Europawahl 2024: AfD zu extrem für die rechte Fraktion
Veröffentlicht 22. Mai 2024Zuletzt aktualisiert 23. Mai 2024Die rechtsextreme Gruppe Identität und Demokratie hat vor der Europawahl die neun Abgeordneten der AfD ausgeschlossen. Die italienische Partei Lega und die französische Partei Rassemblement National waren beide bislang auf demselben antieuropäischen Kurs wie die AfD - doch sie hatten den Ausschluss vorangetrieben.
Sie begründen den Rauswurf damit, dass die AfD und besonders der Abgeordnete Maximilian Krah "rote Linien" überschritten und mit einer "Reihe von Vorfällen" dem Ansehen der rechten Fraktion geschadet hätten. Die französische Politikerin Marine Le Pen, die die RN-Fraktion im französischen Parlament anführt, beklagte "Provokationen" durch die AfD. Es sei Zeit für einen klaren Bruch.
Die roten Linien der Rechten
Der Vorsitzende der französischen RN, Jordan Bardella, hatte Maximilian Krah schon am Dienstag vorgeworfen, "rote Linien" zu missachten. Krah hatte am Wochenende in der italienischen Zeitung "La Repubblica" den verbrecherischen Charakter der nationalsozialistischen "Schutzstaffel" (SS) relativiert. Die SS hatte während des Zweiten Weltkriegs auch in Frankreich schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen.
Das rechtsextreme Gebaren der AfD, die vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet wird, soll Marine Le Pen nicht recht ins Konzept passen. Sie ist seit Jahren bemüht, ihre aus dem Front National ihres Vaters hervorgegangene Partei als moderater und gemäßigter erscheinen zu lassen.
Le Pen gibt sich nahezu bürgerlich-konservativ, weil sie im dritten Anlauf 2027 französische Präsidentin werden will. Für die Europawahl liegt sie mit ihrer RN in den Meinungsumfragen in Führung, weit vor den Liberalen von Präsident Emmanuel Macron.
Der Bruch zwischen den französischen Rechtspopulisten und der deutschen in Teilen rechtsextremen AfD im Europaparlament brachte das Fass für den AfD-Bundesvorstand am Mittwoch wohl zum Überlaufen. Das Führungsgremium der AfD erteilte seinem eigenem Spitzenkandidaten für die Europawahl Auftrittsverbot. Maximilian Krah gab bekannt, er habe seinen Posten im Bundesvorstand aufgegeben. Er steht aber wohl weiterhin auf dem ersten Platz der Wahlliste der AfD. Von der Wahlliste kann Krah rechtlich gesehen nicht zurücktreten.
Es gärt schon länger unter Europas Rechten
In der Migrationspolitik hatten französische und deutsche Rechte in der gemeinsamen identitären Fraktion (ID) eigentlich an einem Strang gezogen. Dann wurde aber bekannt, dass die AfD im Winter an einer Konferenz beteiligt war, an der über eine massenhafte Abschiebung - im rechten Jargon "Remigration" - auch von anerkannten Asylbewerbern diskutiert wurde. Offenbar war damit für den Rassemblement National (RN) eine erste rote Linie überschritten.
Marine Le Pen bestellte die Parteispitze der AfD und den Europaabgeordneten Maximilian Krah im Februar nach Paris zum Rapport. Die verlangte Zusage, Remigration niemals in das Parteiprogramm aufzunehmen, bekam Le Pen von der AfD-Führung allerdings nicht. Schon im Februar kam es schon zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen RN und AfD, was der AfD-Abgeordnete Gunnar Beck gegenüber der DW damals aber bestritt.
Mäßigung als Strategie im Wahlkampf?
Nach den Europawahlen vom 6. bis 9. Juni werden sich die rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien aus allen EU-Staaten neu sortieren. Bislang sind sie in zwei Gruppen organisiert: Identität und Demokratie (ID) und Europäische Konservative und Reformer (EKR), wobei die EKR als etwas gemäßigter gilt und öfter bei Gesetzesvorhaben mit der Parlamentsmehrheit stimmt als die ID.
Diesen Trend beobachtet Sophia Russack von der Denkfabrik CEPS in Brüssel. "Beim EKR sieht man, dass sie sich ganz schön mäßigen, weil jetzt Einfluss und Macht locken. Sie haben verstanden, dass man an Entscheidungen nur mitwirken kann, wenn man moderat und nicht rechtsextrem auftritt."
Meloni will die Rechte einen, die AfD stört dabei
Bislang hatten vor allem unterschiedliche Haltungen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Gruppen entzweit. In der ID waren die eher russlandfreundlichen Parteien unterwegs. Bei der EKR fanden sich polnische Nationalkonservative und die italienischen Fratelli von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni als klare Unterstützer der Ukraine vereint.
Diese Abgrenzung scheint aufzuweichen. Marine Le Pen und Giorgia Meloni schließen eine Zusammenarbeit in einer neuen gemeinsamen Fraktion nach den Europawahlen nicht mehr aus.
Bei einem Treffen rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien aus der gesamten Europäischen Union am vergangenen Wochenende in Madrid sagte Giorgia Meloni, sie wolle die Rechten in Europa einen. "Wir vereinen Parteien, die die gleiche Vision teilen und trotzdem große Unterschiede in einzelnen Nuancen haben können. Die Linke wird in die Opposition geschickt."
In Italien hatte Giorgia Meloni mit ihren aus einer neofaschistischen Partei hervorgegangenen Fratelli d'Italia, der rechtspopulistischen Lega und den Christdemokraten von Forza Italia, der Partei des verstorbenen Silvio Berlusconi, eine rechte Koalition gebildet. Sie regiert in Italien vergleichsweise stabil. Auf EU-Ebene gibt sich Meloni gemäßigt und bekennt sich zur transatlantischen Freundschaft.
In dieses neu entstehende Bündnis aus französischen RN, italienischen Fratelli und möglicherweise polnischen PiS-Leuten passt die in Teilen rechtsextreme deutsche AfD mit ihrer Nähe zu Russland und ihrer radikalen EU-Kritik nicht mehr hinein. Dass ein enger Mitarbeiter des bisherigen AfD-Spitzenkandidaten Krah wegen angeblicher Spionage für China verhaftet wurde und gegen Krah Vorermittlungen laufen, hat die ehemals verbündeten Rechten bereits auf Distanz gehen lassen.
Zusammenarbeit mit rechten Parteien?
Die Meinungsforschung erwartet bei der Europawahl einen Zuwachs für die rechtspopulistischen, nationalistischen und rechtsextremen Parteien. Zusammen könnten sie 21 bis 25 Prozent der 720 Sitze erreichen.
Die Spitzenkandidatin der der Christdemokraten (EVP-Gruppe), EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, hat eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten bei der Gesetzgebung von Fall zu Fall nicht ausgeschlossen. "Die rote Linie ist, ob sie zur Demokratie stehen, unsere Werte verteidigen, fest zum Rechtsstaat sehen und die Ukraine unterstützen", sagte von der Leyen nach ihrer Nominierung als Spitzenkandidatin der EVP-Fraktion. In dieser bildet die deutsche CDU/CSU den größten Block.
In Deutschland hat die AfD nach den Querelen um Maximilian Krah in den Umfragen in den letzten Wochen einige Punkte eingebüßt und liegt jetzt bei 15 Prozent. Sie könnte damit immer noch zweitstärkste Kraft in Deutschland nach den Christdemokraten werden.
Dieser Artikel wurde am 22.05.2024 veröffentlicht und am 23.05.2024 aktualisiert.