Franziskus reist zu Mexikos Opfern
12. Februar 2016Sechs Papstreisen nach Mexiko hat es bereits gegeben. Doch diesmal ist alles anders. Die Reise von Franziskus vom 12. bis 18. Februar in das zweitgrößte katholische Land der Welt gleicht einem Pilgerweg entlang der lateinamerikanischen Übel: Flüchtlingsdrama und Frauenmorde im Norden, Gefängnismeuterei, Drogen und Gewalt im Zentrum des Landes und die fremde Welt verarmter Mayas im Süden.
Zum Auftakt wurde der Papst wurde am Flughafen in Mexiko-Stadt von Präsident Enrique Peña Nieto und seiner Frau Angélica Rivera begrüßt. Tausende Schaulustige feierten am Freitagabend das Papamobile bei seiner ersten Fahrt durch die Stadt.
Das weitere Programm ist - typisch lateinamerikanisch - mit bedeutungsschweren Gesten gespickt. Eine der wichtigsten ist der Gottesdienst am Grenzzaun zu den USA in Ciudad Juarez. In der ersten Reihe sitzen dort die Angehörigen der Opfer von Iguala .
Ungesühnte Verbrechen
Die 43 Studenten wurden vermutlich von der Drogenmafia ermordet, möglicherweise von Hintermännern aus der Politik. Ob das Massaker je aufgeklärt wird, ist fraglich. "Das Treffen ist ein wichtiges Zeichen und erhöht den Druck auf die Regierung, endlich die Aufklärung voranzutreiben", meint Jannika Röminger vom Lateinamerika-Zentrum (LAZ). Allerdings, sagt die Mexikoexpertin, die Menschenrechtsgruppen im Land unterstützt, auch: "Der Rechtsstaat existiert nur formell. In Wirklichkeit herrschen 98 Prozent Straflosigkeit."
Rund 27.000 Menschen gelten in Mexiko als "verschwunden". Sie gehören zu den Opfern eines Drogenkrieges, der das Land mit Gewalt überzieht. In den vergangenen zehn Jahren verloren rund 100.000 Menschen im Kugelhagel der Kartelle ihr Leben, darunter auch viele Journalisten, Geistliche, Politiker und Menschenrechtsaktivisten.
Offener Brief an Franziskus
Unmittelbar vor dem Besuch des Papstes haben sich deshalb zahlreiche mexikanische Nichtregierungsorganisationen in einem offenen Brief an Franziskus gewandt. Der Papst soll in seinen Treffen mit Regierungsvertretern die Menschenrechtslage in Mexiko ansprechen, heißt es in dem Schreiben.
"Die Regierung von Präsident Peña Nieto spielt die gravierenden Menschrechtsverletzungen herunter und behandelt sie als isolierte Einzelfälle", klagen die Unterzeichner und setzen auf die Autorität aus Rom: "Wir vertrauen darauf, dass Ihre Solidarität mit den Opfern dazu beiträgt, dass in diesem Land der Glaube an Frieden und Gerechtigkeit nicht verloren geht."
Präsident Peña Nieto, bekennender Katholik, wird sich die päpstlichen Moralpredigten anhören müssen. Denn das Programm des Pontifex sieht keine Folklore-Veranstaltungen mit Mariachi-Kappellen vor, sondern Besuche in den Problemzonen des Landes.
Rückkehr der Rebellen
Dazu gehören die von Drogengewalt gezeichneten Bundesstaaten Michoacán und Chihuahua sowie Chiapas mit seiner überwiegend indigenen Bevölkerung. 1994 wurde die Region durch die Zapatisten-Bewegung unter "Subcomandante Marcos" weltberühmt.
Der mexikanische Bischof Raúl Vera war damals von Papst Johannes Paul II. in die rebellische Diözese San Cristóbal de Las Casas geschickt worden, um den amtierenden Bischof Samuel Ruiz (1924 - 2011) ausbremsen, weil der Befreiungstheologe die indigene Bevölkerung und den Aufstand der Zapatisten unterstützte.
Doch Vera solidarisierte er sich seinerseits mit Ruiz, erfüllte seinen Auftrag nicht und fiel ebenfalls in Rom in Ungnade. 1999 wurde Vera dann von Chiapas in den Nordosten Mexikos versetzt und zum Bischof von Saltillo ernannt. Mittlerweile haben die Worte des 71-Jährigen wieder Gewicht, denn er gilt als Vertrauter des Papstes.
Auch in Chiapas ist es mittlerweile ruhiger geworden, doch an der massiven Armut der Menschen dort hat sich kaum etwas geändert, weiß Raúl Vera. "Ich bin so froh, dass der Papst nach Chiapas fährt", erklärt der Bischof im Gespräch mit der DW. "Dass er dort auch das Grab von Samuel Ruiz besucht, ist ein einzigartiges Zeichen. Die Geste ist so stark als spräche er die Jungfrau von Guadeloupe selig!"
Verschwiegener Missbrauch
Die Jungfrau von Guadeloupe ist Mexikos Schutzpatronin. Lange Zeit wurde sie von der katholischen Kirche in Mexiko geschmäht, genau wie Samuel Ruiz und Raúl Vera. Der päpstliche Tribut an die beiden mexikanischen Befreiungstheologen birgt deshalb auch eine kirchenpolitische Botschaft.
"Über Jahre hinweg war die katholische Hierarchie in Mexiko ein ergebener Verbündeter der Regierung und hat davon profitiert", schreibt der mexikanische Autor Jorge Zepeda Patterson in der spanischen Zeitung "El Pais". "Jetzt sind einige besorgt. Zu Recht: Die Reformen des Papstes hinterfragen die versteiften Normen der Kirche."
Damit nicht genug. In Mexiko kämpft auch die katholische Kirche mit ungesühnten Verbrechen. So wurde der Missbrauchsskandal bei den berüchtigten "Legionären Christi" lange vom mexikanischen Klerus verschwiegen und gedeckt.
Erst 2006 wurde Ordensgründer Marcial Maciel, der über Jahrzehnte hinweg Seminaristen sexuell missbrauchte, vom Vatikan abgesetzt. Er starb 2008, ohne sich jemals vor Gericht angeklagt worden zu sein.