Forscher: Suche nach Corona-Ursprung stockt
26. August 2021Anfang des Jahres hatte eine Gruppe unabhängiger Experten in China nach dem Ursprung der Corona-Pandemie gesucht. Dafür waren die 17 Wissenschaftler im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter anderem nach Wuhan gereist. Jetzt haben sich elf von ihnen, einer davon ist Fabian Leendertz vom Robert-Koch-Institut in Berlin, in der Zeitschrift "Nature" kritisch über den Stand der Forschung geäußert.
Bei der Suche nach dem Ursprung des Coronavirus müsse dringend gehandelt werden, so die Experten. Die damalige Untersuchung im Auftrag der WHO sei als erster Schritt eines Prozesses gedacht gewesen, der aber zum Stillstand gekommen sei. Die Autoren fordern in dem Artikel erneut eine Fortsetzung der Untersuchung (Phase-2).
Frühe Spuren nur noch schwer zu finden
Das Fenster, in dem es noch möglich sei, frühe Spuren des Virus in Menschen und Tieren in China und anderswo zu finden, schließe sich rapide. Antikörper, die Hinweise geben könnten, schwinden bei Infizierten mit der Zeit, schreiben die Autoren. Sie halten eine Übertragung vom Tier auf den Menschen, vermutlich über einen Zwischenwirt, am wahrscheinlichsten.
Experten glauben, dass das Virus auf Wildtier-Farmen auf den Menschen übergegangen sein könnte. Viele davon seien mittlerweile geschlossen und die Tiere getötet worden, heißt es in dem Nature-Beitrag. Auf diesen Farmen hätten chinesischen Angaben zufolge 2016 vermutlich 14 Millionen Menschen gearbeitet.
China blockiert ...
Um die Untersuchung zum Ursprung des Virus gibt es seit Monaten Streit. China hat die Reise des internationalen Expertenteams, das seine Untersuchung zusammen mit chinesischen Wissenschaftlern durchführte, monatelang hinausgezögert. Die Führung in Peking verweigert ausländischen Experten zudem bislang Originaldaten über 174 frühe Patienten, die mit dem damals neuartigen Virus infiziert waren. Die ausländischen Wissenschaftler haben weitere Studien in China empfohlen, was Peking bislang zurückweist.
Die USA und andere Länder kritisierten, dass die These eines Laborunfalls, bei dem das Virus in der chinesischen Stadt Wuhan entwichen sein könnte, auf Druck Chinas vernachlässigt worden sei. Die Wissenschaftler betonen in ihrem Beitrag in der Zeitschrift Nature erneut, dass sie die These nicht für ausgeschlossen halten. "Wir haben öffentlich darum gebeten, Informationen, die die Hypothese eines Laborlecks untermauern, zu veröffentlichen und der WHO zur Verfügung zu stellen. Das ist bislang nicht geschehen", schreiben sie. Die US-Regierung will in Kürze eigene Erkenntnisse dazu vorlegen.
… und schlägt zurück
Chinas Botschafter in Genf, Chen Xu, wies die Laborthese erneut als "extrem unwahrscheinlich" zurück. Stattdessen sollten bestimmte Labore in den USA untersucht werden, schrieb er in einer Stellungnahme, ohne diese Idee näher zu erklären. WHO-Nothilfe-Koordinator Mike Ryan zeigte sich irritiert über Chens Aussagen. Es sei ein Widerspruch, einerseits die These eines Laborzwischenfalls für unwahrscheinlich zu halten und andererseits Untersuchungen in US-Laboren anzuregen.
Die WHO teile die Ansicht, dass die weiterführenden Studien zum Ursprung des Virus dringend durchgeführt werden müssen, sagte die führende Corona-Expertin der UN-Behörde, Maria Van Kerkhove. "Es ist Zeit voranzukommen und hier etwas weiterzubringen." Sie fügte allerdings hinzu, dass Wissenschaftler in China die WHO über weitere Forschungen informiert hätten. Details zu den Projekten stünden jedoch noch aus.
US-Geheimdienste tappen ebenfalls im Dunkeln
Auch ein von US-Präsident Joe Biden angeforderter Geheimdienstbericht zum Ursprung des Coronavirus hat Medienberichten zufolge keine eindeutigen Ergebnisse gebracht. Die vor drei Monaten in Auftrag gegebene Untersuchung habe nicht abschließend herausfinden können, ob das zuerst in China festgestellte Virus durch Tiere auf den Menschen übertragen wurde oder aus einem Labor stammen könnte, berichtete die "Washington Post".
Teile des bisher geheimen Berichts, der am Dienstag dem Weißen Haus vorgelegt wurde, könnten der Zeitung zufolge in den kommenden Tagen freigegeben werden. Das Blatt berief sich dabei auf zwei mit dem Fall vertraute US-Beamte.
Die nicht eindeutigen Ergebnisse seien unter anderem auf fehlende Informationen aus China zurückzuführen, berichtete das "Wall Street Journal". "Wenn China keinen Zugang zu bestimmten Datensätzen gewährt, wird man nie wirklich etwas erfahren", sagte ein nicht namentlich genannter US-Beamter der Zeitung.
Diskussion um Ursprung nimmt Fahrt auf
Die Pandemie, der mittlerweile mehr als vier Millionen Menschen weltweit zum Opfer gefallen sind, hatte Ende 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan ihren Ausgang genommen. Schon bald war darüber spekuliert worden, dass das Virus bei einem Unfall aus dem Institut für Virologie in Wuhan entwichen sein könnte, in dem an Coronaviren geforscht wird. Die chinesische Regierung bestreitet dies energisch.
Der ehemalige US-Präsident Donald Trump war ein großer Verfechter der Labor-Theorie. Kritikern zufolge wollte er damit aber hauptsächlich vom eigenen Versagen in der Pandemie ablenken. In den vergangenen Monaten hatte die Diskussion um den Ursprung des Virus aber wieder an Fahrt aufgenommen. Als Biden die nun vorliegehende Untersuchung in Auftrag gab, sagte er, die verschiedenen US-Geheimdienste seien in der Frage unterschiedlicher Meinung.
mak/wa (dpa, afp)