Kongo und die UN: Es ist kompliziert
11. Juli 2018"Ein echter diplomatischer Affront", so sieht es der kongolesische Politikwissenschaftler Charis Basoko. Im DW-Interview sagt er: "Die Reise war bereits seit Monaten geplant. Alles war minutiös vorbereitet, sogar die Hotelzimmer waren schon reserviert. Und nun diese Absage, just am Vorabend des Besuchs!"
Mehrmals hatte António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN), den Wunsch geäußert, gemeinsam mit dem Kommissionspräsidenten der Afrikanischen Union (AU), Moussa Faki Mahamat, in die Demokratische Republik Kongo zu reisen. Aber immer wieder machte Präsident Joseph Kabila den Spitzendiplomaten aus New York und Addis Abeba einen Strich durch die Rechnung. So auch dieses Mal, als der für diese Woche anberaumte Besuchstermin kurzfristig abgesagt wurde. Durch seinen außenpolitischen Berater, Kikaya Bin Karubi, ließ Kabila mitteilen, es habe sich im Kongo kein angemessener Gesprächspartner für Guterres und Mahamat gefunden. Alle seien mit der Vorbereitung der Wahlen Ende Dezember beschäftigt.
Ehrenvoller Abgang oder erneute Kandidatur fürs Präsidentenamt?
Beobachter vermutet, dass Kabila zu genau diesem Thema nicht mit unangenehmen Fragen konfrontiert werden will. Die Wahlen sollen die Nachfolge des Präsidenten Joseph Kabila regeln, dessen zweites und letztes Mandat offiziell schon am 20. Dezember 2016 endete. Laut Verfassung darf er nicht noch einmal antreten. Aber die Opposition wirft ihm vor, dass er sich trotzdem selbst wieder zur Wahl stellen will.
"Kabila will auf keinen Fall von Guterres dazu aufgefordert werden, öffentlich seinen Verzicht zu erklären", sagt Analyst Basoko. Das sei ein grober strategischer Fehler, der Kabila vermutlich noch Leid tun werde. "Denn Kabila braucht die UN und die AU, wenn er noch einen halbwegs ehrenvollen Abgang von der politischen Bühne hinbekommen will."
"Einmischung von außen verhindern"
Auch Kongoexpertin Gesine Ames vom Ökumenischen Netz Zentralafrika in Berlin sieht Anzeichen dafür, dass Kabila an der Macht festhalten will. "Es ist sehr besorgniserregend, dass sich Präsident Kabila offenbar nicht gewillt zeigt, externe Diplomaten zu empfangen und mit ihnen über die bevorstehenden Wahlen im Land zu diskutieren", sagt sie der Deutschen Welle.
Janosch Kullenberg vom Londoner International Institute for Strategic Studies sieht das ähnlich: "Kabila möchte an der Macht bleiben. Wie er das erreichen kann, ist noch nicht ganz klar. Und deswegen möchte er die Einmischung von außen gering halten."
UN-Bericht: Schwere Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Kasai
Ein anderes Motiv dafür, Guterres auszuladen, könne die andauernde massive Kritik der UN an der Menschenrechtslage im Land sein, sagt Kullenberg: "Er will nicht dass ihm die UN bei den Kriegsaktionen zu sehr auf die Finger schaut, denn ein Großteil der Menschenrechtsverletzungen wird von der Armee selber begangen. Deshalb will er Einmischungen verhindern."
Kürzlich hatte ein Expertenteam einen 126-seitigen Bericht über schwere Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Kasai vorgelegt. Seit Ende 2016 schwelt dort ein Konflikt zwischen Kamuina-Nsapu-Rebellen, der regierungsnahen Bana-Mura-Miliz und Truppen der kongolesischen Armee FARDC. Alle Parteien, also auch Regierungssoldaten, sind laut UN-Bericht an den Verbrechen beteiligt.
Regierung und Polizei im Kongo widersprachen dem Bericht. Expertin Ames hingegen hält die Recherchen für gut belegt. "Die humanitäre Situation ist alarmierend", sagt sie.
Eine widersprüchliche Beziehung
Doch schon vor dem UN-Bericht galten die Beziehungen zwischen der Weltorganisation und der Regierung in Kinshasa als "widersprüchlich und leicht angeschlagen", sagt Janosch Kullenberg vom IISS. Bereits im Januar habe Präsident Kabila auf einer Pressekonferenz die UN-Mission im Kongo stark kritisiert, was eine Missstimmung zwischen der UN und Kinshasa erzeugt habe. Kabila habe die Blauhelme aufgefordert, das Land spätestens bis 2020 zu verlassen.
"Andererseits ist es so, dass Kabila und seine Berater es stets verstanden haben, die UN-Missionen für die eigenen Interessen zu nutzen", sagt Kullenberg: Da sei die Mitorganisation und Bezahlung der Wahlen in 2006 und 2011. Die UN-Friedensmission funktioniere zudem als zusätzlich Armee, die Kabila im Osten gegen die Rebellen absichere.
Eine der größten Friedensmissionen der UN weltweit
MONUSCO umfasst derzeit mit circa 17.000 Blauhelmen und einem jährlichen Etat von 1,153 Milliarden US-Dollar eine der größten und wichtigsten Friedensmissionen weltweit. Gerade deshalb möchte die Weltorganisation die Zusammenarbeit mit der kongolesischen Regierung nicht gefährden. Der Weltsicherheitsrat hat im März das Mandat für ein weiteres Jahr verlängert. Die Priorität der Mission ist der Schutz der Zivilbevölkerung sowie die Unterstützung der für den 23. Dezember 2018 vorgesehenen Wahlen.
"Wir setzen unsere Arbeit der Unterstützung der kongolesischen Instanzen fort", sagt MONUSCO-Sprecherin, Florence Marchal, im DW-Interview. Eine Stellungnahme zur jüngsten Absage des Besuchs des UN-Generalsekretärs lehnt sie ab. Wichtiger sei es zu betonen, dass die Beziehungen der MONUSCO zu Kinshasa normal seien und blieben: "Unsere Beziehungen zur Regierung in Kinshasa sind ganz normale Arbeitsbeziehungen."
Beschwichtigungsversuche aus der Hauptstadt Kinshasa
Auch in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa möchte man offenbar eine Eskalation des diplomatischen Konflikts mit der UN verhindern. Dass Antonio Guterres in Kinshasa nicht erwünscht sei, entspreche nicht der Realität, betont Jean-Pierre Kambila, ein enger politischer Berater des Präsidenten Kabila, im DW-Interview: "Wir sind Mitglied der Vereinten Nationen! Wir haben eine große UN-Friedensmission im Land! Wie könnten wir da den Generalsekretär zur Persona non Grata erklären?"
Am Montag meldete sich das Außenministerium per Twitter: Die beiden illustren Persönlichkeiten António Guterres und Moussa Faki Mahamat blieben selbstverständlich willkommen in Kinshasa. Man müsse bloß einen Termin finden, der allen passe, damit ein Treffen auch zustande komme.
Mitarbeit: Kossivi Tiassou, Eric Topona