F-35: Tarnkappe für die Bundeswehr
16. März 2022Zwei Tage sollte einplanen, wer den Pilotenhelm einer F-35 anprobiert. Der Kopf muss gescannt, der Pupillenabstand exakt vermessen werden. Ist der Helm dann passgenau eingestellt, trägt der Pilot mit Hightech vollgestopftes Carbon auf dem Kopf. Dank Kamerabildern, die live auf das Helm-Display übertragen werden, kann er durch sein Flugzeug hindurchsehen, bei Tag und Nacht. Und mithilfe von Sensoren im Helm steuert er per Augenbewegung seine Waffen.
Mehr als 400.000 US-Dollar kostet der Wunderhelm. Er steht damit stellvertretend für die gesamte F-35: hochmodern, teuer und kompliziert. Denn der Jet des US-Herstellers Lockheed Martin will mehr sein als nur ein Kampfflugzeug. Ein bewaffneter Computer mit Düsenantrieb, der sich in der Luft mit anderen Maschinen vernetzt und hunderttausende Informationen verarbeitet. Der Algorithmus schickt nur noch ins Helmdisplay, was für den Piloten gerade relevant ist.
"Besser als alle anderen"
Die F-35 gilt damit als modernster Kampfjet der Welt. Aber ist sie auch der richtige Jet für die Bundeswehr? 35 Maschinen vom Typ F-35 will sie kaufen, gab Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) am Montag bekannt. Sie sollen die vor mehr als 40 Jahren in Dienst gestellten Tornado-Jets ersetzen, die im Ernstfall US-amerikanische Atombomben ins Ziel tragen.
"Es gibt militärische Gründe, die für die F-35 sprechen", sagt Rafael Loss, Sicherheitsexperte bei der Denkfabrik European Council on Foreign Relations. "Wenn man die Atombombe zum Ziel transportieren müsste, dann kann man das mit einem Tarnkappen-Flugzeug besser machen als mit einem Flugzeug, das diese Fähigkeit nicht hat", sagt er der DW. "Wir brauchen diese geringere Radar-Signatur und die Fähigkeit, aus großer Distanz Ziele zu erkennen und zu bekämpfen. Und das kann die F-35 besser als alle anderen Luftkampfsysteme, die im Moment auf dem Markt sind."
Milliardenschwere Kosten
Doch das hat seinen Preis. Loss rechnet mit etwa vier Milliarden Euro für die 35 Kampfjets. "Hinzu kämen natürlich noch die Betriebskosten, die erheblich sind", sagt er. Allein für den nötigen Umbau deutscher Militärflughäfen müssten zudem wohl mehrere hundert Millionen Euro veranschlagt werden.
Ohne den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wäre eine solche Investition wohl kaum denkbar gewesen. Doch nun ist Geld da, die Bundesregierung will mit einem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro die Bundeswehr aufrüsten.Und auch der politische Widerstand gegen einen neuen Atom-Bomber in Diensten der Bundeswehr ist gering. Selbst aus den Reihen der Grünen, einst von Pazifisten gegründet und seit Dezember gemeinsam mit SPD und FDP an der Regierung, ist wenig Kritik zu hören.
Linke gegen die Atom-Bomber
Nur die oppositionelle Linke spricht sich eindeutig gegen die geplante Anschaffung der F-35 aus. "Wir lehnen die Aufrüstung der Bundeswehr mit neuen atomwaffenfähigen Kampfjets ab", erklärte Ali Al-Dailami, verteidigungspolitischer Sprecher der Links-Fraktion im Bundestag. "Die nukleare Teilhabe, nach der im Ernstfall US-Atomwaffen von Piloten der Bundeswehr abgeworfen werden müssten, schafft keine Sicherheit, sondern heizt die Gefahr eines Atomkriegs in Europa an. Die Schrecken des Ukrainekriegs dürfen nicht als Vorwand für eine Aufrüstungsspirale missbraucht werden."
Bei der Luftwaffe selbst dürfte man vor allem erleichtert sein, noch in diesem Jahrzehnt einen Nachfolger für die veralteten Tornado-Maschinen in Dienst stellen zu können. Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, verwies darauf, dass sich viele andere europäische Armeen ebenfalls für das US-amerikanische Kampfflugzeug entschieden hätten. "Es stärkt unsere Fähigkeit, gemeinsam mit ihnen den NATO-Luftraum zu sichern und das Bündnis zu verteidigen."
Länder wie Großbritannien, Italien, die Niederlande und zuletzt Finnland und die Schweiz setzen auf die F-35. Sie könnten in Zukunft leichter mit Deutschland zusammenarbeiten, wenn es um Luftverteidigung geht.
"In Frankreich dagegen hat man die Entscheidung mit Frustration aufgenommen", sagt Paul Maurice, Forscher am Französischen Institut für internationale Beziehungen in Paris. "Die F-35 wird hier als Symbol verstanden für die Macht der USA innerhalb der NATO. Nach all den Reden über europäische Autonomie und Souveränität hatte man erwartet, dass Deutschland sich mehr auf eine europäische Rüstungspolitik ausrichtet."
Denn was passiere, wenn sich die USA sicherheitspolitisch zurückzögen, wie man es etwa unter Trump erlebt habe? "Das könnte mit dem nächsten Präsidenten passieren, aber auch schon nach den Midterm-Wahlen", sagt Maurice. Europa müsse auf eine solche Entwicklung vorbereitet sein und in Sicherheitsfragen autonomer werden. "Das braucht zehn, fünfzehn Jahre Vorbereitung, deshalb muss man sofort damit anfangen."
FCAS vor dem Aus?
In Frankreich befürchtet man, dass mit dem Kauf der F-35 der deutsch-französisch-spanische Zukunftsjet FCAS gefährdet sein könnte. Das Milliardenprojekt soll bis 2040 ein hochmodernes europäisches Kampfflugzeug entwickeln, das die französischen Rafale und die deutschen Eurofighter ablöst. In Paris frage man sich gerade, so Maurice: "Braucht Deutschland dann überhaupt noch FCAS? Oder sind die F-35 vielleicht keine Übergangslösung, sondern eine langfristige Lösung?"
In Berlin betont man deshalb, die F-35 nur als Ersatz für die atomwaffentragenden Tornados anzuschaffen und nicht für andere Aufgaben. Die Maschinen werden hierfür von den USA zertifiziert. In den vergangenen Jahren diskutierte Alternativen, etwa die ältere US-amerikanische F-18 oder der Eurofighter hätten erst ein langwieriges Verfahren durchlaufen müssen, um als Atombomben-Träger in Frage zu kommen. Die Verteidigungsministerin hat außerdem angekündigt, für die elektronische Kriegsführung, also die Bekämpfung von Radar, 15 weitere Eurofighter zu kaufen – ein europäisches Flugzeug. Zudem sei noch genug Geld da, um FCAS weiter voranzutreiben, versichert Lambrecht. Auch dieser Jet dürfte noch moderner werden, komplizierter – und sehr teuer.