Formel-1-Saison mit Fragezeichen
2. Juli 2020Wie gestaltet die Formel-1 "Corona-konforme" Rennen?
Die Grands Prix werden vorerst als "Geisterrennen", also vor leeren Tribünen ausgefahren. Jedes Team darf nur 80 Personen umfassen, inklusive Fahrer. Alle müssen einen negativen Corona-Test vorweisen. Im Abstand von maximal fünf Tagen muss neu getestet werden. Die Teams werden separat in Hotels nahe der Rennstrecke untergebracht und sollen unter sich bleiben. Im Fahrerlager und bei allen Besprechungen herrscht Maskenpflicht. Nach dem Rennen gibt es statt Champagnerdusche nur eine nüchterne Siegerehrung auf der Strecke. Die Formel-1-Verantwortlichen hoffen, unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen ab September auch wieder Rennen mit Zuschauern veranstalten zu können.
Gibt es einen anderen Favoriten als den Titelverteidiger?
Eigentlich nicht. Was der FC Bayern München mit acht Meistertiteln in Serie in der Fußball-Bundesliga ist, ist Mercedes in der Formel 1: der Dominator. Seit 2014 holten sich die Silberpfeile sechsmal in Folge das "Double" aus Konstrukteurs- und Fahrer-WM-Titel. Die Nummer eins im Team, Lewis Hamilton, hat die Chance, zum vierten Mal in Serie Weltmeister zu werden, zum siebten Mal insgesamt. Damit würde er zu Rekord-Champion Michael Schumacher aufschließen. Das sollte den 35 Jahre alten Briten zusätzlich motivieren.
Was ist von Sebastian Vettel zu erwarten?
Gegenfrage: Was kann man von jemand erwarten, der auf einer Abschiedstour ist? Nach sechs Jahren endet Vettels Zeit bei Ferrari zum Saisonende. Die "Roten" haben unmissverständlich klar gemacht, dass sie auf den 22 Jahre alten Monegassen Charles Leclerc setzen und nicht mehr auf den viermaligen Weltmeister Vettel, der an diesem Freitag in Spielberg seinen 33. Geburtstag feiert.
Vettel beteuert zwar vor dem Saisonstart, es habe wieder "angefangen zu kribbeln und zu jucken". Doch realistisch betrachtet, dürfte es für ihn bereits ein Erfolg sein, am Ende vor seinem Teamkollegen Leclerc zu landen. Ob dies seine letzte Formel-1-Saison wird, hat Vettel offengelassen.
Wie sieht der Rennkalender aus?
Wegen des nach wie vor nicht absehbaren Verlaufs der Corona-Pandemie wurden bislang nur die ersten acht Rennen terminiert, allesamt in Europa. Erstmals in der Geschichte der Formel 1 wird es in dieser Saison zwei Rennen auf derselben Strecke geben. Neben dem "Doppelschlag" zum Auftakt in Spielberg in Österreich (5. und 12. Juli) sind auch zwei Rennen innerhalb einer Woche in Silverstone in Großbritannien geplant (2. und 9. August). Für die jeweils zweiten Rennen haben sich die Formel-1-Organisatoren neue Namen einfallen lassen: "Grand Prix der Steiermark" und "Grand Prix zum 70-jährigen Jubiläum der Formel 1".
Zwischen den Rennen in Spielberg und Silverstone liegt der Große Preis von Ungarn in Budapest (19. Juli). Außerdem soll in der spanischen Metropole Barcelona (16. August), in Spa-Francorchamps in Belgien (30. August) und in Monza in Italien (6. September) gefahren werden. Die Termine für die zweite Saisonphase mit mindestens sieben weiteren Rennen will die Formel 1 später bekanntgeben.
Gibt es gravierende Regeländerungen?
Im Vergleich zu früheren Saisonstarts sind die Änderungen eher marginal. So wurde das Mindestgewicht der Boliden um drei Kilogramm auf 746 Kilogramm erhöht. Nur noch ein zusätzlicher Öltank mit einem Fassungsvermögen von maximal 2,5 Liter ist erlaubt. Batterien dürfen zwischen Qualifying und Rennen nicht mehr ausgebaut oder getauscht werden.
Weniger Testtage stehen zur Verfügung. Und eine Fahne signalisiert jetzt wieder wie früher das offizielle Rennende. In der vergangenen Saison hatte man dafür eine LED-Anzeige eingeführt. Wegen eines Softwarefehlers war der Grand Prix in Japan jedoch eine Runde zu früh beendet worden.
Verabschiedet sich Deutschland schleichend aus der Formel 1?
Es wirkt fast so. Sollte Sebastian Vettel wirklich seine letzte Formel-1-Saison fahren (s.o.), könnte 2021 erstmals seit 1981 wieder kein einziger deutscher Fahrer am Start sein. Es sei denn, Formel-2-Pilot Mick Schumacher gibt sein Debüt in der Königsklasse und tritt damit in die Fußstapfen seines Vaters Michael. Oder Nico Hülkenberg oder Pascal Wehrlein kehren in die Formel 1 zurück. Ein Grand Prix in Deutschland fehlt im Rennkalender dieser Saison. Und ab 2021 wird die Formel 1 im deutschen Fernsehen aller Voraussicht nach nicht mehr frei empfangbar sein, sondern nur noch im Pay-TV. Der Sender RTL steigt nach dem Saisonende nach drei Jahrzehnten aus - vielleicht auch, weil die deutsche Note in der Formel 1 zu verschwinden droht.