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Politik

Brüssel leitet Verfahren gegen Polen ein

22. Dezember 2021

Der Justizstreit der EU mit Warschau geht in die nächste Runde: Die EU-Kommission hat ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen die polnische Regierung eingeleitet. Die spricht von einem Angriff auf die Verfassung.

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Brüssel Europäische Kommission Berlaymont Gebäude
Der Sitz der EU-Kommission in Brüssel Bild: viennaslide/imago images

Bei dem Vertragsverletzungsverfahren geht es unter anderem um den Vorrang von Europa-Recht gegenüber nationalem Recht. Das polnische Verfassungsgericht hatte diesen Vorrang im Oktober in einem historischen Urteil in Frage gestellt. Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kritisierte das Vorgehen der EU-Kommission als eine "Zuständigkeitsüberschreitung" Brüssels.

EU Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni Konjunkturprognose
EU-Kommissar Paolo Gentiloni gibt sich kämpferisch (Archivbild)Bild: Johanna Geron/dpa/Reuters/AP/picture alliance

Das polnische Verfassungsgericht erfülle nach seinen jüngsten Urteilen "nicht mehr die Anforderungen an ein unabhängiges und unbefangenes Gericht", wie es die europäischen Verträge vorsähen, sagte EU-Kommissar Paolo Gentiloni. Er verwies dabei auch auf ein Urteil des polnischen Verfassungsgericht vom Juli, in dem dieses Anordnungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) für verfassungswidrig erklärt hatte.

"Angriff auf polnische Souveränität"

Der stellvertretende polnische Justizminister Sebastian Kaleta übte scharfe Kritik an dem Brüsseler Vorgehen: Brüssel wolle "das Verfassungsgericht in Polen dem EU-Recht unterwerfen", schrieb er auf Twitter. "Das ist ein Angriff auf die polnische Verfassung und unsere Souveränität."

Das Verfahren zeige ein mangelndes Verständnis für die Unterscheidung zwischen EU- und nationalen Zuständigkeiten, kritisierte auch Regierungschef Morawiecki. "Immer mehr EU-Mitgliedstaaten erkennen, dass es eine Grenze für die Zuständigkeiten geben sollte - was die Europäische Union entscheiden kann und was der polnische Staat entscheiden kann", sagte er.

EU-Parlament | Polen Ministerpräsident Mateusz Morawiecki
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am 19. Oktober 2021 vor dem EU-Parlament in StraßburgBild: Ronald Wittek/AP/picture alliance

Polen hat nun zwei Monate Zeit für eine Antwort auf das Verfahren der EU-Kommission. Fällt diese nicht zufriedenstellend aus, droht Warschau im äußersten Fall eine hohe Geldstrafe. 

Seit 2017 streitet die EU mit Polen

Solange die polnische Regierung nicht zur Deeskalation bereit sei, "ist es richtig, das volle Instrumentarium zum Schutz der EU-Verträge auszuschöpfen - bis hin auch zu möglichen finanziellen Sanktionen", erklärte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post.

Die EU liegt bereits seit 2017 mit Polen wegen seiner umstrittenen Justizreform im Streit. Der nationalkonservativen Regierungspartei PiS wird unter anderem vorgeworfen, am Verfassungsgericht regierungstreue Richter installiert und eine Disziplinarkammer zur Maßregelung kritischer Richter eingesetzt zu haben.

EuGH in Luxemburg
Der EuGH verhängte im Oktober ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro gegen PolenBild: Arne Immanuel Bänsch/dpa/picture alliance

Die Kommission hatte deshalb verschiedene Vertragsverletzungsverfahren angestrengt, die teils in Klagen vor dem EuGH mündeten. Erst Ende Oktober hatte der Gerichtshof in Luxemburg ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro gegen Warschau verhängt, weil die Regierung die Tätigkeit der Disziplinarkammer nicht wie angeordnet ausgesetzt hatte. 

Polen droht Kürzung der EU-Gelder

Da Polen zahlungsunwillig ist, droht dem Land eine Kürzung seiner EU-Hilfen entsprechend der aufgelaufenen Zwangsgelder. Zudem liegen in dem Justizstreit Corona-Hilfen in Höhe von 36 Milliarden Euro für Polen auf Eis.

nob/ml (dpa, afp)