Am vergangenen Samstag besiegte der 1. FC Köln im Prestigeduell den Lokalrivalen Borussia Mönchengladbach mit 4:1. Es war Kölns höchster Derbysieg seit 1996. Doch die Reaktionen auf das Spiel wurden von der öffentlichen Empörung über die Entscheidung dominiert, trotz der stark steigenden COVID-19-Infektionszahlen in Deutschland 50.000 Menschen zu dem Bundesliga-Spiel zuzulassen. "Solche Bilder wie vom Wochenende in Köln darf es und wird es nicht wieder geben», sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). Sein bayerischer Kollege Markus Söder war derselben Meinung. Das sei "kein gutes Signal", sagte der CSU-Politiker.
Zu den am Donnerstag angekündigten neuen Maßnahmen gegen die vierte Corona-Infektionswelle gehört, dass die Bundesligavereine ihre Platz-Kapazitäten in den Stadion nur zu maximal 50 Prozent ausschöpfen dürfen, die Zuschauerzahl ist gedeckelt, höchstens 15.000 sind zugelassen. In Gebieten mit besonders hohen Inzidenzen, wie Sachsen und Bayern, werden die Spiele aller Voraussicht nach komplett hinter verschlossenen Türen stattfinden, was die Vereine in diesen Regionen pro Spieltag Millionen an Ticketverkäufen kostet. Vor allem für Klubs weiter unten in der Bundesliga und in der 2. Liga bedeuten dies erhebliche Einbußen.
Strengere Kontrollen als in anderen Bereichen
Nach Angaben der Stadt Köln gab es bisher keine neuen COVID-19-Fälle, die in Zusammenhang mit dem Bundesliga-Derby stehen. Vielmehr wurden Coronavirus-Ausbrüche der vergangenen Woche vor allem auf Veranstaltungen in Gebäuden zurückgeführt wie private Partys oder durchgefeierte Nächte in Clubs.
Dass die Partie in Köln nicht zur weiteren Ausbreitung beitrug, verwundert nicht. Das Derby wurde unter 2G ausgetragen, alle 50.000 Besucher waren geimpft oder genesen. Es fand unter freiem Himmel statt, und wie bereits bei früheren Kölner Spielen, die dieser Reporter persönlich besucht hat, wurden die entsprechenden Dokumente an Kontrollpunkten außerhalb des Stadions streng überprüft - strenger als in allen anderen Lebensbereichen.
Nun aber werden wieder Fußballvereine und Fußballfans bestraft, weil volle Stadien angeblich "ein falsches Signal" setzen. Das ist ein rein symbolisches und populistisches Argument. Im Gegenteil, volle Fußballstadien sind das absolut richtige Signal, ein Signal an diejenigen, die sich immer noch weigern, sich impfen zu lassen. Es zeigt ihnen, dass in diesem Fall eine Rückkehr zur Normalität möglich ist.
Volle Stadien sind ein positives Signal
Es ist kein Zufall, dass die Bundesländer mit den höchsten Impfquoten auch die niedrigsten Infektionsraten haben. In Nordrhein-Westfalen sind über 71 Prozent der Bevölkerung geimpft und die aktuelle Infektionsrate (288,1) liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (442,1). In Sachsen hingegen und in einigen Teilen Bayerns liegen die Impfraten unter 60 Prozent, was zu erschreckenden Infektionsraten von über 1.000 führt.
Es ist auch kein Zufall, dass die Regionen mit den niedrigsten Impfquoten und den höchsten Infektionsraten Hochburgen der rechtsextremen AfD und anderer extremer politischer Bewegungen sind, die seit Beginn der Pandemie mit Falschinformationen hausieren gehen.
Warum sollen Fußballfans, die verantwortungsvoll gehandelt haben, indem sie sich impfen ließen und sich an alle Corona-Regeln hielten, jetzt den Preis dafür zahlen, dass Politiker andernorts die Situation nicht in den Griff bekommen? Weil der Fußball und seine Fans immer die Prügelknaben sind.
Der Fußball ist nicht schuld
Zu Beginn der Pandemie wurde dem Fußball eine Sonderbehandlung vorgehalten, als die Bundesliga wieder spielen durfte. Angeblich würden dadurch wichtige Testkapazitäten gebunden, die an anderer Stelle fehlten, hieß es damals. Das war nicht wahr: Die Vereine erstellten auf eigene Kosten ausgeklügelte Hygienepläne und setzte sie um. Viele von ihnen richteten sogar Impfstellen in ihren Stadien ein.
Nicht geimpfte Fußballer wurden beschuldigt, Anti-Impfgegner zu ermutigen. Der Fall Joshua Kimmich schlug Wellen. So unverantwortlich sein Verhalten auch sein mag, nur 86 von über 1000 Fußballern in den höchsten Spielklassen sind ungeimpft, wie der scheidende DFL-Chef Christian Seifert in der vergangenen Woche gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" erklärte.
Fußballfans werden als unverantwortlich dargestellt, weil sie keine Masken tragen. Dabei sind es dieselben Fußballfans, die 2020 als Erste die Einstellung des Spielbetriebs gefordert hatten und die zu den Ersten gehörten, die in der Pandemie Hilfe für sozial Schwache leisteten.
Für den derzeitigen Pandemie-Schlamassel in Deutschland gibt es viele Gründe: die schleppende Einführung von Impfstoffen, die Popularität von Homöopathie und Alternativmedizin, rechtsextreme Verschwörungstheoretiker und "Querdenker" sowie Politiker, die es nicht geschafft haben, eine Minderheit von Extremisten in den Griff zu bekommen, die den Rest des Landes als Geiseln hält. Der Fußball ist nicht schuld. Und schon gar nicht Fußballfans.
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert.