EZB bleibt im Krisenmodus
11. März 2021Die Europäische Zentralbank (EZB) will wegen der anhaltenden Corona-Belastungen und Inflationssorgen ihre Anleihekäufe im zweiten Quartal deutlich beschleunigen. Das Notfall-Anleihekaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) bleibt in Umfang und Laufzeit aber unverändert, teilte die EZB am Donnerstag nach ihrer Zinssitzung mit. Auch die Leitzinsen bleiben nach der jüngsten EZB-Ratssitzung auf historisch niedrigem Stand.
Der EZB-Rat erwarte, dass die Anleihekäufe im zweiten Quartal von April bis Ende Juni "deutlich umfangreicher ausfallen werden als während der ersten Monate dieses Jahres", erklärte die EZB. Grundlage dieser Einschätzung sei eine "Beurteilung der Finanzierungsbedingungen und der Inflationsaussichten" im Euroraum.
Der zentrale Leitzins bleibt auf dem Dauertiefstand von 0,0 Prozent. Der Einlagezins für Banken beträgt weiterhin minus 0,5 Prozent. Bei kurzfristigen Kapitalspritzen und sogenannten Übernachtkrediten werden wie bisher 0,25 Prozent Zinsen fällig.
Die EZB will das Tempo ihrer Anleihenkäufe vor allem deswegen erhöhen, um den jüngsten Anstieg der Renditen von Staatsanleihen der Euro-Länder einzudämmen. Die anziehenden Renditen staatlicher Schuldenpapiere hatten zuletzt im EZB-Rat Befürchtungen ausgelöst, dass damit die Konjunktur im Euro-Raum abgewürgt werden könnte.
Notenbank-Chefin Christine Lagarde (Artikelbild) und die anderen Ratsmitglieder unterstrichen am Donnerstag nach Ratssitzung, die Entwicklung bei den Renditen weiter im Auge zu behalten.
Volkswirte bleiben (noch) gelassen
"Es ist gut, dass sich die Tauben im EZB-Rat dieses Mal noch nicht völlig durchgesetzt haben und der Rat nicht verfrüht eine neuerliche Erhöhung der PEPP-Obergrenze beschlossen hat. Es wäre völlig übertrieben,den Anstieg der Anleiherenditen seit Jahresanfang zu dramatisieren", kommentierte Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW das Vorgehen der EZB.
Man müsse dabei auch das Niveau nach dem jüngsten Rendite-Anstieg betrachten, so Heinemann. "Sogar die griechischen 10-Jahres-Zinsen liegen derzeit unter einem Prozent. In realer Betrachtung sind die Renditen aller Euro-Staatsanleihen negativ."
Europa verharre auch bei den Kapitalmarktzinsen daher in einer einzigartigen Niedrigzinssituation. Wer bei diesen Zinsniveaus aus einem Anstieg von 0,3 Prozentpunkten schon ein Problem für die Erholung der Euro-Zone mache, verkenne völlig die Ursachen der Corona-Rezession, so Heinemann weiter.
"Nirgendwo in Europa wird die Erholung derzeit durch zu hohe Zinsen behindert, sondern durch die hartnäckige Pandemie, immer neue Lockdowns und ein enttäuschend langsames Impftempo. Die EZB ist nicht allmächtig und tut gut daran, sich in dieser Phase zurückzuhalten."
"Die EZB hat schnell auf den Renditeanstieg reagiert und kauft im kommenden Quartal mehr Anleihen im Rahmen des PEPP. Der Spielraum ist ja zunächst auch ohne weitere Erhöhung des Gesamtrahmens vorhanden. Das wird jetzt spannend, wie der Markt darauf reagiert", sagte Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden Württemberg (LBBW).
"Es könnte sein, dass einige Akteure die Entschlossenheit der EZB testen wollen, sodass wir noch einen weiteren Renditeanstieg sehen werden. Aber letztlich sitzt die Zentralbank am längeren Hebel, weil sie über unbegrenzte Munition verfügt", so Burkert. Das Statement der EZB sei zudem ein Hinweis darauf, dass die Zentralbanker den jüngsten Anstieg der Inflation nicht für bedrohlich halten.
Zankapfel PEPP vor Verfassungsgericht
Der EZB-Rat hatte PEPP wegen der Corona-Pandemie Ende März 2020 beschlossen und im Dezember bis mindestens Ende März 2022 verlängert. Die EZB kauft im Rahmen des Programms zusätzliche Staats-und Unternehmensanleihen im Wert von bis zu 1,85 Billionen Euro.
Kritiker aus Deutschland haben unterdessen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsbeschwerde gegen das PEPP-Programm eingelegt. Die Kläger um den Berliner Juristen und Finanzwissenschaftler Markus Kerber halten PEPP für unerlaubte Staatsfinanzierung.
EZB hebt Konjunkturprognose leicht an
Die Aussichten für das Wirtschaftswachstum im Euroraum haben sich nach Einschätzung der EZB trotz der anhaltenden Corona-Pandemie für dieses Jahr geringfügig verbessert. Die Notenbank geht in ihrem Basisszenario aktuell von einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,0 Prozent aus. Im Dezember hatten die Währungshüter noch ein Wachstum von 3,9 Prozent vorher gesagt. Im Jahr 2022 wird die Wirtschaft nach der neuesten Vorhersage der EZB um 4,1 Prozent zulegen (Dezember-Prognose: 4,2 Prozent). Im Jahr 2023 wird unverändert ein Anstieg der Wirtschaftsleistung um 2,1 Prozent erwartet.
Im Corona-Krisenjahr 2020 war das Bruttoinlandsprodukt im gemeinsamen Währungsraum nach jüngsten statistischen Daten um 6,6 Prozent geschrumpft und damit so stark wie nie.
Inflation im Blick
Die Teuerung dürfte nach Einschätzung der Zentralbank in diesem Jahr bei 1,5 Prozent liegen und damit über der Dezember-Prognose. Damals war die Notenbank von einem Anstieg von 1,0 Prozent ausgegangen. Für das Jahr 2022 rechnen die Währungshüter nun mit einer jährlichen Preissteigerung von 1,2 Prozent und für das folgende Jahr von 1,4 Prozent.
Mittelfristig strebt die Notenbank eine jährliche Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke. Denn dauerhaft niedrige Preise gelten als Risiko für die Konjunktur: Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen aufschieben - in der Hoffnung, dass es bald noch billiger wird.
tko/bea (rtr, dpa, afp)