Europarat rügt Rassismus in Ungarn
9. Juni 2015Der Ausschuss des Europarats gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) scheute sich in seinem Report nicht, sehr deutliche Worte zu wählen. Ungarn tue zu wenig gegen öffentliche Hetzreden gegen Roma, Juden, Einwanderer, Flüchtlinge und Homosexuelle, die aus Kreisen jeder politischen Couleur kämen, heißt es in dem an diesem Dienstag veröffentlichten Bericht. Solche Hasstiraden beschränkten sich nicht auf die rechtsextreme Partei Jobbik und andere Radikale. Als Beispiel wird der Fall eines prominenten Journalisten genannt, welcher der Regierungspartei Fidesz angehört. Er hatte im Januar 2013 in einem Artikel Roma und Sinti als "Tiere" bezeichnet, die "nicht existieren dürften". Die Autoren des Berichts riefen alle politisch Verantwortlichen in Ungarn auf, energischer gegen solche Äußerungen vorzugehen, auch mit strafrechtlichen Maßnahmen.
Besorgt äußert sich der Ausschuss ferner zu den Lebensbedingungen der Roma und Sinti. Diese würden oft von Gemeindeverwaltungen aus Sozialwohnungen vertrieben und würden auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Außerdem würden überdurchschnittlich viele Roma-Kinder in Schulen für Lernbehinderte untergebracht.
Misshandlungen von Asylbewerbern
Kritisch äußerte sich das Gremium auch zu Ungarns Umgang mit Asylbewerbern. Mehr als ein Fünftel von ihnen könnten sich nicht frei bewegen, sondern seien in geschlossenen Heimen untergebracht. Die Experten des Europarats verweisen auf Berichte von Nichtregierungsorganisationen, nach denen Asylbewerber in diesen Zentren oft physischen und verbalen Angriffen durch die Wärter ausgesetzt sind. Zudem hätten die Asylsuchenden kaum Zugang zu Rechtsanwälten und Hilfsorganisationen. Die Regierung in Budapest wies die Vorwürfe des Europarats zurück.
Der Ausschuss des Europarats rügte aber nicht nur, sondern lobte auch. So würdigte er, dass Ungarn eine "offenere Einstellung" gegenüber Migranten sowie einen Multikulturalismus fördere. Positiv sei, dass Ungarn landesweit 20 "Berater für Gleichbehandlung" eingesetzt habe und dass es nun eine Spezialeinheit der Polizei zum Kampf gegen rassistisch motivierte Straftaten gebe.
Orban wettert gegen EU
ECRI hat seine Analyse im Dezember 2014 abgeschlossen. Nicht erwähnt wird darin die 2015 begonnene Propagandakampagne des rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orban gegen Flüchtlinge.
Orban zählt zu den erbittertsten Gegnern des von der EU-Kommission vorgelegten Verteilungsplans für Flüchtlinge innerhalb der EU. Er nannte dieses Vorhaben wiederholt "verrückt". Nach dem Willen der Brüsseler Kommission sollen die Flüchtlinge künftig nach einem Quotensystem aufgeteilt werden, das die Bevölkerungszahl, das Bruttoinlandsprodukt und die Arbeitslosigkeit in den 28 EU-Staaten berücksichtigt. Mehrere EU-Staaten lehnen dies ab.
kle/wa (afp, dpa)