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Zeit für einen anderen Blick

Judith Raupp
13. Juli 2018

Westliche Medien prägen das Bild von Afrika. Cineasten im Ostkongo wollen das ändern. Beim Filmfestival in Goma zeigen sie eigene Werke und die internationaler Kollegen - und wollen junge Leute fürs Kino begeistern.

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Congo International Film Festival (CIFF)
Bild: Judith Raupp

Im Dokumentarfilm "Zéro" trauert die Tänzerin Bénédicte um Papa Wemba. Der Rumbastar hatte versprochen, sie das Singen zu lehren. Doch bevor es soweit kam, brach der Musiker tot auf der Bühne zusammen. Bénédicte verlor ihren Job bei Papa Wemba und alle Hoffnung. Doch dann gibt sie sich einen Ruck. Sie studiert Wembas Lied Zéro ohne seine Hilfe ein, sei es unter der Dusche oder in der Bar.

Bénédicte verkörpert das Motto des 13. Congo International Film Festival (CIFF) in Goma: Peuple Grand - Ein großartiges Volk. "Wir stehen immer wieder auf, auch wenn wir am Boden liegen", sagt Petna Ndaliko Katondolo, Direktor des CIFF. Er findet, dass westliche Medien viel zu oft über politische Spannungen, Gewalt und Korruption in seiner Heimat berichten. Kaum jemand erkenne an, mit welcher Kreativität die Kongolesen den Alltag bewältigten, sagt er. Davon erzählt das CIFF, das am Sonntag nach einer Woche mit Filmen, Fotos, Diskussionen und Workshops zu Ende geht.

Congo International Film Festival (CIFF)
Petna Ndaliko Kandolo, Direktor des FilmfestivalsBild: Judith Raupp

Stolz auf die eigene Heimat sein

"Zéro" ist also mehr als ein Film. Der kongolesische Regisseur Moimi Wezam will den 380 Zuschauern beim Festivalauftakt vermitteln, dass die Kongolesen stolz auf sich sein können. Doch die Botschaft verfehlt viele Besucher auf der Hotelterrasse am Kivusee. Einer argwöhnt, es gehe hier um Politik. Schließlich habe die Tänzerin im Film Radio gehört, wo Aktivisten forderten, dass Präsident Joseph Kabila abtreten müsse. Sofort schreit jemand aus der hinteren Reihe: "Ja, der soll gehen!" Wezam ist das unangenehm. Er will Mut machen, keine Politik.

Der 24 Jahre alte Christian Boley ist selbst Tänzer. Der Film seines Landmannes bedrückt ihn: "Das Stück zeigt, dass die Chefs Geld verdienen und leben können. Sobald der Anführer stirbt, ist alles zu Ende." Dagegen begeistert ihn "Débout Kinshasa" ("Kinshasa, steh auf") des französischen Regisseurs Sébastian Maitre. Auch wenn wieder einmal ein Fremder über Afrikaner redet, gefällt der Kurzfilm vielen Zuschauern. Er beschreibt mit Witz, wie ein Junge in der kongolesischen Hauptstadt einen korrupten Wachmann vor der Schule austrickst. Das amüsiert Boley. Mit einem Grinsen sagt er: "Man darf nie aufgeben."

Congo International Film Festival (CIFF)
Beim Filmworkshop mit Moussa Touré, einem bekannten Filmemacher aus dem SenegalBild: Judith Raupp

Platz für die nächste Generation

So sehen das auch die 16 angehenden Filmproduzenten im Jugendzentrum Yole Africa in Goma. Das Zentrum und die Produktionsfirma des Festivalleiters Ndaliko, Alkebu Film Productions, veranstalten das 100.000 Dollar teure Filmfestival mit Hilfe von Sponsoren. Der Eintritt ist frei. Gerade junge Filmemacher haben kein Geld, schlechte Kameras, miserable Computer, aber Mut.

Im Workshop mit dem senegalesischen Meister Moussa Touré stellen junge Leute ihre Ideen für Kurzfilme vor, um die richtige Herangehensweise an ein Thema zu finden. Ein Schüler will einen Beitrag über die "Mystik der Homosexualität" drehen. "Was ist da mystisch?", provoziert Touré. Der junge Mann schweigt. Schwul sein ist ein Tabu im Kongo. Aus dem Zelt nebenan dröhnen der Generator und Stimmen aus dem Film "Elephant Path" über Wilderer in Zentralafrika. Es fällt schwer, sich zu konzentrieren. Aber nach kurzem Überlegen sagt der Filmschüler: "Ich muss eine Diskussion über das Thema anregen, ganz sachlich." Touré nickt zufrieden.

Reden lernen ist wichtig, in einem Land, in dem die Bewohner seit mehr als 100 Jahren Erniedrigung und Gewalt erfahren, durch Kolonialherren, Despoten und Kriege. "Die Kunst allein ist keine Lösung für den Krieg. Aber wenn zwei Menschen dadurch anfangen über ihre Probleme nachzudenken und Fragen zu stellen, werden sie Akteure des Wandels", ist Festivalleiter Ndaliko überzeugt. Auch das CIFF bekommt eine Neuauflage. Der 44 Jahre alte Direktor und Gründer des Festivals tritt ab. Seine Begründung: Das Festival solle von Jugendlichen für Jugendliche sein. Sie kennen die Themen besser, die junge Menschen umtreiben.

Keine Kinos, technische Probleme, begeisterte Zuschauer

Viele sind neugierig, wie man in anderen Ländern lebt. Bob Sumaili, ein junger Regisseur aus Goma, hätte gerne gewusst, wie Schwarze in Deutschland behandelt werden. Aber der Film "Being black and German" der deutschen Journalistin Jana Pareigis fällt aus. Der Computer kann die CD nicht lesen. Enttäuscht ist trotzdem niemand: Technische Probleme sind alle gewöhnt in Goma.

Congo International Film Festival (CIFF)
Freiwillige Helfer beim Festival starten einen neuen Film im Vorführzelt. Computer und Projektor stehen auf Hockern am BodenBild: Judith Raupp

Außerdem geht das Filmfest im Stadtteil Majengo weiter. Jonas Mamboleo ist begeistert, dass das CIFF einen Film auf der Straße vor seiner Haustüre zeigt. Endlich ist etwas los, der Schüler muss nicht Schulter an Schulter mit seinen Geschwistern in der Hütte hocken und im Licht der einzigen Glühbirne Hausaufgaben machen. Als sich im Film drei Männer prügeln, johlt er mit der Menge. Kinder tanzen im Licht des Projektors. Sie kreischen vor Freude über ihre Schatten auf der Leinwand. Ein Wächter verscheucht sie mit einem Stock. Computer und Projektor stehen auf einer Kiste im Dreck. Sie können leicht umfallen, wenn jemand daran stößt.

"Das größte Problem ist, dass es keine Kinos in Goma gibt. Wenn die Kongolesen ihre eigenen Geschichten erzählen wollen, brauchen sie geeignete Veranstaltungsorte", sagt Mathieu Roy. Der kanadische Regisseur nimmt zum vierten Mal am CIFF teil. Er bewundert das positive Denken seiner kongolesischen Kollegen. Für ihn ist klar: "Das CIFF ist ein Zentrum der Hoffnung."