat noch reichlich unerschlossene Gasvorkommen. Senegal könnte LNG, also Flüssiggas liefern, die Erschließung eines neuen Erdgasfeldes vor der westafrikanischen Küste ist bereits im Gespräch.
Auf der Suche nach Verbündeten
Senegal, das derzeit den Vorsitz der Afrikanischen Union innehat, war als eines von fünf Partnerländern auf dem G7-Gipfel eingeladen. Einen guten halben Tag verwendete die Gruppe der Sieben darauf, den Staats- und Regierungschefs von Argentinien, Indien, Indonesien, Senegal und Südafrika ihre Sicht auf die Welt nahe zu bringen. Keines der Länder unterstützt die Sanktionen gegen Russland, vor allem in diesem Punkt hatten die G7 auf ein Umdenken gehofft.
Doch das gab es nicht. Am Ende hieß es recht blumig, man sende "ein gemeinsames Signal für die Stärkung resilienter Demokratien" und "bekräftige die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit globaler Demokratien und regelbasierter internationaler Ordnung". Mehr war wohl nicht drin, auch wenn Kanzler Scholz betonte, man habe "Konsense für ein gemeinsames Handeln formuliert" und "diskutiert, was die Demokratien auf dieser Welt auf Augenhöhe bewirken können".
Vom G7-Gipfel flog der Bundeskanzler direkt zum nächsten großen Event nach Madrid. Dort tagt die NATO und auch dort wird der Krieg in der Ukraine das Thema Nummer eins sein. Die Wolken blieben in Elmau, wurden immer dunkler und ergossen sich schließlich in stundenlangem Starkregen. Symbolträchtiger hätte das Wetter nicht sein können.