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Am Ende der Kräfte

Catherine Martens21. Oktober 2015

In Slowenien an der Grenze zu Österreich arbeiten freiwillige Flüchtlingshelfer bis zur Erschöpfung. Den Druck, den sie aus Kroatien erleben, wollen sie Österreich ersparen. Catherine Martens aus Sentilj.

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Flüchtlingshelfer vor Zelt (Foto: DW/C. Martens)
Bild: DW/L. Scholtyssyk

Ein schwerer, süßlicher Geruch. Er schlägt einem beim Betreten des Zeltes unweigerlich entgegen. Leere Milchtüten, aufgerissene Kekspackungen liegen auf den Feldbetten, daneben volle Windeln auf dem Boden. Das Zelt hat Platz für rund 400 Menschen, jetzt ist es leer. Im slowenischen Sentijl nutzen freiwillige Helfer die frühen Morgenstunden zum Aufräumen. Noch sind keine neuen Busse voller Menschen eingetroffen. Schnell füllen die Helfer Plastiksäcke, wischen notdürftig über die Pritschen.

"Ja, es ist viel Müll. Aber was die Leute draußen nicht wissen: Von jetzt auf gleich sagt man den Flüchtlingen, die Grenze ist auf, ihr habt zwei Minuten", erklärt eine Helferin der Nichtregierungsorganisation Slovenska Filantropija. Seit Tagen kümmern sie sich in Zwölfstundenschichten um die Nöte der Menschen hier. Der Dauereinsatz zehrt an den Kräften. Langfristig könnten sie diesen Rhythmus nicht halten, fürchtet Alojzij Kovacic, Bezirkssprecher des Roten Kreuzes Maribor.

Flüchtlingshalle (Foto: DW/C. Martens)
Mal ist das Lager brechend voll, mal fast leer. Dann bleibt der Müll zurückBild: DW/L. Scholtyssyk

Täglich eine warme Mahlzeit - hoffentlich

Dreimal pro Tag gibt es Essen, zweimal kalt, und immer um 13 Uhr die warme Mahlzeit, bestätigt Kovacic. Engpässe gibt es trotzdem ständig."In einem Moment haben wir es mit 3000 hungrigen Menschen zu tun, dann ist das Lager wieder leer, und abends rollen schon Neue an. Da kann es passieren, dass viele das warme Essen verpassen."

Ein Anschlagbrett stellen die Helfer direkt neben der Kleiderausgabe auf. "Familienzusammenführung" steht hier. In Englisch, Arabisch und Slowenisch. Ismail zeigt ein Foto von einer jungen Frau. Es ist seine Schwester, er hat sie an der kroatisch-slowenischen Grenze verloren. Eine Helferin bittet ihn, seinen Namen auf eine Liste zu schreiben, man werde sich bei den kroatischen Behörden erkundigen.

Spielende Mädchen (Foto: "DW/C. Martens)
Warten, dass der nächste Schwung nach Österreich durchgelassen wirdBild: DW/L. Scholtyssyk

Slowenien nimmt Rücksicht auf Österreich

Aufregung im Lager. Plötzlich ist Unmut zu spüren. Die Grenze - die Österreicher lassen niemanden rein, rufen sich die Flüchtlinge zu. Sie können es nicht glauben, den ganzen Tag über war der Grenzübergang zu Fuß passierbar. Eine Frau mit Neugeborenem wird noch durchgelassen, dann ist wieder erst mal Schluss für ein paar Stunden.

"Wir wollen unseren österreichischen Kollegen nicht das Gleiche zumuten, was die Kroaten mit uns machen", beschreibt Polizeisprecher Miran Sadel die angespannte Lage zwischen den Nachbarstaaten. "Wenn die Österreicher uns sagen: stopp, wir brauchen eine Pause, dann halten wir uns daran." Das Schwierige mit Kroatien sei zudem, dass das Land illegal Flüchtlinge an der grünen Grenze aussetze, so Sadel. Dann müsse er regelmäßig seine Leute auf die Felder schicken, um die Flüchtlinge aufzulesen.

Es ist kalt geworden in Sentilj. So kalt, dass slowenische Polizisten kleine Kinder in ihr Auto klettern lassen, um sie aufzuwärmen. Dann geht es zurück ins Zelt. Ein bisschen Traurigkeit ist aus ihren Gesichtchen verschwunden. Nur der Gestank im Zelt, der ist noch da.