Favoritenrolle für deutsche Reiter in Tryon
11. September 2018Springreiten, Dressur und Vielseitigkeit - in den drei olympischen Pferdesportdisziplinen gehören die deutschen Reiter zu den Favoriten wenn es bei den Weltreiterspielen in Tryon, USA um die Medaillen geht. Mit Springreiter Marcus Ehning, Dressurreiterin Isabell Werth und dem Vielseitigkeitsteam hat die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) im US-Bundesstaat North Carolina mindestens drei heiße Eisen im Feuer.
Werth mit Risiko-Pferd
Den Anfang macht die Dressur-Equipe, die am Mittwoch in ihre Wettbewerbe startet. "Für uns geht es zunächst um die Teamwertung. Dort ist Gold unser Traum", sagte Dressur-Königin Isabell Werth. Die sechsmalige Olympiasiegerin ist mit ihrer Ausnahmestute Bella Rose die große deutsche Hoffnung in den Einzel-Wettbewerben. Allerdings geht Werth mit ihrer Pferdewahl ein beträchtliches Risiko ein. Bella Rose war sehr lange verletzt. Nach mehr als dreieinhalb Jahren quälender Pause hat Werth erst Ende Juni wieder ein Turnier mit ihr bestritten. Bei der WM vor vier Jahren hatte die Stute ihren ersten und bisher einzigen großen Auftritt. In Caen gehörten Werth und Bella Rose zum Team, das Gold gewann. Doch direkt danach wurde klar, dass die Einzel-Prüfungen ohne das Traumpaar entschieden würden. Bella Rose war verletzt und blieb es lange.
Werths andere Stute, die zuverlässige Weihegold, wäre die sichere Variante gewesen. "Das Risiko ist nicht höher als bei den anderen Pferden", sagt allerdings Bundestrainerin Monica Theodorescu, die Werths Wahl unterstützt. "Sie war zuletzt konstant und immer besser." Minimalziel für die Dressurreiter ist die Qualifikation für die olympischen und die paralympischen Spiele - dazu ist ein Ergebnis unter den besten Sechs nötig.
Ehning und drei Junge
Gute Chancen auf Edelmetall - im Team und im Einzel - haben auch die deutschen Springreiter. Allen voran sorgte "Altmeister" Marcus Ehning zuletzt für gute Ergebnisse. Auf seinem WM-Pferd Pret a Tout gewann der 44-Jährige den Großen Preis von Aachen und entschied auch den Nationenpreis beim Heim-CHIO für das deutsche Team. Ergänzt wird die Equipe durch die Nachwuchskräfte Laura Klaphake, Simone Blum und Maurice Tebbel, die in Aachen ebenfalls zur Siegerequipe gehörten. "Unser Ziel ist ganz klar eine Medaille", sagte Bundestrainer Otto Becker schon vor dem CHIO in Aachen im Juni.
Belastet werden die Springreiter im Vorfeld der WM allerdings durch die Alkohol-Affäre beim eigenen Nachwuchs. "Das ist ein belastendes Thema für den Verband", sagte FN-Sport-Geschäftsführer Dennis Peiler. "Das ist leider eine Begleiterscheinung dieser WM. Wir hätten uns lieber zu 100 Prozent auf den Sport konzentriert. Wir versuchen, das Thema von den Athleten fernzuhalten." Dass die Krise daheim die sportlichen Leistungen tatsächlich beeinflusst, glaubt der Sportchef aber nicht. "Das sind alles Profis. Die können sich im Wettkampf fokussieren", betonte Peiler.
Medaillenhamster Jung fehlt
Einen schwerwiegenden Ausfall müssen hingegen die Vielseitigkeitsreiter verkraften. Der dreimalige Olympiasieger Michael Jung wird der Equipe von Bundestrainer Hans Melzer wegen einer Verletzung seiner Stute Rocana fehlen. "Für unser Team ist das natürlich ein ganz herber Verlust", sagte Melzer: "Das ist nicht zu ersetzen." Seit der EM 2009 hatte Jung an jedem Großereignis teilgenommen und immer Medaillen gewonnen. Nun ruhen die Hoffnungen auf Europameisterin Ingrid Klimke und Aachen-Siegerin Julia Krajewski.
Seit 1990 werden die Weltmeisterschaften sämtlicher Disziplinen bei den Weltreiterspielen ausgetragen. Neben Springen, Dressur und Vielseitigkeit werden auch im Voltigieren, Distanzreiten, Westernreiten, Vierspännerfahren und in der Para-Dressur Medaillen vergeben. Bei der letzten WM vor vier Jahren in Caen war Deutschland in den olympischen Disziplinen die erfolgreichste Nation. Drei goldene Medaillen, drei silberne und eine bronzene - soviel gewann kein anderer Verband. In der Gesamtwertung aller acht Weltmeisterschaften verpasste Deutschland allerdings Platz eins und wurde Dritter hinter Großbritannien und den Niederlanden.
Auf den letzten Drücker
Ganz WM-bereit sind die Gastgeber allerdings noch nicht. Einen Tag vor Beginn der Weltmeisterschaften glich das Wettkampf-Gelände noch einer Baustelle. Viele Gebäude auf dem Areal in Tryon waren am Montag noch nicht fertig und nutzbar. Die Unterkünfte für die Pferdepfleger sind nicht fertig, stattdessen wurden kurzfristig Container und Zelte aufgestellt. Auch an der Tribüne wird noch gearbeitet. "Wir setzen alles daran, um die Situation zu ändern", sagte Organisationschef Mark Bellisimo. "Sie haben mein Wort, dass wir die Probleme mit den Pfleger-Unterkünften lösen werden."
Die Weltmeisterschaften beginnen am Dienstag mit einer Eröffnungsfeier, die ersten Wettkämpfe werden am Mittwoch ausgetragen. Tryon war als Austragungsort erst Ende 2016 für das kanadische Bromont eingesprungen.
asz/dvo (sid, dpa)