EU lässt Corona-Impfstoff zu
21. Dezember 2020EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte anlässlich der bedingten Marktzulassung des von der Mainzer Firma BioNTech und dem US-Unternehmens Pfizer entwickelten Impfstoffs: "Heute fügen wir dem Kampf gegen COVID-19 ein wichtiges Kapitel hinzu." Es ist der erste Impfstoff gegen das Coronavirus, der in der Europäischen Union genutzt werden darf.
Zuvor hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA eine Zulassung empfohlen. Damit ist der Weg frei für Impfungen in der Europäischen Union.
Baldiger Impfbeginn
Mehrere EU-Staaten wollen bereits im Dezember mit den Impfungen gegen SARS-CoV-2 beginnen. In Frankreich und Deutschland soll ab Sonntag, dem 27. Dezember geimpft werden. In beiden Staaten stehen dabei zunächst Risikogruppen wie die ältere Bevölkerung sowie medizinisches und Pflege-Personal im Fokus.
Nach Angaben von der Leyens wollen auch weitere EU-Staaten mit den Impfungen noch vor dem Jahreswechsel starten. In mehreren Ländern - darunter den USA, Kanada und Großbritannien - war das Vakzin von BioNTech und Pfizer schon vorher zugelassen.
Einjährige Marktzulassung in der EU
Anders als dort, wo nur eine zeitweise Notfallzulassung für den Impfstoff erteilt wurde, geht es in der EU um eine einjährige bedingte Marktzulassung, die ein strengeres Testverfahren voraussetzt.
Die Impfdosen hat die EU gemeinsam bestellt. Die Zahl der Impfdosen, auf deren Kauf die einzelnen Mitgliedstaaten Anspruch haben, richtet sich nach ihrer Bevölkerungszahl. Für Deutschland hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am vergangenen Freitag per Verordnung festgelegt, in welcher Reihenfolge die Bürger Anspruch auf eine Corona-Impfung haben. Als erstes sind Menschen ab 80 Jahren sowie Bewohner und Mitarbeiter von Pflegeheimen an der Reihe.
Zweite Priorität haben Demenzkranke, sowie Menschen mit Trisomie 21 und Transplantationspatienten sowie Menschen in Asyl- oder Obdachlosenunterkünften. Zur dritten Gruppe gehören alle ab 60, weitere Risikopatienten sowie Mitarbeiter von Polizei, Feuerwehr und anderen Behörden, Beschäftigte im Lebensmitteleinzelhandel und Saisonarbeiter.
Impfstoff mit Boten-RNA
Der BioNTech-Pfizer-Impfstoff beruht auf der sogenannten mRNA-Technologie. Die Abkürzung steht für messenger-Ribonukleinsäure, auch als Boten-RNA bezeichnet. Bei mRNA-Impfstoffen werden keine Krankheitserreger oder deren Bestandteile benötigt wie bei herkömmlichen Impfstoffen. Vielmehr werden einigen wenigen Körperzellen mit dem Impfstoff Teile der Erbinformation des Virus als RNA mitgegeben - geliefert wird also der Bauplan für einzelne Virusproteine, die auch als Antigene bezeichnet werden. Antigene aktivieren das Immunsystem, die schützende Immunantwort gegen den Erreger zu erzeugen.
Ein Vorteil des Biontech-Impfstoffs liegt in der einfachen Struktur der RNA, die es erlaubt, in wenigen Wochen viele Millionen Impfdosen zu produzieren. Allerdings muss der Biontech-Impfstoff bei sehr niedrigen Temperaturen von rund minus 70 Grad transportiert und gelagert werden. Die in Krankenhäusern sonst üblichen Gefrierschränke reichen dafür nicht aus.
"Impfbereitschaft wird steigen"
Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission am deutschen Robert-Koch-Institut, Thomas Mertens, zeigte sich optimistisch, dass die angestrebte Herdenimmunität von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung in Deutschland erreicht werden kann. Vieles hänge wesentlich davon ab, wie die Impfungen in Deutschland und anderen Ländern abliefen, sagte Mertens dem Südwestrundfunk.
Wenn die Hochrisikogruppen bis Ende Februar geimpft seien, würden die Menschen nach verstehen, dass eine hohe Durchimpfungsrate für die Wiederaufnahme des gewohnten Lebens erforderlich sei. Zwar gebe es mittlerweile Berichte über allergische Reaktionen. Aber man werde versuchen, das in die Fachinformationen aufzunehmen und darauf hinzuweisen. "Und ich könnte mir gut vorstellen, dass die Menschen, wenn sie sehen, dass aufgrund der Impfstoffgabe nichts Aufregendes passiert, dann auch ihre Meinung ändern werden", so Mertens.
Russisch-britische Impfstoff-Kooperation
Anfang Januar soll über einen weiteren Impfstoff für Europa entschieden werden. Am 6. Januar plant die EMA, ihr Gutachten über das Vakzin des US-Unternehmens Moderna zu veröffentlichen.
Aus Russland wurde gemeldet, dass der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca mit dem russischen Forschungsinstitut hinter dem Corona-Impfstoff Sputnik V zusammenarbeiten will. Eine entsprechende Absichtserklärung solle noch an diesem Montag unterzeichnet werden, teilte das russische Präsidialamt mit. Zuvor war bekanntgeworden, dass AstraZeneca eine Kombination seines eigenen Impfstoffkandidaten mit Sputnik V in klinischen Studien testen wolle. Dabei soll es darum gehen, durch die Sputnik-V-Ergänzung die Wirksamkeit des AstraZeneca-Impfstoffs zu erhöhen. Dessen Wirksamkeit lag in den entscheidenden klinischen Studien bei durchschnittlich 70 Prozent.
cw/gri/ww (afp, dpa)