1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Fossiler Widerstand gegen Erneuerbare

Gero Rueter5. Juni 2014

Erneuerbare Energien werden weltweit zur Konkurrenz für fossile Brennstoffe und stoßen so auf Widerstand. Experten warnen: Ein Einbremsen der Energiewende wäre problematisch für den Klimaschutz.

https://p.dw.com/p/1AXuY
Windräder vor Kohlekraftwerk
Bild: picture-alliance/dpa

Rund 25 Prozent des Stroms kommen in Deutschland inzwischen aus erneuerbaren Energien, bei Fortsetzung des bisherigen Ausbautempos dürften es 2020 über 45 Prozent sein.

Für die vier großen Energiekonzerne in Deutschland, die bislang ihr Geld vor allem mit Kohle und Atomstrom verdienen, ist diese Dynamik ein Problem. Über 200 Milliarden Euro Jahresumsatz machen die großen Energiekonzerne derzeit. Die dezentrale Konkurrenz von Wind-, Solar- und Biomassekraftwerken, die vor allem in Besitz von Bürgern, Landwirten und kleineren Investoren sind, trübt die Gewinnaussichten. Fossile Kraftwerke rentieren sich im Zuge der Energiewende immer weniger. Deshalb sind bei den Energiekonzernen Stilllegungen geplant.

Politik soll Energiewende bremsen

Der Einfluss der großen Energieversorger auf die Politik gilt als sehr groß. Und diesen Einfluss, versuchen sie für ihre Interessen zu nutzen. "Sie werden häufig bei Politikern oder im Kanzleramt gehört ", so Claudia Kemfert, Energieexpertin vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW). Vertreter der erneuerbaren Energien hätten es da vergleichsweise schwer. "Ich sehe da eine Schieflage zu Gunsten der alten Energiewirtschaft."

Die Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit beobachtet bei der alten Energiewirtschaft zugleich den Versuch, die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen und die "Akzeptanz der Energiewende zu vermindern". So würden die "Ökoenergien als Preistreiber stigmatisiert. Das stimmt nicht." Das seien Mythen, um die "Energiewende zu diskreditieren", so Kemfert imDW-Interview.

Claudia Kemfert
Kemfert sieht Kampagne gegen Erneuerbare EnergienBild: Getty Images

Kemferts Einschätzung wird von Energieexperten aus Wissenschaft, Umweltverbänden und Politik geteilt. "Mit Horrormeldungen und Ängsten" versuchten die Konzerne Einfluss zu nehmen und dafür zu sorgen, dass die Politik sich entsprechend entscheidet, sagt der SPD-Fraktionsvize im Bundestag Ulrich Kelber. Die Konzerne wollen "ihre Geschäftsmodelle noch weiter betreiben können". Als besonders massiv beschreibt der Energieexperte auch die Einflussnahme der Konzerne bei den Koalitionsverhandlungen Ende 2013.

Im Koalitionsvertrag vereinbarten SPD und Union einAbbremsen der Dynamik der Energiewende und ernteten dafür von Opposition und Umweltverbänden heftige Kritik. "Das ist eine Wende rückwärts und ein großer Sieg der fossilen Lobbyisten", bezeichnet Klaus Milke von German Watch das Ergebnis.

Infografik Prognose von Stromkosten aus neuen Großkraftwerken
Inzwischen sind Erneuerbare Energien auch wirtschaftlicher. Fossile und atomare Energien werden zu teuer.

Widerstand gegen Transformation wird global

Die Umstellung auf erneuerbare Energien beschneidet auch in anderen Ländern zunehmend die Profite der konventionellen Energiewirtschaft. Planungen für neue Kohle- und Gaskraftwerke werden in Europa "auf unbestimmte Zeit zurückgezogen", so Frank Peter vom Beratungsunternehmen Prognos imDW-Interview. Außerhalb von Nischenprojekten sieht der Energiemarktexperte in Europa "momentan keine Investition in konventionelle Technik".

Einen Kampf zwischen fossilen und erneuerbaren Energien beobachtet Energieökonomin Kemfert bereits in vielen Ländern. "Der Machtkampf ist überall identisch, allerdings weniger stark ausgeprägt als in Deutschland, da die Energiewende andernorts im Vergleich weniger umfassend ist."

"Wir sind mitten in einer Phase der Transformation" beschreibt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Mitglied des Weltklimarates (IPCC), den globalen Umbruch. Zugleich zeigt er auch Verständnis für den Widerstand. "Natürlich klammern sich die fossilen Unternehmen daran, dass das alte System so lange wie möglich erhalten bleibt", so Schellnhuber imDW-Interview."Es wäre eine biblisches Wunder, wenn die größten Unternehmen der Welt, die vom jetzigen fossilen System so wunderbar profitieren, sagen würden, die Alternative sei viel, viel besser."

Prof. Hans Joachim Schellnhuber
Schellnhuber fordert Druck der Bürger auf die PolitikBild: CC BY 2.0/EnergieAgentur.NRW

Zum Verständnis der Situation empfiehlt Schellnhuber ein Blick in andere Epochen. "Die Pferdkutscher waren auch gegen die Einführung der Automobils und der Eisenbahn. Die Industriegeschichte ist interessant, es gibt dort alles von Sex and Crime bis hin zur Bestechung."

Klimaschutz braucht zivilen Druck

Energieexperten sind sich einig, dass die erneuerbaren Energien nicht mehr aufzuhalten sind, "aber die Frage ist, wie schnell sie kommen", so Schellnhuber. Um den Klimawandel schnellstmöglich zu begrenzen, "müssen wir aber sehr rasch handeln und die Transformation des globalen Energiesystems beherzt angehen", betont Eicke Weber, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, die globale Herausforderung imDW-Interview.

Weber und Schellnhuber warnen davor, sich auf die Politik zu verlassen. Weber gilt als Europas führender Solarexperte. Er hat auf seinen Reisen um die Welt nur sehr wenige Politiker erlebt, "die auch wirklich konsequent handeln. Zwischen öffentlichen Erklärungen und detaillierten Handlungen ist ein himmelweiter Unterschied. Bei den Handlungen fließen die Lobbyinteressen mit ein“.

Professor Eicke R. Weber
Weber fordert mehr Tempo für EnergiewendeBild: ISE

Schellnhuber nennt ein weiteres Dilemma der Politik, die er gut aus den internationalen Klimaverhandlungen kennt. "Regierungschefs oder Minister sind Gesandte eines Nationalstaates. Sie sind gewählt worden, um die Interessen dieses Staates zu verteidigen und den Wohlstand zu mehren. Daran werden sie gemessen." Der Klimaschutz als Menschheitsziel stehe dann hinten an.

Schellnhuber setzt beim Klimaschutz auf die Bürger. Sie müssten Druck machen, damit die Politiker auch internationale Klimapolitik betreibt. "Die Zivilgesellschaft muss sich viel stärker zu Wort melden und sich für ein gutes Leben der Kinder einsetzen. Beim Klimaschutz kann man sich nicht zurücklehnen."