Es ist immer schade, wenn nach einem Fußballspiel nicht über Tore oder Paraden, sondern vor allem über eine Schiedsrichterentscheidung gesprochen wird. Beim Topspiel des 14. Bundesliga-Spieltags zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München ging es lange Zeit nur um das, was sportlich auf dem Rasen zwischen dem Zweiten und dem Ersten der Tabelle passierte. Eine rassige und torreiche Partie, bei weitem nicht frei von Fehlern, aber temporeich, intensiv und vor allem spannend und - zum ersten Mal seit langer Zeit - auf Augenhöhe. So wünscht man es sich! Möglicherweise wäre auch über die verletzungsbedingte Auswechslung von Julian Brandt nach dessen kurzer Bewusstlosigkeit geredet worden oder aber über den Schwarm Tauben, der sich während des gesamten Spiels im Stadion befand und vor dem hin- und herwogenden Spielgeschehen bald hierhin und bald dorthin wegflatterte.
Dann aber folgte die 77. Spielminute und der Auftritt von Schiedsrichter Felix Zwayer und seines Videoassistenten: Zu bewerten war ein vermeintlich elfmeterreifes Handspiel von Dortmunds Abwehrchef Mats Hummels. Und nachdem zuvor im Grunde alles klar nachvollziehbar war - weil sportlich geregelt - wurde es jetzt kompliziert: Hummels hatte sich - zwischen Angreifer Thomas Müller und seinem Mitspieler Jude Bellingham eingeklemmt - bei einem Eckstoß der Bayern nach vorne gebeugt, um den Ball mit dem Kopf zu klären. Gesehen hat er dabei nichts, weil Bellingham ihm seinen Arm direkt vor die Augen hielt. Zudem stolperte Dortmunds Nummer 15 und fiel nach vorne. Der blind nach vorne fallende Hummels bekam den Ball an den Ellenbogen und klärte die Szene auf diese Weise. Aber war das wirklich ein absichtliches Handspiel?
Keine eindeutigen Antworten
Laut Regel gibt es zwei Kriterien, die darüber entscheiden, ob ein Handspiel eines Verteidigers strafbar ist: Wenn ein Spieler die Hand oder den Arm mit einer absichtlichen Bewegung zum Ball führt. Oder wenn der Spieler durch seine Körperhaltung die Absicht verfolgt, den Ball aufzuhalten. Zu beurteilen ist dann: Was ist die Absicht des Spielers? Entsteht seine Körperhaltung durch einen natürlichen Bewegungsablauf? Will der Spieler den Ball mit dem Arm aufhalten, indem er seine Abwehrfläche vergrößert?
All diese Fragen sind im Fall Hummels nicht eindeutig zu beantworten. Daher: Was wäre so schwer daran gewesen, zu sagen: Ein klarer Beweis für die Absicht des Spielers ist nicht festzustellen. Folglich - im Zweifel für den Angeklagten - gibt es keinen Strafstoß. Immerhin hatte Zwayer im laufenden Spiel auch so entschieden und damit keine klare und offensichtliche Fehlentscheidung getroffen. Die aber - auch das legen die Regeln fest - muss vorliegen, damit der Videoschiedsrichter überhaupt eingreifen darf. Zudem bleibt die Frage, warum der Videoschiedsrichter im Fall Hummels eingreift, vorher aber nicht, als Lucas Hernandez Marco Reus in die Hacken rennt und ihn im Strafraum zu Fall bringt?
Unter dem Strich hätten mit einem 2:2 alle gut leben können - auch die Bayern. BVB-Fans und neutrale Fußball-Anhänger sowieso. So aber bleibt nach einem tollen Fußballspiel ein fader Beigeschmack und der Eindruck, dass der Videoschiedsrichter, der den Fußball gerechter und nachvollziehbarer machen soll, einmal mehr an diesem Anspruch scheitert.