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Politik

EU-Sanktionen gegen Belarus kontraproduktiv?

26. Mai 2021

Die Organisation Reporter ohne Grenzen warnt vor möglichen ungewollten Folgen der europäischen Strafmaßnahmen. Der Luftweg ist noch eine der wenigen Möglichkeiten, Belarus zu verlassen.

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Frankreich Paris | Stopschild auf dem Charles de Gaulle Flughafen
Bild: Raphael Lafargue/abaca/picture alliance

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten zügig auf die Festnahme des Regierungskritikers und Bloggers Roman Protassewitsch in Belarus reagiert. Sie beschlossen die Sperrung des Luftraums für Flugzeuge aus dem autokratisch beherrschten Land sowie ein Landeverbot auf EU-Airports.

Doch eben diese verhängten Start- und Landeverbote für belarussische Fluggesellschaften könnten "kontraproduktiv" sein, warnt der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen (RSF) in Deutschland, Christian Mihr. "Es ist wichtig, Journalisten und Angehörigen der Zivilgesellschaft nicht alle Türen zu verschließen", sagt er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es sei gut, dass sich die EU schnell und einheitlich geeinigt habe. Aber der Luftraum sei eine der wenigen Möglichkeiten, aus Belarus ausreisen zu können, da etwa die Landgrenze zu Polen wegen Corona geschlossen sei, gibt Mihr zu bedenken. 

Auch der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin kann der Einschränkung von Passagierflügen aus Belarus wenig abgewinnen, weil damit Menschen die Möglichkeit zur Ausreise genommen werde. Sanktionen müssten sich auf die Wirtschaft konzentrieren, macht er deutlich. "Öl und Kali sind die Haupt-Exportartikel von Belarus. 30 Prozent der Außenhandelserlöse werden vom staatlichen Öl- und Chemiekonzern erwirtschaftet", so Trittin weiter. Hier müsse angesetzt werden, wenn das Regime von Staatschef Alexander Lukaschenko getroffen werden solle.

Screenshot Roman Protassewitsch Telegram Video Nexta
Roman Protassewitsch war am Sonntag zusammen mit seiner Freundin nach der Landung der Ryanair-Maschine in Minsk festgenommen wordenBild: Telegram/@nexta_tv

Zweifel an Wirksamkeit

Die Beschränkungen für die belarussische Fluggesellschaft Belavia seien größtenteils symbolisch und hätten keinen wirklichen Effekt auf Lukaschenkos Politik, sagte der Minsker Politologe Denis Meljanzow der Deutschen Welle. Die Maßnahmen könnten Weißrussland abhängiger von Russland machen, denn die staatliche Fluggesellschaft könne dadurch in den Bankrott getrieben und später von Russland aufgekauft werden. 

Meljanzow hat zudem beobachtet, dass die pro-europäische Stimmung unter Weißrussen stärker wird, je häufiger sie in die EU reisen können. "Restriktionen, die das Volk und nicht die Regierung isolieren, könnten die Belarussen gegen die EU aufbringen", sagt Meljanzow. "Deshalb werden diese übereilten Entscheidungen keinen Effekt haben."

Nach Ansicht von Pawel Usow, dem Leiter des Warschauer Zentrums für politische Analyse und Prognose, sind die Sanktionen notwendig, um Lukaschenko zu signalisieren, dass er keinen Freibrief hat, seine Bürger zu behandeln, wie er wolle. Doch in der Praxis hätten sie keine große Wirkung auf ihn. "Lukaschenko propagiert Terror in seinem Land und im Ausland. In der Realität werden ihn weder Sanktionen noch internationale Abkommen abschrecken", sagte Usow der Deutschen Welle. "Sie werden nicht unbedingt zu einer schnellen Veränderung im Land führen, aber diese Maßnahmen sind unabdingbar."

Aktivist mahnt Isolierung an

Der belarussische Aktivist und Mitstreiter des am Flughafen von Minsk festgenommenen Protassewitsch, Stepan Swetlow, fordert vom Westen eine vollständige Isolation der belarussischen Führung. "Seit acht Monaten verspricht man uns Unterstützung, aber in Wahrheit gibt es keine erkennbare Unterstützung", beklagt Swetlow in einem Interview der Nachrichtenagentur AFP. Er plädiert für die Unterbrechung "aller" diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen westlichen Staaten und der Regierung in Minsk.

Swetlow ist der Gründer des Telegram-Nachrichtenkanals "Nexta", über den nach der von massiven Betrugsvorwürfen begleiteten Präsidentschaftswahl in Belarus im vergangenen August hunderttausende Demonstranten mobilisiert worden waren. Protassewitsch war früher Chefredakteur von "Nexta". Am Montag veröffentlichte das belarussische Staatsfernsehen ein angebliches Geständnis Protassewitschs.  

se/fw/kle (afp, rtr, dpa, DW)