Verschnaufpause für Macron
4. Dezember 2018Der Kontrast hätte kaum größer sein können. Noch vor ein paar Wochen erstrahlte der Triumphbogen in Paris als Symbol des Friedens in Europa in voller Pracht. Rund 70 Staats- und Regierungschefs waren hundert Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges gekommen und lauschten den musikalischen Darbietungen sowie der Rede Emmanuel Macrons am Grabmal des unbekannten Soldaten.
Nun ist das Bauwerk zum Schauplatz der schlimmsten Ausschreitungen in Paris seit 1968 geworden. Spätestens jetzt ist klar: Vielen Franzosen ist es herzlich egal, welches Ansehen ihr Präsident auf der internationalen Bühne genießt. Sie haben die Nase voll von Macron und zwingen den bisher eher kompromisslosen Präsidenten zum Einlenken.
Macron will die Moderaten besänftigen
Nun soll also die angekündigte Ökosteuer auf Benzin ausgesetzt werden. Wir reden hier von bis zu 6,5 Cent pro Liter. Das ist für viele, die auf das Auto angewiesen sind, ein Betrag, der ihnen weh tut. Aber reicht es, um die Verwüstungen im Herzen der Hauptstadt zu erklären? Sicher nicht. Hier geht es um mehr. Es geht um die moderaten Unzufriedenen, die Macrons Stil nicht mögen, ihn als hochnäsig empfinden. Dazu gehört auch die weitverbreitete Kritik, er sei der Präsident der Unternehmer, nicht der Arbeitnehmer, und unterstütze den Kapitalismus in seiner angelsächsischen Form.
Das ist nichts Neues in Frankreich. Ein Präsident, der ernsthafte Reformen anstrebt, muss mit einem deutlich negativen Echo von der Straße rechnen. Diese Moderaten sind diejenigen, denen der französische Präsident zuruft: "Ich werde immer Protest akzeptieren, ich werde immer der Opposition zuhören."
Radikale wollen eine Revolution
Es geht aber auch um die Radikalen links und rechts, die sich nun die Bewegung der Gelbwesten zu Nutze machen wollen. Am Samstag gab es bizarre Szenen, als sich Rechtsextremisten und linksradikale Autonome unter dem Dach der gleichen Bewegung wiederfanden, vereint im Protest gegen die Regierung. Schlägereien unter den einzelnen Gruppierungen gab es dann doch, aber grob haben sie beide das gleiche Ziel: den Sturz des jetzigen Systems, eine Revolution. Das sind die Gewalttreiber, die Läden plündern, Feuer legen, Monumente verschandeln. Diesen Gruppen galten andere Worte des Präsidenten: "Ich werde niemals Gewalt akzeptieren", sagte er beim Treffen der G20-Staaten in Buenos Aires am Wochenende.
Die Strategie der Macron-Regierung ist nun spätestens seit Dienstag klar: die Bewegung spalten. Schon jetzt hadern viele Gelbwesten mit der Gewaltbereitschaft derer, die sich an ihre Bewegung gehängt haben. Obwohl die Gelbwesten schlecht organisiert und bisher ohne klaren Ansprechpartner sind, so stellen sie bisher nicht das ganze System in Frage, sondern nur die Politik der derzeitigen Regierung. Diese Gruppe möchte der Präsident befrieden und damit künftig von den Demonstrationen fernhalten. Deshalb auch das angekündigte Moratorium auf die Ökosteuer, den Auslöser des Unmutes.
Der Frust der Franzosen sitzt tief
Wenn das Kalkül aufgeht, dann bleiben am kommenden Wochenende nur noch die Radikalen auf den Straßen übrig. Nicht mehr hunderttausende Menschen wie zu Beginn der Bewegung, sondern ein paar tausend, wenn überhaupt. Die werden zwar wieder versuchen, mit ihrer ganzen Zerstörungswut auf sich aufmerksam zu machen. Aber die Polizei wird dann vermutlich eine Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite haben, falls sie mit aller Härte gegen die Demonstranten vorgeht. Brutale Ausschreitungen haben nämlich auch in Frankreich keine Mehrheit.
Bleibt also die Frage, ob der Plan funktioniert und sich die Gelbwesten mit dem Moratorium auf die Ökosteuer tatsächlich besänftigen lassen. Das ausklingende intensive Reformjahr hat unter anderem tiefgreifende Veränderungen beim Arbeitsrecht gebracht. Das legt die Vermutung nahe, dass der Frust in Teilen der Bevölkerung zu tief sitzt, um einfach wieder zu verpuffen. Für Emmanuel Macron wird das angestrebte Erklimmen der Beliebtheitsskala also ein langer und steiniger Weg. Vieles hängt davon ab, ob und wie er diese größte Krise seiner bisherigen Präsidentschaft überwindet. Im besten Fall hat er sich mit der Entscheidung am Dienstag ein wenig Zeit zum Durchatmen verschafft. Die wird er brauchen.